Ein Abschied in leisen Tönen: Frank Schneiders letzter Gang ins Mühlacker Rathaus
Mühlacker. Es ist ungewöhnlich ruhig im Rathaus am Dienstagvormittag, an Frank Schneiders vorletztem Arbeitstag. Keine Termine mehr, kaum Gespräche auf den Fluren. „Das liegt nicht an meinem Amtsende“, sagt der scheidende Mühlacker Oberbürgermeister, „sondern an der Zeit zwischen den Jahren“. Viele Mitarbeiter seien im Urlaub, der Gemeinderat auch. Und doch passt die Stille erstaunlich gut zu einem Abschied nach 16 Jahren an der Spitze der Stadt.
Der Schreibtisch und die Schränke sind leer. Keine Akten, keine Papierstapel. „Mein Nachfolger will auch nicht mehr mit Papier arbeiten. Ist auch etwas von vorgestern“, sagt Schneider schmunzelnd. Was Stephan Retter wissen müsse, liege nun im Archiv oder bei den Ämtern. Am Mittag wird auch der Computer ausgeschaltet, die Festplatte gelöscht. Dann ist er offline – nur noch privat erreichbar.
„Um zwölf Uhr wird heruntergefahren. Dann ist es aus“, sagt Schneider.
Er habe ein komisches Gefühl an seinem vorletzten Arbeitstag. Ein letztes Mal als OB ins Rathaus laufen – das gehe nicht spurlos an einem vorbei. „Es wäre eher seltsam, wenn das anders wäre.“ Am Mittwoch müsse er noch einmal nach Mühlhausen, Neujahrsringle verteilen, zusammensitzen, „schwätzen“. „Das ist ja keine Arbeit“, sagt der 64-Jährige, „das ist was Nettes“.
Respekt, vor dem, was kommt
Schneider geht freiwillig. Keine Wahl verloren, kein abruptes Ende. Vor fast genau einem Jahr, am Neujahrsempfang, kündigte er an, nicht mehr zur Wahl anzutreten. Zeit, sich auf seinen Abschied vorzubereiten. „Das ist jetzt kein Schock“, sagt Schneider. Dennoch bleibt ein Rest Respekt. Seit dem Kindergarten sei sein Alltag durchstrukturiert gewesen, Schule, Studium, Beruf „und am 1. Januar ist Schluss“. Wie sich das anfühlen werde, müsse er noch herausfinden.
Was während der Arbeitszeit verloren gegangen ist, waren Hobbys. „Die sind alle weg“, sagt Schneider. Geblieben ist die Vorfreude, auf das, was kommt – vor allem mit der Familie. Seine Frau Patricia gehe ab April in Altersteilzeit. Bis dahin will er kochen, seine Leidenschaft.
„Dann kann ich einkaufen, kochen und meine Frau noch drei Monate verwöhnen“, sagt der 64-Jährige.
Danach, hofft er, stehen sie häufiger zusammen in der Küche. Seine Frau habe ihm schon signalisiert, dass er das künftig ruhig öfter übernehmen könne.
Ganz auf Null gestellt, wird sein Alltag aber noch nicht sein. Er will sich wieder stärker in zwei Vereinen engagieren, außerdem bleibt er Kreisrat, sitzt weiter im Regionalverband und im Aufsichtsrat der Krankenhäuser. Auch als Rechtsanwalt will er punktuell tätig sein – nicht mehr voll, aber bei Bedarf.
Menschen werden ihm fehlen
Verändert habe ihn das Amt, sagt Schneider, ohne es genau festmachen zu können. Gute Erfahrungen, schlechte Erfahrungen – all das präge. Es sei ein schleichender Prozess. „Man merkt nicht: zack, jetzt bin ich anders.“ Ob und wie sehr er sich verändert habe, könne er selbst schwer beurteilen. Vielleicht müsse man dafür andere fragen. Was ihm fehlen wird, weiß er dagegen sehr genau: Es sind nicht Sitzungen oder Entscheidungen. Es sind die Menschen. „Man kommt ins Rathaus und ist automatisch unter Leuten“, sagt er. 16 Jahre lang sei das so gewesen. Rund 100 Menschen arbeiteten im Haus, dazu Gespräche, Telefonate, Videokonferenzen. „Da hat man immer mit jemandem zu tun. Und jetzt sitze ich zu Hause.“
Angst vor Einsamkeit habe er nicht, betont er. Aber Respekt davor, dass der automatische Kontakt endet: Die Begegnungen, die Gespräche, auch die Schicksale – all das werde ihm fehlen. Doch einen idealen Zeitpunkt zum Aufhören gebe es nicht, sagt Schneider. Eine Stadt sei nie fertig. Und auch sein Nachfolger werde die Herausforderungen nicht allein bewältigen können. Es brauche Teamarbeit – Verwaltung, Gemeinderat, Kollegen.
