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Remchingen -  06.10.2021
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Der Redebedarf steigt deutlich: Demenz als großes Thema in Remchingen

Remchingen. Neben dem Rednerpult steht auf einem bunten Stab eine große, gelbe Sonne. Gestaltet haben sie die Männer der Handwerkergruppe am Demenzzentrum des Enzkreises. Sie soll ein ermutigendes Symbol sein für Hoffnung, für Wärme, für „Licht am Ende des Corona-Tunnels“. So formuliert es Enzkreis-Sozialdezernentin Katja Kreeb und sagt: „Corona hat schon einiges gemacht: nicht nur mit den Betroffenen selbst, sondern auch mit den Angehörigen“.

Optimismus gibt es beim Fachtag Demenz in der Remchinger Kulturhalle. Organisiert von der Stadt Pforzheim und dem Enzkreis, findet er bereits zum siebten Mal statt. Im Mittelpunkt steht das Thema „Achtsamkeit und Selbstsorge“. Rund 100 Teilnehmer sind dabei: Betroffene, Angehörige, Fachkräfte und Ehrenamtliche. „Das ganze Portfolio der Pflege wird abgebildet“, sagt Karin Watzal vom Sozial- und Versorgungsamt des Enzkreises. Ziel sei ein aktueller Austausch.

Veranstaltung in Präsenz

Die Sozialgerontologin Ulla Reyle referiert über Demenz als autobiografische Entwicklungsaufgabe, Buchautor Erich Schützendorf über Achtsamkeit und Selbstsorge. Am Nachmittag gibt es sechs Workshops, unter anderem zur Wohnanpassung bei Demenz, zur Demenz im Krankenhaus und zur Bewegung bei Demenz. Watzal freut sich, dass die Veranstaltung wieder in Präsenz stattfinden kann, und sieht darin einen wichtigen Teil der Öffentlichkeitsarbeit. Die braucht es aus ihrer Sicht unbedingt, denn viele Demenzerkrankte würden sich erst Hilfe suchen, wenn es eigentlich schon zu spät ist, nämlich dann, wenn die pflegenden Angehörigen am Ende ihrer Kräfte angelangen. Ein Umstand, der allerdings insofern nicht verwunderlich ist als „fehlende Krankheitseinsicht“ laut Watzal am Anfang das häufigste Symptom einer Demenz darstellt. Oft sind es deshalb die Angehörigen, die irgendwann auf das Demenzzentrum zukommen.

In Mühlacker existiert es als Teil des Beratungszentrums consilio bereits seit zwölf Jahren, in Remchingen seit zwei Jahren. Geboten wird vor allem Einzelfallhilfe, oft über Jahre hinweg, teilweise auch über den Tod des Erkrankten hinaus. Unter anderem gibt es einen Gesprächskreis für Angehörige, Wanderungen für Menschen mit kognitiven Einschränkungen und Betreuungsgruppen für Erkrankte, etwa die Handwerkergruppe für Männer. Jährlich kommt man in Mühlacker auf rund 500 Beratungskontakte, in Remchingen auf rund 100. Watzal beobachtet eine steigende Nachfrage, da die Krankheit in den vergangenen Jahren bekannter wurde. Durch die Coronakrise habe der Redebedarf noch einmal zugenommen. „Wir brauchen mehr Zeit in der Beratung und es wird mehr geweint.“ Watzal hält die Rückkehr zur Normalität für wichtig, damit soziale Kontakte, Struktur und Teilhabe wieder stattfinden können. Obwohl es die Präsenzangebote schon seit Mai wieder gibt, kommen die erkrankten Menschen nur zögerlich. Viele hätten sich zu Hause im Lockdown eingerichtet, in der Nichtteilhabe, erklärt Watzal: „Obwohl es ihnen dabei nicht gut geht.“

Belastung für die Angehörigen

Die Coronakrise hat aus ihrer Sicht nicht nur die Pflegekräfte über Gebühr strapaziert, sondern auch die Betroffenen und ihre Angehörigen belastet. Letztere waren oft rund um die Uhr mit den Erkrankten beschäftigt. Anders ging es nicht, denn viele ambulante Angebote sind aufgrund der strengen Einschränkungen und der hohen Gefährdung älterer Menschen ebenso weggefallen wie die Tagespflege. Dabei schaffen sie die Struktur, die so wichtig ist für Menschen mit Demenz.

Autor: Nico Roller