Das große Rechnen beginnt: Die Haushaltsreden der Pforzheimer Stadträte
Die Reden der Gemeinderatsfraktionen bilden den Startschuss der Haushaltsberatungen für den Doppelhaushalt 2026/27. Die finanzielle Lage der Kommunen war wohl noch nie so angespannt wie dieser Tage. Umso hitziger könnten die kommenden drei Tage in Klausur werden.
CDU-Fraktion: „Abriss des Technischen Rathauses ist beschlossen“
Wenn man in diesen Tagen auf die Haushaltsberatungen in anderen Städten schaue, dann merke man, wie ernst die Lage geworden ist, sagt CDU-Fraktionsvorsitzender Andreas Renner.
„Städte, die Spielplätze abbauen, massiv Gebühren erhöhen, Jugendprogramme streichen, weil sie sich nicht mehr anders zu helfen wissen. Auch an uns gehen Inflation, Fachkräftemangel, Baukostenexplosionen, sinkende Gewerbesteuereinnahmen und steigende Sozialausgaben nicht vorbei.“
Allerdings habe man sich in den vergangenen Jahren eine solide Grundlage erarbeitet. „Wir haben Schulden abgebaut. Wir haben unsere finanzielle Basis gestärkt. Und deshalb stehen wir heute besser da als viele andere“, so Renner. Dieser Haushalt sei ehrlich und komme ohne Steuererhöhung aus. Er zeige verantwortliche Politik. „Diese Verantwortung tragen wir als CDU-Fraktion sehr bewusst. Daher unterstützen wir den Investitionsdeckel von 40 Millionen Euro ab 2026. Was wir planen, müssen wir auch bauen können. Was wir ankündigen, muss in den nächsten Jahren realisierbar sein.“
Man stehe zu den großen Projekten dieser Stadt. Dem Wartberg-Schwimmbad, Insel-Campus, dem neuen Sozialrathaus und auch zu den Schlossberghöfen. Gerade die Schlossberghöfe würden zeigen, wie wichtig ein gutes Stadtbild und gute Planung sind. Der nächste Bauabschnitt werde das Zentrum der Stadt für viele Jahrzehnte prägen. „Zur Ehrlichkeit gehört auch: Der Abriss des Technischen Rathauses ist beschlossen und wird bereits umgesetzt. Die Sanierung wäre - nach dem, was uns heute bekannt ist - wirtschaftlich nicht mehr verantwortbar“, sagte Renner.
AfD-Fraktion: „Riskieren ein Bad zu bauen, das wir nicht betreiben können“
Die kommunale Ebene stehe unter Druck, sagt Alexsei Zimmer, Fraktionsvorsitzender der AfD. Durch: Demografie, Migration, Strukturwandel, Klimaauflagen. Die finanzielle Lage sei „historisch schlecht“ und „Pforzheim mittendrin“. Man verbrauche Vermögen für laufende Zwecke, erwirtschafte nicht einmal die Kredit-Tilgungen, Investitionen würden auf Pump erfolgen, die Verschuldung erreiche ein Rekordniveau.
„Das ist kein Tal, durch das man mal eben durchgeht. Das ist ein Alarm“,
- sagte Zimmer.
Die Kommunen würden überrollt von den Kosten für die Migration sowie steigenden Sozialausgaben, „ einschließlich dem Aufwand für die Inklusion.“ Er richtete einen Appell an Oberbürgermeister Peter Boch, Druck über den Städtetag zu machen. Die Weitergabe der Kosten von Bund über das Land zu den Kommunen müsse aufhören.
Unter dem Punkt „Was wir noch leisten können“ gibt Zimmer den Insel Campus an. „Die Kosten steigen von 90 auf 150 Millionen Euro. Trotzdem sage ich klar: Schulen sind Pflichtaufgabe. Wer hier spart, spart an Kindern und Zukunft.“ Das Wartbergbad koste mittlerweile 87 Millionen Euro. „Gleichzeitig fehlen Bademeister, Schichten brechen weg, Öffnungszeiten werden gekürzt. Wir riskieren, ein Bad zu bauen, das wir später nicht betreiben können. Das ist kein Pforzheimer Problem – das ist ein Strukturproblem“, so Zimmer. Außerdem plane die Stadt einen E-Busbetriebshof für 37 Millionen Euro. „Warum? Weil der Bund uns in E-Fahrzeuge drängt, während kostengünstigere Alternativen praktisch ausgeschlossen werden. Das ist Ideologie, kein Verkehrskonzept.“ Er forderte keine Umsetzung ohne gesicherte Förderung.
