Danke Emma! Pforzheimer verabschieden sich vom historischen Freizeitbad
Pforzheim. Leser verabschieden sich im Rahmen einer Fotoaktion von ihrem geliebten Innenstadt-Bad. Diesen Artikel widmet die PZ den schönen Erinnerungen und freudigen Ereignissen im „Emma“.
Zeitgleich heißt es in Huchenfeld Abschied nehmen. Am Sonntag wollen Vereinsmitglieder um ihr Stadtteilbad eine lange Menschenkette bilden.
Im September 1965 gingen Pforzheimer Stadträte baden. Dieser Tage tun sie es erneut. Die damals sprangen bei der Eröffnung der neuen Schwimmhalle des Emma-Jaeger-Bads von den Startblöcken, jene heute kommen bei der Suche nach einem tragfähigen Bäderkonzept ins Schwimmen. Fest steht bisher nur mit Sicherheit: Am Sonntag, 16. Dezember, Schluss – sowohl im „Emma“ in der City, als auch im Stadtteilbad in Huchenfeld.
Dieser Artikel ist eine der 18 "PZ-Storys des Jahres". Was hat es damit auf sich? Pünktlich zum Jahreswechsel hat PZ-news die Geschichten des Jahres zusammengestellt: Ein - unvollständiger - Blick auf die besten, spannendsten und bewegendsten Texte, Bilder und Multimediareportagen des Jahres 2018. Diese sind jedoch kein klassischer Jahresrückblick, wie er am Montag, 31. Dezember, in der Pforzheimer Zeitung zu finden ist. Vielmehr handelt es sich bei der Zusammenstellung - ganz subjektiv - um einige Lieblingsgeschichten der PZ-news-Redaktion. Sie gingen zu Herzen, bewegten die Menschen, lösten Diskussionen aus. Eine Übersicht über all diese 18 ausgewählten Geschichten erhalten Sie hier.

Der schnellste Krauler
Fast 50 Jahre ist es her, dass der gebürtige Bad Wildbader Utz Rest als erster Schwimmer aus Pforzheim und der Region im Februar 1969 im Emma-Jaeger-Bad 100 Meter Kraul unter einer Minute schwamm. Den Goldpokal für den „schnellsten Krauler des 1. BSC“ besitzt der 70-Jährige aus Ölbronn-Dürrn noch heute. Geschwommen ist er damals übrigens auf Bahn fünf, wie alte Fotos in seinem Album beweisen. Dieses zeugt von weiteren Erfolgen des Sportlers, der später Kreisbaumeister beim Landratsamt Enzkreis war.
Spitzensportler in der Stadt
An das größte Sport-Ereignis im „Emma“ erinnert sich PZ-Fotograf Gerhard Ketterl gerne. Anfang April 1971 fanden die internationalen deutschen Schwimmmeisterschaften statt, und er sammelte damals viele Autogramme. Auch die von ZDF-Reporter-Legende Harry Valerien und Schwimmstar Werner Lampe, der ein Jahr später bei Olympia in München zu einem der Konkurrenten des siebenfachen Goldmedaillen-Gewinners Mark Spitz wurde. Jener wiederum besuchte 1979 im Rahmen einer Werbetour das Sportgeschäft von Karl-Wilhelm Elsässer und schwamm anschließend einige Bahnen im „Emma“.
Der besondere Blick
Die bunte Glaswand im Eingangsbereich hat es Susanne Wildermuth (64) aus Würm angetan. Besonders angeleuchtet während des Sonnenaufgangs. Das Bild stehe für das Tor zum Schwarzwald, so die 64-Jährige, die sofort Flüsse und Tannen in dem Kunstwerk ausmacht. Bewundern konnte sie das Fenster bei den vielen Besuchen ihrer Schwiegereltern im Bad, die den Ausflug immer mit einem Einkauf oder Restaurantbesuch verbanden. Sicherheitshalber hat Wildermuth die Details der Glaswand in Bildern gebannt. Sie fragt sich: Was passiert nach der Schließung damit?
