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Enzkreis -  08.10.2019
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Enzkreis informiert über das Messie-Syndrom - Wenn das Zuhause zur Müllhalde wird

Pforzheim/Enzkreis. Menschen mit dem Messie-Syndrom können nichts wegwerfen. Während die Wohnung vermüllt, sehen Betroffene oft gar kein Problem darin.

Die Kartons stapelten sich schon im Hausgang bis an die Decke, als Isolde Renner-Rosentreter von der Beratungsstelle „Hilfe im Alter“ die Wohnung einer alleinstehenden Frau um die 50 besuchte. Kein anderes Bild ergab der Blick in die übrigen Zimmer – ein Durchkommen war für die Caritas-Mitarbeiterin fast unmöglich. „Die Frau hat darin überhaupt kein Problem gesehen“, berichtet Renner-Rosentreter: „Sie wollte nicht auf das Thema angesprochen werden. Für sie war das ein Tabu.“ Symptome, die typisch für das Messie-Syndrom sind, wie Therapeutin Veronika Schröter vom Stuttgarter Messie-Zentrum in ihrem Vortrag deutlich macht. Und der war gut besucht: 90 Zuhörer aus allen Bereichen der Sozialarbeit fanden den Weg ins Landratsamt, um sich über den richtigen Umgang mit Betroffenen zu informieren.

Mit dem Thema Verwahrlosung hat das chaotische Ansammeln von Zeitschriften, Jugendkleidung und sogar Joghurtbechern nur am Rande etwas zu tun. Wie im beschriebenen Fall sind Messies oft reinlich und vernachlässigen nicht zwangsweise das Putzen der Wohnung. Ihr Problem ist ein anderes. „Diese Menschen können nicht zwischen Wichtigem und Unwichtigem unterscheiden“, erklärt Schröter, die das Messie-Zentrum in Stuttgart gegründet hat. Überhaupt ist sie eine Pionierin auf dem Gebiet. Denn ihrem Aufklärungsdrang ist es zu verdanken, dass das Messie-Syndrom unter dem Begriff „Pathologisches Horten“ als offizielle Krankheit anerkannt wurde, wie sie erzählt. Beruflich kam sie über die Tätigkeit in der Sozialarbeit mit dem Thema in Kontakt. „Ich war eine, die mit den blauen Müllsäcken die Zimmer durchforstet hat“, sagt Schröter. Als sie in den Räumen einer betroffenen Klinik-Patientin für die Chefarzt-Visite klar Schiff machen sollte, kamen ihr erste Zweifel an der gängigen Praxis. „Es ging nur darum, die Symptome zu verhindern – um das Räumen der Zimmer.“

Stattdessen fing sie an, mit den Klienten, wie sie ihre Patienten nennt, ins Gespräch zu kommen. „Mich hat die Geschichte dahinter interessiert“, sagt Schröter. Nach eigenen Vorarbeiten konnte sie die Universität Freiburg zu einer Studie bewegen. Danach leiden 24 Prozent der Betroffenen an sonst keiner anderen psychischen Erkrankung. Eine Erkenntnis, die der Anerkennung als eigenständige Krankheit den Weg geebnet hat. Die übrigen 76 Prozent kämpfen hauptsächlich mit Depressionen – und nicht etwa mit Zwangsstörungen, wie sich auf den ersten Blick vermuten lässt.

Mehr über die Veranstaltung lesen Sie am Mittwoch, 9. Oktober, in der „Pforzheimer Zeitung“ oder im E-Paper auf PZ-news.

Autor: heg