SPD-Fraktion: „Müssen Chancen klug nutzen“
Trotz der angespannten finanziellen Lage sieht die SPD-Fraktion auch positive Entwicklungen. „Wir haben Chancen, aber müssen sie klug nutzen“, sagt Fraktionsvorsitzende Annkathrin Wulff. Dies bedeute für die Fraktion: „Bildung und Soziales zuerst“. Daher fordere die SPD seit vielen Jahren gebührenfreie Kitas, weil frühe Bildung entscheidend sei für Sprache, Integration und soziale Kompetenz. „Auch bei unseren Schulen dürfen wir nicht länger warten“, so Wulff. Für den Insel-Campus schlägt die Fraktion vor, Mittel aus dem Sondervermögen zu verwenden und die Sanierung und den Neubau vorzuziehen. Man erwarte zudem eine kluge und transparente Nutzung des Startchancenprogramms und die bestmögliche Förderung der Schüler. Wulff nennt in dem Zusammenhang gute Lernräume, digitale Ausstattung, multiprofessionelle Teams und eine starke Schulsozialarbeit.
Unverzichtbar sei auch soziale Sicherheit. Die SPD beantragt dazu ein flächendeckendes, koordiniertes Quartiersmanagement im Stadtgebiet unter Miteinbeziehung der Bürgervereine und der Sozialraumkonferenzen. Für Wohlfahrtsverbände, freie Träger und soziale Vereine ist es aus Sicht der SPD eine Selbstverständlichkeit, stabile Zuschüsse zu gewähren. Zudem beantragt die Fraktion ein echtes Haus der Vereine und keine Übergangslösung – „vielleicht in den neuen Schlossberghöfen“, so Wulff. Daneben stehe die SPD-Fraktion für bezahlbares Wohnen, Mobilität, Klimaschutz und für die Förderung von Sport, Kultur und Ehrenamt.
Fraktion FDP/FWV: „Luxusbad ist ein Fass ohne Boden“
In Periode zwischen 2026 und 2030 habe die Stadt Pforzheim den Verzehr von 82 Millionen Euro Eigenkapital zu verkraften, sagte der Vorsitzende der Fraktion aus FDP und FWV, Hans-Ulrich Rülke. „Sie, Herr Oberbürgermeister, haben erklärt, der Haushalt sei genehmigungsfähig. Ich komme zu einem anderen Ergebnis.“
Wobei die Regierungspräsidentin dem OB wohl „einfach alles“ genehmige, sagte er in Anspielung auf den Nebenerwerb Bochs als Coach. Steuererhöhungen werde seine Fraktion nicht mittragen, so Rülke weiter. Stattdessen müssten Projekte auf den Prüfstand. „Das Luxusbad auf dem Wartberg scheint ein Fass ohne Boden, beim Insel-Campus wissen wir nicht, wo wir rauskommen und manche wollen sogar den Flop des Jahrhunderts, die Ornamenta, fortsetzen.“ Nicht zuletzt sei das Projekt Schlossberghöfe gescheitert.
„Das Alte Technische Rathaus muss erhalten bleiben",
- sagte Rülke.
Es gebe mit Wolfgang Scheidtweiler jemanden aus der Bürgerschaft, der den Willen habe sich einzubringen. „Das sollte man aufnehmen und nicht stur auf dem falschen Weg bleiben.“ Weitere Forderungen der Fraktion FDP/FWV sind: Priorisierung von Bildung und Betreuung, „denn das ist das A und O“, kein Sozialrathaus im ehemaligen Sinn-Leffers sowie ein Sozialcontrolling. Begrüßt werden ausdrücklich, dass die Verwaltung keine neuen Stellen in der Kernverwaltung schaffen will, die Budgetierung der Fachämter im Rathaus sowie die 40-Millionen-Euro-Deckelung der jährlichen Investitionen.