Gar nicht lustig
„Es war eine schöne Zeit“, sagt Christine Zahnlecker. Die Rentnerin erinnert sich gerne zurück, als sie regelmäßig zur Rheumaliga und zur Wassergymnastik ging. Doch nicht nur die Übungen zeigten bei der 64-Jährigen Wirkung. So denkt die Pforzheimerin besonders gerne an die Treffen der Gruppe zurück, bei denen sich die Teilnehmer mal zu Fasching, mal zur Weihnachtszeit verkleideten. Für das Foto zieht sie noch ein letztes Mal die rote Nase auf. Zum Scherzen zumute ist es ihr dennoch nicht. „Ich bin sehr traurig über die Schließung“, sagt sie.
Samstag war Badetag
Weil die Familie Ende der 1950er-Jahre in einer Wohnung ohne Badezimmer lebte, ging es für Andrea Lutz samstags zum Badetag ins alte Emma-Jaeger-Bad. Aus Kostengründen badete die Fünfjährige mit der Mutter in einer Wanne. Der Pudel ging ins Hundebad – den Eingang entdeckt die 66-Jährige vor dem PZ-Shooting. Dieses findet schließlich zwischen den Umkleiden des neuen Bads statt, in dem ihre Kinder Schwimmen lernten. „Von gegenüber konnte man in die Kabinen sehen“, verrät Lutz jetzt, wo niemand mehr etwas mit dieser Information anfangen kann. Viel gesehen habe man jedoch nicht.
Die ganz große Liebe
Fast ein Leben lang hat das „Emma“ Dorothee Sickinger begleitet. Hier entdeckte die 37-Jährige in der Kindheit die Begeisterung für den Schwimmsport, später die Liebe zu ihrem Mann Jens. Sie schwamm als Mitglied der ersten Mannschaft der SSG Pforzheim Tausende von Bahnen. Und das mit Erfolg. Zu den glücklichsten Erinnerungen zählt der erste Kuss 1997. Die erste große Liebe hielt, die Kinder konnten im Babybecken planschen. So auch die neunjährige Emma. Die aber nicht nach dem Bad, sondern nach Sickingers Oma benannt wurde, wie die Mutter beteuert. Positiv besetzt sei der Name aber gewiss gewesen. Die Tochter orientiert sich inzwischen Richtung Turnen, Leichtathletik und Klettern. Beim PZ-Shooting würde sie dann am liebsten doch ein letztes Mal ihre Bahnen ziehen. „Was bleibt, sind viele schöne Erinnerungen und die Hoffnung, dass Pforzheims politische Führung eines Tages doch noch erkennt, wie wichtig Schwimmbäder sind“, so die Sportlehrerin aus Eisingen.
Huchenfelder stehen zu ihrem Bad
Pforzheim-Huchenfeld. Mit dem „Emma“ schließt auch das Huchenfelder Bad nach 43 Jahren. Rührig kämpft der Stadtteil gemeinsam mit dem SSV Huchenfeld seit Jahren für dessen Erhalt – und pocht nach wie vor auf den Gemeinderatsbeschluss von 2016, einen Neubau an selber Stelle errichten zu wollen. Und da scheint sich das Gremium im Grunde auch einig zu sein. Allein der Zeitplan ist nach wie vor ungewiss. So nehmen die Huchenfelder den letzten Öffnungstag am Sonntag, 16. Dezember, zum Anlass, sich von 11.30 bis 16 Uhr von ihrem Bad zu verabschieden. Um 16 Uhr plant der Vorstand des Schwimmvereins Huchenfeld dann „die längste Menschenkette, die Pforzheim je gesehen hat, rund um unser Stadtteilbad“. Teilnehmer werden gebeten, eine Kerze oder ein Windlicht mitzubringen. Die Besucher werden von den ansässigen Vereinen bewirtet. Und der Erlös? Der soll natürlich in ein neues Bad fließen.
Die Mitglieder des Schwimm-Sportvereins Huchenfeld (SSVH) sind am Mittwoch zu ihrem letzten Trainingsabend im Schwimmbad Huchenfeld gekommen. Mit viel Wehmut und Tränen in den Augen nahmen die Schwimmer, Triathleten und Aqua-Jogger von ihrem geliebten Bad Abschied.
