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Pforzheim -  25.03.2020
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Corona-Krise: Gespenstische Ruhe auf dem Reiterhof

Lea Winterhoff ringt mit der Fassung. „Von heute auf morgen ist auf dem Hof eine gespenstische Stille eingekehrt. Ich fühle ich wie in einer Geisterstadt“, sagt die 32-jährige Leiterin des Kinderreitsportzentrums „Ulrike Mohr“ auf dem Pforzheimer Buckenberg. Wo sich eigentlich ab dem frühen Nachmittag Mädchen und Jungen tummeln, um Reitstunden zu absolvieren, Kindergeburtstage zu feiern oder einfach Zeit bei ihren Lieblingen zu verbringen, ist es still geworden.

Nur noch jene Mitglieder des Pforzheimer Reitervereins, die ein eigenes Pferd am Heuweg unterhalten, sind vor Ort. Sie dürfen sich aber auch nicht mehr lange dort aufhalten. Das Vereinscasino ist geschlossen, die Mitgliederversammlung auf unbestimmte Zeit verschoben.

Ordnungsamtsleiter Wolfgang Raff sagt: „Wir sind überzeugt, dass die Reitvereine die Vorgaben im Umgang mit Corona im Regelfall sehr korrekt handhaben. Selbstverständlich gehen wir Hinweisen über Verstöße gegen das Tierwohl kurzfristig nach.“

Winterhoff ist mit den 23 Pferden und Ponys des Kinderreitsportzentrums alleine. Sie sitzt in der leeren Reithalle. Zu hören sind ein paar Spatzen, die frech die Ruhe unterbrechen. Sonst nichts. Seit früh morgens ist Winterhoff auf den Beinen. Denn die Tiere wollen weiterversorgt werden. Ihr Tag hat damit begonnen, die kleinen Shetland-Ponys in die Robert-Hafner-Halle zu bringen. „Dort können sie sich als Herde bewegen, Freundschaften pflegen, miteinander spielen und vor allem auch richtig galoppieren“, erklärt sie. Das sei wichtig, weil Pferde Bewegungstiere sind. „In der Natur sind sie 18 Stunden pro Tag unterwegs.“ Die Koppeln seien durch den vielen Regen der zurückliegenden Wochen sehr nass. Dort können sich die Pferde nur die Beine vertreten.

Außerdem benötigten die Tiere 24 Stunden Zugang zum Heu. „Sie sind Dauerfresser.“ Immer wieder muss die Pferdewirtin die Heunetze auffüllen. „Ihr Verdauungsapparat funktioniert nur dann“, weiß Winterhoff. Und so ist es zwingend notwendig, dass die Tiere aus den Ställen kommen: „Auch, um zu sehen, ob alle fit sind.“ Ebenso brauchen die Ponys Zugang zu Trinkwasser. Das heißt für Winterhoff, unzählige Male die Eimer zu füllen und zu den Tieren zu bringen. Und das, obwohl ihre Hände schon angeschwollen sind: Das tägliche Misten, also das Säubern der Ponyställe, hat sie auch schon hinter sich. Später wird sie noch einige Pferde reiten – alle schafft sie alleine einfach nicht. Deshalb habe sie einige Kinder ausgewählt, die Zugang zu einer bestimmten Zeit und zu einem bestimmten Pferd haben.

„Die Stille hier ist das Schlimmste“, sagt sie. „Die Anlaufstelle, die ich hier eigentlich bin, ruht.“ Kinder seien immer willkommen. Und nun dürften sie nicht mehr kommen. „Ein beklemmendes Gefühl.“ Winterhoff lebt für ihren Beruf. Sie hat sich der Arbeit mit Pferden und Kindern verschrieben. „Das ist mein Lebenstraum, den ich bewusst gewählt und für den ich hart gearbeitet habe.“ Das Kinderreitsportzentrum wird zwei Wochen lang Betriebsferien machen. Derzeit würden Notfallpläne entwickelt, um das Wohl der Tiere zu sichern. Zum 1. April soll es Online-Angebote des Trainerteams mit einem Programm rund ums Pferd für die Reitschüler geben. „Wir wünschen uns natürlich, dass wir ab April alle gesund wieder bei unseren lieben Ponys und Pferden sein können, und hoffen auf Unterstützung in dieser schwierigen Zeit. Die Ponys sind diejenigen, die am allermeisten auf den Beitrag angewiesen sind, da sie weiterhin jeden Tag Futter und Versorgung benötigen.“ Damit die Kinder und Jugendlichen die Ponys nicht zu lange vermissen müssen, gibt es auf Facebook oder auf dem neuen Instagram-Account ulrikemohr79 täglich Bilder und kleine Geschichten. „Bleibt zu hoffen, dass wir bald zur Normalität zurückkehren können.“

Autor: suk