Fraktion Grüne/WiP/Die Linke: „Sie sind offensichtlich nicht ausgelastet“
„Wir, aber auch andere Kommunen befinden sich in einer schwierigen Situation“, sagt der Vorsitzende der Fraktion aus Bündnisgrünen, WiP und Linke, Felix Herkens. Gleichzeitig sei die Situation in Pforzheim besser als gedacht. Durch die Zuweisungen des Zensus würde bis 2028 insgesamt 100 Millionen Euro mehr nach Pforzheim fließen. Diesen finanziellen Glücksfall dürfe man nicht nur für Wahlgeschenke in Form von Steuersenkungen bei der Gewerbe- oder Grundsteuer an Einzelne ausgeben.
„Wir fordern, diese Entscheidungen rückgängig zu machen und das Geld in unsere Stadt zu investieren, damit alle Bürger davon profitieren“,
- so Herkens.
Stattdessen müssten Schulsanierungen oder Neubauten wie der Insel-Campus umgesetzt werden. „Wir benötigen einen funktionierenden Stadtbusverkehr.“ Es zeige sich, dass die Privatisierung des Busverkehrs zu einer Abhängigkeit führe.
„Darum fordern wir die Prüfung einer zeitnahen Rekommunalisierung des ÖPNV.“ Außerdem beantragt die Fraktion ein kommunales Wohnraumförderprogramm mit fünf Millionen Euro pro Jahr, um die Bauwirtschaft bei der Schaffung von gefördertem Wohnraum zu unterstützen. Kritik gab es von Herkens an OB Bochs neuer Coaching-Firma. „Sie sind offensichtlich nicht ausgelastet. Statt als Teilzeit-OB extern Dienstleistung zu verkaufen, ist es Ihre Pflicht, Ihre Zeit in der Stadtverwaltung einzusetzen.“
Fraktion ZfP/UB/GfP: „Ich sage Ihnen: Ich bin es leid“
„Seit drei Wahlperioden höre ich hier im Rat immer wieder die gleichen Haushaltsreden. Immer dieselben Mahnungen – und dennoch endet der Haushalt häufig mit zusätzlichen Projekten, die wir uns nicht leisten können. Ich sage Ihnen: Ich bin es leid“, machte der Vorsitzende der Fraktion ZfP/UB/GfP, Max Müssle, deutlich. Das zeige sich beim Busverkehr: Der RVS habe das Angebot abgegeben, den Verkehr weiterhin eigenwirtschaftlich zu betreiben.
Dennoch habe der Großteil des Gemeinderats dieses Angebot abgelehnt. Die Konsequenz: Die Verwaltung müsse nun einen neuen Betriebshof planen. Mit Blick auf die Entwicklung von Innenstadt-Ost sei es sinnvoll, das Projekt vorerst auszusetzen, bis ein Konzept vorliegt, das die Innenstadt tatsächlich belebt. Außerdem forderte Müssle, den Bereich am ZOB Süd aufzuwerten – „mit Grünflächen, Aufenthaltsbereichen, Gastronomie und Sportmöglichkeiten“. Statt 55.000 Euro für das Schlosspark-Open auszugeben, fordere seine Fraktion 300.000 Euro für ein Stadtfest.
Fraktion FWP/BL/FL: „Politische Deals müssen aufhören“
Immer mehr Aufgaben würden vom Bund und Land auf die Kommunen abgewälzt, die vor einem nie gehabten Defizit stünden, sagt der Vorsitzende der Fraktion FWP/BL/FL, Michael Schwarz. „Wir haben kein Einnahmenproblem, sondern ein Ausgabenproblem.“
Die Zahlungsunfähigkeit der Stadt drohe bis spätestens 2030, da die Stadt unter das Niveau der gesetzlichen Mindestliquidität rutschen werde.
