Falscher Polizist gesteht Betrugsserie: Pforzheimer war wohl nur kleines Licht in Maschinerie
Pforzheim/Enzkreis/Kreis Calw. Verbrecherische Überzeugungskraft, falsche Polizeibeamte, die Scham der Betrogenen – und Beute im Wert von vermutlich 200.000 Euro:
 
Darum geht es seit Montag in einem Prozess, der vor einer Großen Strafkammer unter Vorsitz von Andreas Heidrich in Pforzheim verhandelt wird. Angeklagt ist ein 25-jähriger gebürtiger Pforzheimer mit russlanddeutschen Wurzeln. In acht Fällen – auch in Ötisheim, Schömberg und Straubenhardt – soll er zwischen Januar und April als Abholer agiert haben. Von den Geschädigten holte er Geld und Wertgegenstände ab, die vorher am Telefon dazu überredet wurden, genau dies an einen vermeintlichen Polizisten herauszugeben. Außerdem wurde bei der Festnahme in seiner Wohnung eine scharfe Waffe gefunden. Staatsanwalt Lars Jaklin klagte ihn deshalb wegen erfolgtem und versuchtem gewerbsmäßigen Bandenbetrug sowie illegalem Waffenbesitz an. Etwaige Komplizen und Hintermänner sind derweil unbekannt.
Das schon einmal vorweg: Der Angeklagte räumt sechs der acht Fälle ein. Ursprünglich habe er nur an einer Tat teilnehmen wollen, um Geld für Selbstständigkeit, Drogenkonsum sowie -entzug zu haben. Weil der „Lohn“ aber gering ausfiel und er Druck von seinen kriminellen „Vorgesetzten“ bekam, habe er immer weiter gemacht. Die laut eigener Aussage umfassende, Drogenkarriere dürfte zentral gewesen sein. Demnach konsumierte er in der Hochzeit seiner kriminellen Karriere im März und April Schmerzmittel wie Oxicodon, rauchte Cannabis und Heroin, schnupfte Koks. Monatliche Kosten: 2000 Euro. Seinen Konsum wurzele darin, in der Schule und später auf der Arbeit trotz Schmerzen, Krankheit oder Erschöpfung leistungsfähig zu bleiben, niemanden zu enttäuschen, Geld zu verdienen. Am Ende übertünchte er so wohl auch Hemmungen bei den Betrügereien. Inzwischen sei er auf Entzug.
Taten haben nicht nur materielle, sondern auch psychische Folgen
Bei den Zeugenaussagen wurde am Montag die Perfidität dieser Betrugsmasche deutlich: Am Anfang steht ein Anruf eines vermeintlichen Polizisten: In der Nachbarschaft habe es einen Raub gegeben, eine Person sei schwer verletzt oder gar getötet worden. Man selbst sei nun möglicherweise das nächste Ziel, weswegen man Geld und Wertsachen doch bitte der Polizei und Staatsanwaltschaft zur Aufbewahrung übergeben möge – selbstredend nur bis zum Ende der Gefahr. Zweifel werden durch verbindliches und höfliches Auftreten, geschicktes Weiterleiten des Telefonats sowie umfassende Gesprächskontrolle zerstreut oder unterdrückt. Am Ende werden Tausende Euro übergeben, der Betrug zu spät realisiert.
Und hier schämen sich Menschen mit klarem Kopf, Menschen die von der Masche gehört haben, Menschen die misstrauisch waren, sich aber dennoch überzeugen ließen. Eine Zeugin sagte „Ich wusste die ganze Zeit, dass da was nicht stimmt. Aber ich war voll im Tunnel.“ Sie hätte auch noch ihr letztes Hemd ausgezogen. Erst als Geld und Schmuck weg waren, übernahm der skeptische Teil: Sie rief die wirkliche Polizei.
Eine andere Frau sagte: „Die Spirale dreht sich immer weiter.“ Sie sei sehr misstrauisch geworden, auch Selbstzweifel an der eigenen Menschenkenntnis – hier bezüglich des Abholers – werden deutlich. In ihrem Fall beschuldigten die Täter am Telefon sogar die ausländische Putzfrau, Späherin für vermeintliche Kriminelle aus Osteuropa zu sein: „Passen Sie auf, wen Sie in Ihr Haus lassen.“ Da hatte der Angeklagte bereits 20.000 Euro abgeholt.