"Noch eine letzte Runde schwimmen, ein letztes Mal eine Wasserbahn joggen. Unter der Dusche wurde mehr als einmal zusätzlich der Duschknopf gedrückt, man wollte nicht wahrhaben, dass dies das letzte Mal war, an dem man unter der Schwimmbad-Dusche in Huchenfeld stand. Was wird nun aus all den Schwimmerinnen und Schwimmern, Aqua-Jogger und Triathleten, aus all den Kindern, die nicht mehr in Huchenfeld schwimmen lernen können?", heißt es in einer Pressemitteilung des SSHV.
Rege wurde über die Unzulänglichkeiten von Seiten der Stadt Pforzheim und dem Gemeinderat der Stadt Pforzheim diskutiert. Niemand könne verstehen, warum mit dem Bau eines neuen Hallenbades nicht schon längst begonnen wurde, zumal in Huchenfeld direkt neben der Halle genügend Platz vorhanden sei. Als Trost für den tränenreichen Abschied spendierte der Vorstand des SSVH den Mitgliedern vor der Halle eine Grillwurst und Punsch bzw. Glühwein.
Eine kleine Chronologie zum "Emma"
1900: Emma Jaeger hinterlässt der Stadt für den Bau eines Volksbades rund 500 000 Goldmark.
1909: Im Herbst ist Baubeginn.
1911: Das Emma-Jaeger-Bad wird im November der Öffentlichkeit übergeben. Die Baukosten betragen rund 700 000 Mark.
1919-1925: Das Bad wird zunächst um eine Flussbadeanlage, dann um Filteranlagen erweitert.
1945: Das Bad wird nach dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut.
1949: Im Dezember wird es wieder in Betrieb genommen.
1954: Der Gemeinderat beschließt, eine neue Schwimmhalle an der Gerberstraße zu bauen.
1962: Der Bau beginnt.
1965: Die neue Halle wird mit Nichtschwimmerbecken, Sportbecken, Sprunganlage und Großrutsche angebaut und am 25. September eingeweiht. Die Kosten belaufen sich auf 4,4 Millionen D-Mark.
1975: Im November eröffnet das Huchenfelder Stadtteilbad.
1986: „Emma“-Ausbau zum Freizeitbad mit Gaststätte, Rutschbahn, Außenbecken und Solarien.
2002: Die neue Halle wird für 5,5 Millionen Euro saniert. Am 27. November kann sie mit Solebecken, Whirlpool, Außenbecken, Kinderbecken, neuen Duschen, Rutsche und großzügiger Saunaanlage eingeweiht werden.
2008: Im Emma-Jaeger-Bad werden zwei Blockheizkraftwerke eingebaut. Außerdem werden die Heizung umgebaut und die Lüftungsanlagen erneuert.
2011: Im Juni schließt die alte Schwimmhalle aus statischen Gründen. Es wird daraufhin zum Kreativzentrum umgebaut.
Dezember 2014: Beim Brand der Sauna nimmt das Huchenfelder Bad erheblichen Schaden. Es bleibt für 16 Monate geschlossen.
17. April 2015: Das Nichtschwimmerbecken im „Emma“ geht außer Betrieb.
Juli 2015: Das „Emma“ schließt aufgrund technischer Mängel für ein Jahr seine Türen.
Juli 2016: Der Gemeinderat beschließt, Kombibad und Neubau in Huchenfeld weiter zu verfolgen.
22. Februar 2018: Proteste bei Sitzung in Huchenfelder Turnhalle.
20. März 2018: Der Gemeinderat beschließt Neubauten von „Emma“ und Huchenfelder Bad. Das Regierungspräsidium lehnt das Ganze ab.
Mai bis August 2018: Das „Emma“ muss gleich zweimal schließen.
September 2018: Der Gemeinderat ringt um eine tragfähige Lösung
16. Dezember 2018: „Emma“ und Huchenfelder Bad sind zum letzten Mal geöffnet.