„Das ist wie ein Tanz auf dem Vulkan und ein absoluter finanzieller Blindflug.“
Einsparpotenziale gebe es beim „Luxusbad“ auf dem Wartberg sowie Innenstadt-Ost. Außerdem solle die Finanzspritze an die Pforzheimer Stadtbau nicht erfolgen. Man gehe davon aus, dass ab 2028 die Hebesätze für Gewerbe- und Grundsteuer erhöht werden, „was eine zusätzliche Belastung für Unternehmen und Bevölkerung bedeutet“. Auch die „politischen Deals“ im Gemeinderat müssten aufhören, nach dem Prinzip: „Bekommst du X, dann bekomme ich Y.“ Hierfür fehle das notwendige Geld. Stattdessen solle unter andrem in eine Mehrzweckhalle für Eutingen sowie in die Sanierung der dortigen Feuerwache und ein Frauennachttaxi investiert werden.
Fraktion Bürgerliche Allianz Pforzheim: „Keine Wunschliste, sondern Prioritäten“
Die Fraktion Bürgerliche Allianz Pforzheim will einen Haushalt, der finanzierbar bleibt, das Notwendige stärkt, und die Stadt Schritt für Schritt verbessert. „Pforzheim braucht jetzt Ehrlichkeit, Mut und klare Prioritäten“, sagt Fraktionsvorsitzender Niels Mommer. Schulen, Kitas, Sporthallen, Bäder, Straßen – vieles sei in einem Zustand, den niemand akzeptabel nennen könne.
„Wenn wir so weitermachen, hinterlassen wir kommenden Generationen Schulden und marode Einrichtungen. Jetzt ist der Moment zum Gegensteuern“,
- so Mommer.
Das gelinge nicht mit Wunschlisten, sondern mit klaren Prioritäten. Die Fraktion schlägt Einsparungen und Umschichtungen von mehr als 40 Millionen Euro vor.
Zudem will sie angesichts des „nicht akzeptablen Zustands vieler Straßen“ eine Erhöhung der Mittel auf knapp fünf Millionen Euro jährlich, um dringendste Mängel abzuarbeiten. Da mit dem Wegfall des Schlossbergs eine zentrale Verkehrsachse fehle, solle geprüft werden, ob Leopold- und Bahnhofstraße zumindest teilweise wieder geöffnet werden können.
Gruppierung SL/GP: „Gesamtkonzept ist erkennbar“
Die SL/GP-Gruppierung mit den Stadträten Andreas Sarow und Baris Özkan verzichtete auf eine Rede, sieht den Haushaltsentwurf aber als „gutes Gesamtpaket“, in dem sinnvolle und wichtige Beschlüsse zeitnah umgesetzt werden können. Der Verwaltung seien die Schwerpunkte für die Stadt hinlänglich bekannt. „Ein Gesamtkonzept ist erkennbar und der Fahrplan steht“, so Sarow und Özkan in einer Mitteilung.
Man wolle sich nicht durch wiederkehrende Worthülsen wie Sicherheit, Sauberkeit, Familienfreundlichkeit, Bildung und Lebensqualität in einer Dauerschleife profilieren und den Haushalt auf links drehen. Für die Stadträte ist aber darauf zu achten, „dass die mit großer Mehrheit beschlossenen Vorhaben nicht hinten runterfallen oder gar ganz aus der Finanzplanung verschwinden“. Es seien teilweise kleine Bausteine, die aber für die Bürger wichtig und unmittelbar spürbar seien. Nicht nur die Zukunftsvision für Pforzheim sei wichtig, sondern auch, den Alltag bewerkstelligen zu können.
Gruppierung Grüne Liste: „Pforzheim braucht einen Plan“
Für Axel Baumbusch fehlt der Stadt ein zukunftsfähiges Gesamtkonzept. „Pforzheim verdient eine Politik, die gestaltet, nicht verwaltet. Die erklärt, nicht versteckt. Und die führt, statt hinterherzulaufen“, sagt der Sprecher der Gruppierung Grüne Liste, der Oberbürgermeister Peter Boch mangelnde Transparenz, Kurzzeitpopulismus im Wahlkampf und eine Zentralisierung von Entscheidungen vorwirft. Die Grüne Liste fordert stattdessen ein strategisches Konzept für Wirtschaft, Wohnen und Innenstadt, eine klare mobilitäts- und klimapolitische Linie sowie eine verantwortungsvolle Finanzstrategie. „Zukunft entsteht nicht zufällig, sondern durch Orientierung, Mut und Verantwortung. Pforzheim braucht einen Plan – und zwar jetzt.“
