Gemeinden der Region
Enzkreis -  11.06.2023
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Darum hilft der Streik der Apotheker auch den Kunden in Pforzheim und dem Enzkreis

Pforzheim/Enzkreis. Am Mittwoch, 14. Juni, streiken bundesweit viele Apotheken – auch in Pforzheim und dem Enzkreis. Was für die Kunden an diesem Tag möglicherweise ein Ärgernis darstellt, könnte ihnen noch zu Gute kommen.

Protesttag Apotheker
Kämpfen für mehr Geld und mehr Handlungsspielräume für Apotheken: Christian Kraus (von links), Stephanie Isensee, Thomas Haug und Fritz Becker. Foto: Meyer

Die gute Nachricht zuerst: Die Notfallversorgung ist sichergestellt. Wer dringend ein Medikament benötigt, der bekommt dieses auch am Mittwoch, 14. Juni – also an jenem Tag, an dem bundesweit Apotheken aus Protest schließen. Es ist aber ein kleiner Vorgeschmack auf das, was droht, wenn immer mehr Apotheken aus wirtschaftlichen Gründen ihr Geschäft aufgeben. Dieser Trend, der sich schon jetzt zeigt, könnte sich noch deutlich verschärfen, wenn die Politik nicht reagiert. Davon sind nicht nur Pharmazeuten aus der Region überzeugt.

„Wenn keine Änderungen durch den Gesetzgeber erfolgen, dann werden noch mehr Apotheken schließen – und zwar in immer höherer Geschwindigkeit“, sagt Frank Eickmann, stellvertretender Geschäftsführer und Pressesprecher des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg.

Apotheker Thomas Haug formuliert es etwas überspitzt: „Wenn dann ein Mann ein Rezept für seine Frau einlösen möchte, kann er sagen: In drei vier Stunden bin ich wieder zurück.“

Die Apotheker streiken bundesweit zum einen dafür, wirtschaftlich arbeiten zu können. So fordern sie unter anderem ihre Vergütung pro rezeptpflichtiges Medikament von 8,35 Euro auf zwölf Euro zu erhöhen. Sie streiken aber auch für mehr Handlungsfreiheit – damit sie Patienten besser und schneller versorgen können. „Apotheker können mehr als sie dürfen“, sagt Eickmann und verweist auf die Medikamentenknappheit. Apotheker hätten durch ihr Studium die Kompetenz, bei Engpässen ein alternatives Medikament zu empfehlen. Aber lange Zeit durften sie es nicht. Eine erneute Rücksprache mit dem Arzt war erforderlich. Das bedeutete nicht nur mehr Arbeit für Apotheker und Ärzte, sondern für die Patienten möglicherweise eine gefährliche Therapieverzögerung.

„Wir wollen einen Patienten nicht wegschicken, um erst vier Stunden später eine Lösung zu haben, nachdem wir den Arzt erreicht haben“, sagt Frank Eickmann.

Seit Corona sei man aber zumindest bei diesem Punkt auf einem guten Weg. „In dieser Zeit haben wir bewiesen, dass wir es können“, betont die Pforzheimer Apothekerin Stephanie Isensee (Pregizer Apotheke).

Eine weitere Forderung der Apotheker betrifft das sogenannte Retaxationsverfahren. Was so sperrig klingt, bedeutet, dass die Krankenkassen den Apotheken die Bezahlung der Medikamente verwehren, wenn auf dem Rezept Formfehler sind. Und dabei reichen schon Kleinigkeiten, wie Eickmann betont: „Ärzte müssen ihre Telefonnummer auf das Rezept schreiben. Fehlt sie, bekommen die Apotheker das Geld nicht.“ Das ist nicht nur für die Apotheker ein Ärgernis, sondern auch für die Kunden. Denn im Zweifel müssen die Pharmazeuten sie zurück zu ihrem Arzt schicken, um den Fehler korrigieren zu lassen. „Das ist Schikane“, wird Eickmann richtig deutlich.

Den Apothekern ist es zwar wichtig, am 14. Juni die Türen zu schließen. „Aber keiner von uns macht am Mittwoch gerne zu“, demonstrieren die Pforzheimer Apotheker Christian Kraus, Stephanie Isensee, Fritz Becker und Thomas Haug beim Gespräch mit der „Pforzheimer Zeitung“ Geschlossenheit. In ihren Schaufenstern und auf Flyern erklären sie ihren Kunden die Hintergründe und hoffen natürlich auf Verständnis – im besten Fall sogar auf Unterstützung. So appelliert Isensee in einem Flyer an ihre Kunden: „Helfen Sie mit: Beschweren Sie sich bei Ihrer Krankenkasse und bei Ihren Bundestagsabgeordneten!“

Mehr Informationen zum Thema Gesundheit finden Sie im Gesundheitsportal der "Pforzheimer Zeitung" unter www.vital-region.de.

Autor: bsch