Die Macherin: Annemarie Kienzler - kein Engagement ist ihr fremd
Bad Wildbad. Annemarie Kienzler schlüpft in viele Rollen – mal ist sie Barfrau, mal schabt sie Spätzle am Golf von Saint Tropez, mal mimt sie Rossinis Gattin. Das alles tut die engagierte Bad Wildbaderin für den guten Zweck. An ihrem Lieblingsplatz im Kurpark, dem maurischen Pavillon, erzählt sie von ihrer Liebe zu ihrer Heimatstadt.
Der Tag von Annemarie Kienzler müsste eigentlich 30 Stunden haben. Die rührige Bad Wildbaderin ist überall. Mal verkauft sie Erdbeer-Daiquiri bei der Enzbeleuchtung am Stand des Familientreffs Karussell, mal lässt sie als Gioachino Rossinis Frau Olympe verkleidet die alten Zeiten hochleben. Erst dieser Tage brachte sie eine russische Vereins-Delegation ins örtliche Rathaus und in der Bad Wildbader Partnerstadt Cogolin am Golf von Saint Tropez schabt sie fleißig Spätzle. Gäbe es den Begriff „Ehrenamt“ nicht, für Annemarie Kienzler müsste er erfunden werden. „Ich ziehe die Arbeit förmlich an“, sagt die 73-Jährige und lacht. Unangenehm ist ihr das nicht. Sie bringt sich gerne ein in die Gemeinschaft. „Ich kann es gar nicht leiden, wenn Menschen sich immer nur beschweren, aber nichts tun“, sagt sie. Doch manchmal nimmt sich die gelernte Hotelfachfrau, zweifache Mutter und vierfache Oma auch ihre Auszeit: „Es ist nicht so, dass ich immer Trubel brauche“.
Dann malt sie, liest, hört französische Chansons beim Bügeln oder geht in den Wald, der fast vor ihrer Haustür in der Uhlandstraße beginnt. „Wildbad bedeutet für mich Heimat“, schwärmt sie und erzählt von früher, als sie noch im elterlichen Hotel „Goldener Stern“ in der Wilhelmstraße gearbeitet hat und mit vielen Gästen ins Gespräch gekommen ist. Dort, so ist die rüstige Rentnerin überzeugt, wurde die Grundlage für ihr heutiges ehrenamtliches Engagement gelegt. Dort eignete sie sich den Umgang mit den Menschen an, erfuhr und erlebte Weltoffenheit und lernte anzupacken, wo Hilfe notwendig ist. Diese Eigenschaften sind ihr bis heute geblieben. In zwölf Vereinen ist sie Mitglied und einige davon unterstützt sie nicht nur mit ihrem Mitgliedsbeitrag, sondern auch durch ihre Tatkraft.
Angefangen hat ihr vielfältiges Engagement bei der Schwimmabteilung des TSV Wildbad, erinnert sie sich, während sie durch den Kurpark spaziert und einen Zwischenstopp an ihrem Lieblingsplatz einlegt, dem maurischen Pavillon. Als ehemalige aktive Schwimmerin holte sie einst den Erfolgstrainer Gerhard Arndt nach Wildbad. Er führt die Schwimmer auch heute noch zu Spitzenleistungen. Die Bewegung im Wasser ist ihr übrigens bis heute eine große Freude. Wenn es ihre Zeit zulässt, packt sie am Morgen den Badeanzug ein und geht ins Calmbacher Waldfreibad zum Aquajogging.
„Zweite Familie in Frankreich“
Alt-Bürgermeister Ulrich Maier war es, der Annemarie Kienzler in die Städtepartnerschaft zwischen Bad Wildbad und Cogolin einband. Sie, die gelernte Hotelfachfrau, wurde gebraucht, als es darum ging, das Stadtfest in Südfrankreich mit traditionellen Schwarzwälder Spezialitäten zu bestücken. Und so packte sie einen Kühltransporter, der sich auf den Weg an die Côte d’Azur machte. Aus diesen Anfängen sind für Annemarie Kienzler und ihren Mann Wolfgang Freundschaften entstanden, die bis heute halten. „Ich habe eine zweite Familie in Frankreich“, freut sie sich.
Apropos Familie: Auch der Familientreff Karussell profitiert von ihrem Engagement. Ebenso wie der Freundeskreis Rossini. Beim großen Festival zu Ehren des Komponisten ist die Musikliebhaberin von Anfang an dabei. Einst betreute sie die Künstler und war verantwortlich für das Premieren-Buffet. Heute zieht sie die Fäden im Freundeskreis.
Ein Projekt, das der engagierten Wildbaderin besonders am Herzen liegt, ist die „Internationale Frauengruppe“ in Pforzheim. Dort lernte sie Frauen aus anderen Kultur- und Glaubenskreisen kennen und schloss Freundschaften. „Eigentlich“, so sagt sie, „bin ich ein politischer Mensch. Ich mache mir viele Gedanken“. In die Kommunalpolitik will Annemarie Kienzler aber trotzdem nicht gehen. Oft sei sie gefragt worden, ob sie für den Gemeinderat kandidieren wolle, und ebenso oft habe sie kategorisch abgelehnt. „Ich mache genug für meine Heimatstadt, da muss ich nicht auch noch in die Politik“.
Das bedeutet aber nicht, dass sie nicht über die Zukunft Bad Wildbads nachdenkt. „Die Stadt ist im Umbruch. Ich beobachte das mit Freude, aber auch mit Sorge“, sagt sie. Die Verantwortlichen müssen es schaffen, aus Tagesgästen Übernachtungsgäste zu machen. Dazu nimmt Annemarie Kienzler auch die Einwohner in die Pflicht und appelliert an deren Gastfreundschaft: „Von unseren Urlaubern leben wir, das haben einige Wildbader vergessen.“
