Gemeinden der Region
Neuenbürg -  22.07.2022
Artikel teilen: Facebook Twitter Whatsapp

Bildhauer ziehen Besucher im Schloss Neuenbürg in den Bann

Neuenbürg. Man darf neugierig sein. Es lädt geradezu dazu ein, was im Rahmen des Kultursommers Nordschwarzwald an diesem Wochenende den Schlossgarten, die Ruine und den Schlosskeller in Neuenbürg mit Leben füllt. Erkundet wird hier ein Kunstbereich, der in einer sich rasant wandelnden Welt ein breites Terrain für neue Ausdrucksformen findet – mit Respekt vor der Tradition schlägt man den Bogen in die Gegenwart, aber auch mit Witz, Ideen und der dazu gehörenden handwerklichen Fähi

Acht Bildhauerinnen und Bildhauer haben sich in einem Symposium zusammengefunden und stellen sich und ihre Arbeit der Öffentlichkeit vor. Nicht das Präsentieren eines fertigen Objektes steht im Vordergrund, das verheißungsvolle Vorzeichen bildet die Teilhabe an der Entstehung eines oft direkt verorteten Werks. Es ist bei aller Konzentration ein temporeicher und sehr unterschiedlicher Prozess, der noch an diesem Samstag und Sonntag die Besucher mühelos in den Bann zieht.

Beginnen wir den Weg in den Tiefen des Schlosskellers. Hier hat Mirja Wellmann skulpturale Hörgeflechte aufgebaut. Große, aus lackierten Holzteilen zusammengefügte „Hörsequenzen“, die sich zuordnen lassen. „Ich will die akustische Landschaft eines Ortes sehbar machen“, sagt Wellmann und verweist auf die vielen „Hörprotokolle“, die sich, aufgehängt an einem Draht, durch einen Teil des Kellers ziehen. Sie fordert die Besucher auf, selbst solche Protokolle zu erstellen und zu erleben, wie die Grenzen zwischen Hören und visueller Kunst eingerissen werden. Neben ihr arbeitet Leonard Staigle aus Pforzheim mit flachen Papierformen, die er mit warmem Wachs füllt. Der Prozess, der auch durch eine Farbpigmentierung des Wachses geprägt wird, ist nicht endgültig, Staigle kann eine nachträgliche Formentscheidung durch Zerstören, Auflösen, Aufreißen und eine Bearbeitung der Oberfläche treffen.

Direkt hinter der in den Schlossgarten führenden Brücke demonstriert Rüdiger Seidt aus Forbach die Ästhetik und Spannung der reinen, reduzierten Form, die er normalerweise in großen Stahlplastiken umsetzt. Hier in Neuenbürg erstellt er Druckplatten für wunderschöne, monochrome Prägedrucke, in die er die elegante Formen-Kraft seiner Skulpturen einbringt.

Ein paar Meter weiter hat Andreas Welzenbach „ein paar Baumstämmchen“ mitgebracht, denen er mit Kettensäge und später mit den klassischen Werkzeugen, mit Witz und Ironie zu Leibe rückt. „Es muss vorher schon alles drin sein“, war der Grundgedanke bei der Auswahl des Stammes, aus dem zwei Pingpong spielende Panzer entstehen. Wie fast immer bei Welzenbach kann der Betrachter dabei in die Rolle des Agierenden schlüpfen und die Bälle umlenken oder stoppen. Ebenfalls mit Holz arbeitet Lars Zech aus Althengstett. Seine Skulpturen beinhalten einen klaren Plan ebenso wie Intuition – sie erwachsen aus dem Stamm und fächern sich dann trotz einer rauen, rissigen Oberfläche filigran auf.

Nägel, Haken und Schrauben aus Gold – alles selbst gefertigte Unikate – hat Martin Bruno Schmid an der Parkmauer dabei. Und eine goldene Schreib-Mine, die er zum Perforieren von Papier einsetzt. Schmid bewegt sich in einem eher minimalistischen Bereich, seine Arbeiten sind auf den ersten Blick oft nicht sichtbar, bilden Aufhängungen für andere Kunstwerke. Es ist auch die Frage nach der Wertigkeit von Sichtbarem und Fast-Unsichtbarem, die ihn umtreibt.

In der Ruine begibt sich Andreas Rohrbach auf die Suche nach Zerfall und Ordnung, nach Synergien zwischen Natur und Kultur, spielt mit den Elementen. Aufgebrochene große Sandsteine zeigen überraschende Inhalte und Verschiebungen von Formen, Wasserspiele erlauben neue Sinneswahrnehmungen. Gleich nebenan zeigt Thomas Putze aus Stuttgart seine humorvollen Plastiken – kreative, oft aus Fundstücken entstandene Tier- und Menschenfiguren, deren manchmal unheilvolle Schicksale der Betrachter ändern kann. Putze selbst hat einen Heidenspaß daran, intuitiv und spontan zu entscheiden, welches Ziel der Kreativitätsprozess ansteuert. Und eine Performance „ist fast immer automatisch dabei“.

Autor: Gabriele Meyer