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Königsbach-Stein -  05.05.2020
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Eigenmächtige Entscheidungen und kaum Transparenz: Darum klagen Gemeinderäte in Königsbach-Stein über zu wenig Infos vom Bürgermeister

Königsbach-Stein. In der Corona-Zeit müssen Bürgermeister bei dringenden Angelegenheiten auf Umlaufverfahren und Eilentscheidungen zurückgreifen. In Königsbach-Stein hagelt es jetzt Kritik seitens der Grünen-Fraktion an Bürgermeister Heiko Genthner. Man werde teilweise erst informiert, wenn eine Entscheidung schon getroffen wurde, so der Fraktionsvorsitzende Rolf Engelmann auf PZ-Nachfrage. Zur Wahrheit gehört natürlich auch: Engelmann tritt im Juli gegen Genthner bei der Bürgermeisterwahl an. Aber auch aus anderen Fraktionen werden kritische Töne laut.

Erster Vorwurf: eigenmächtige Entscheidungen. „Wir hatten oft den Eindruck, nicht aktiv in das Geschehen eingebunden worden zu sein“, sagt Engelmann. Als Beispiel nennt der Fraktionsvorsitzende der Grünen das Aussetzen der Kita-Gebühren. „Eine Besprechung mit den Gemeinderäten fand erst Wochen nach der Entscheidung statt. Kommuniziert wurde nur, dass der Bürgermeister hier eine Eilentscheidung getroffen hat, aber ohne das Votum des Gemeinderats einzuholen“, so Engelmann.

Zweiter Vorwurf: kein Bekenntnis zum Gemeinderat. Außerdem wirft die Fraktion dem Rathauschef vor, eine von „Teilen des Gemeinderates“ geforderte schriftliche Erklärung, nach der Genthner nur nach voriger Abstimmung im Gemeinderat von seinem Recht auf Eilentscheidungen Gebrauch machen solle, nicht unterschrieben zu haben.

Dritter Vorwurf: kaum Transparenz. Ins Leere gelaufen sei eine Anfrage der Fraktion an Genthner, wie die Videokonferenzen protokolliert werden. „Für uns ist nicht klar, was dokumentiert wird und was nicht. Auf unsere Anfrage an Herrn Genthner gab es bis dato zu diesem Punkt keine Rückmeldung“, so Engelmann.

Das antwortet der Bürgermeister: „Der Vorwurf, der Gemeinderat sei nicht in die Entscheidungen, beispielsweise zu den Kita-Gebühren, eingebunden gewesen, ist schlichtweg falsch und entspricht nicht der Wahrheit“, sagt Genthner. So sei zunächst zum Wohle der Familien der Einzug der Kita-Gebühren ausgesetzt worden.

Der Gemeinderat habe  zwischenzeitlich eine Vorlage mit den finanziellen Auswirkungen erhalten und dem Erlass für den halben März und den April zugestimmt. Um Familien zu entlasten, war eine schnelle unkomplizierte Lösung erforderlich, meint Genth-ner. Dies sei auf einstimmige Zustimmung im Gemeinderat gestoßen.

Dass er von Räten aufgefordert wurde, bei Eilentscheidungen immer das Mehrheitsvotum des Gemeinderats anzuerkennen, bestätigt Genthner: „Das Stimmungsbild des Gemeinderats ist Grundlage für Beschlüsse und Entscheidungen.“ Das habe er den Räten auch schriftlich so mitgeteilt. Beschlüsse, die aber momentan rechtswidrig wären – als Beispiel nennt er den Vorschlag, offizielle Sitzungen per Videokonferenz abzuhalten – dürfe er gar nicht umsetzen. „Eine solche Forderung ist billigste Wahlkampftaktik.“

Weil es sich bei den Videokonferenzen um einen informellen Austausch handele, der rechtlich nicht vorgesehen sei, würden auch keine Protokolle angefertigt, so Genthner: „Dies habe ich auch so mit den Fraktionsvorsitzenden abgestimmt. Selbstverständlich werden wesentliche Ergebnisse und Stimmungsbilder notiert, also aufgeschrieben.“

Das sagen die anderen Fraktionen: Man befinde sich in einer „Sondersituation“, in der andere Arten von Ratsbeschlüssen nötig seien, sagt der Fraktionsvorsitzende Thomas Kaucher für die Freien Wähler. „Diese gibt dem Bürgermeister viele Entscheidungsfreiheiten für deren Ausgestaltung – auf Dauer zu viele“, so Kaucher weiter: „Deshalb fordern wir den Bürgermeister auf, die nächsten Ratssitzungen wieder mit Beteiligung der Bürger, der Presse und der Erstellung eines Protokolls stattfinden zu lassen.“

Als „aufreibend und zäh“ beschreibt Sascha Leonhard stellvertretend für die FPD die Zusammenarbeit mit Bürgermeister Genthner. Man sei von der Verwaltung zwar stets über den aktuellen Stand informiert worden – aber: „Da Herr Genthner zum Thema Eilentscheidungen eine andere Auffassung teilte als der Rat, gab es diesbezüglich wiederkehrende Diskussionen.“

Die Beteiligung des Gemeinderats sei „aktuell schwierig“, sagt SPD-Rat Wolfgang Ruthardt. Vor allem um den anstehenden Haushalt mache er sich Sorgen: „Hier erwarten wir, dass schnellstmöglich Transparenz geschaffen wird und der Gemeinderat umfassend beteiligt wird.“

Die CDU-Fraktion stellt sich hinter Genthner, der für dieselbe Partei als Kreisrat im Kreistag des Enzkreises sitzt, und spricht von einem guten Informationsfluss vonseiten des Bürgermeisters. „Die bisherigen Eilentscheidungen können nachvollzogen werden und erscheinen bislang in der Sache als überaus pragmatisch“, so stellvertretend Gemeinderat Sascha-Felipe Hottinger.

Autor: heg