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Niefern-Öschelbronn -  27.06.2021
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Eine Busfahrt in die Zukunft: Wolf Reisen aus Niefern-Öschelbronn testet Elektro-Fahrzeug

Ganz gleichmäßig zieht der Bus an – kein Ruckeln, kein Hochschalten. Wie im Zug. Und auch die Geräuschkulisse beim Beschleunigen ähnelt drinnen eher der einer S-Bahn: ein sanft anschwellendes Summen, kein tiefes Dieselbrummen. Das ist der erste Eindruck bei der Testfahrt im Elektro-Bus, den die Firma Wolf Reisen in den vergangenen beiden Wochen in einem Modellversuch auf der Linie von Pforzheim nach Niefern-Öschelbronn eingesetzt hat.

„Wir wollten damit einfach mal in die Zukunft schauen“, sagt Busunternehmer Marco Wolf. 2018 sei der Iveco-E-Way als Pilotmodell bei der Internationalen Automobil-Ausstellung in Hannover vorgestellt worden. Seitdem werde er bei Unternehmen in ganz Deutschland zum Testen herumgereicht. Für Wolf war es wichtig, „zu sehen, was brauchen wir auf dem Betriebshof an zusätzlicher Infrastruktur? Und wie ist die Praxistauglichkeit?“

„Bergauf stößt er aber ein bisschen an seine Grenzen und bei Tempo 70 ist Schluss.“

Fahrer Joshua Zennig

Der Elektromotor bringe eine Leistung von 350 Kilowatt, sagt Busfahrer Joshua Zennig. Er ist begeistert vom gleichmäßigen Durchzug unten raus ohne Schaltvorgänge. „Bergauf stößt er aber ein bisschen an seine Grenzen und bei Tempo 70 ist Schluss“, sagt der 26-Jährige, der für Wolf Reisen den Großteil der rund 1500 Testkilometer am Steuer saß. „So wäre er eher für den reinen Stadt- als für den Regionalverkehr geeignet“, sagt Zennig. Das Nachfolgemodell lasse sich aber mit weiteren Batterien bestücken, dann bringe der E-Bus Tempo 85 und die Reichweite vergrößere sich. „Den würde ich sofort auf Dauer nehmen!“, sagt Zennig angesichts des Fahrspaßes – ist sich jedoch im Klaren darüber, dass der E-Bus wirtschaftlich noch keine wirkliche Alternative ist: „Aber da wird es jetzt sicher noch eine deutliche Entwicklung geben.“

„Die Basisversion kostet mindestens 500000 Euro“, sagt Wolf. Mit einer eigentlich unverzichtbaren Klimaanlage, größerer Leistung und mehr Sitzplätzen sei man aber schnell bei 600000 Euro und mehr: „Da kriegt man zwei moderne Diesel-Busse dafür.“

Er sieht den E-Bus in der getesteten Version „eher als reines Stadtvehikel“. Zwar habe er den kompletten Tagesumlauf auf der weitgehend flachen Linie Pforzheim – Öschelbronn mit seiner Reichweite von rund 350 Kilometern gut geschafft. In der sonnigen, ersten Testwoche habe man ihn aber aus dem Einsatz nehmen müssen, weil es im Innenraum ohne Klimaanlage unerträglich heiß geworden sei. „Das kann man den Fahrgästen nicht zumuten“, sagt Wolf.

Ladezeit und Reichweite noch verbesserungsfähig

Mit Klimaanlage, die ordentlich Strom zieht, wäre die Reichweite wohl auf rund 200 Kilometer geschrumpft: „Das wäre eng geworden“, so Wolf. Auch auf der bergigen, stromfressenden Linie nach Herrenalb habe man sich nicht getraut, den E-Bus einzusetzen: „Das wäre der nächste Schritt.“ Noch seien auch die Ladezeiten zu lang. Dennoch könnte er sich vorstellen, mittelfristig ein bis zwei E-Busse in seine Flotte zu integrieren.

Fahrgäste zeigen sich angetan

Die Fahrgäste zeigen sich angetan, auch wenn nicht jedem klar ist, in was für einem Gefährt er eigentlich sitzt. „Ich fahre jetzt schon zum zweiten mal damit, dass das ein E-Bus ist, wusste ich nicht“, bekennt Giuseppina Tarantino aus Pforzheim. Aber sie finde ihn toll – optisch und auch für die Umwelt. „Ich fahre jeden Tag Bus – und der ist deutlich leiser als andere“, sagt der Öschelbronner Patrick Tietze. Ihm sei deshalb – und wegen der gleichmäßigen Beschleunigung – gleich klar gewesen, dass es ein E-Bus sei.

VPE und Landratsamt beobachten Test 

Mit auf Testfahrt ist auch Marcel Gutekunst vom Amt für nachhaltige Mobilität des Enzkreises. Er sagt: Wenn es an die Umsetzung der strengeren Umweltvorgaben im Rahmen der Clean Vehicle Directive der EU gehe, müsse man sich über E-Busse „mit den Verkehrsunternehmen intensiv auseinandersetzen.“

Bei Axel Hofsäß, Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Pforzheim-Enzkreis (VPE) hat der E-Bus einen „hervorragenden Gesamteindruck“ hinterlassen, auch wenn beim Prototyp noch einiges zur Alltagstauglichkeit fehle: „Aber das wird sich entwickeln, auch von den Kosten her.“ Was Topografie und Reichweite angehe, sehe er aktuell etwa 30 Prozent der Linien im VPE-Gebiet als E-Bus-tauglich an.

Dann ist die Testfahrt zu Ende. Leise zischen die Türen zu, noch leiser gleitet der Bus davon – um vom Steig 4 des futuristischen Pforzheimer Busbahnhofs ein Stück weiter in eine umweltfreundlichere Zukunft zu fahren.

Autor: ben