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Pforzheim -  30.09.2025
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"Finger weg von unserem Turm": In Hohenwart regt sich Unmut über Abbau der "Hohen Warte"

Pforzheim. Die „Hohe Warte“ wurde ein Symbol der Trauer - aber ist auch eines der Heimat. Nun soll sie abgebaut werden. Die Stadt sagt vorläufig, in Hohenwart fürchtet man: endgültig.

Greller Widerstand am Bauzaun um die „Hohe Warte“.
Greller Widerstand am Bauzaun um die „Hohe Warte“. Foto: Röhr

Hermann Feil war ein paar Tage nicht mehr an der „Hohen Warte“. Feil, der eigentlich anders heißt, wollte nur das verdrehte Wegweiserschild des Kapellenwegs wieder in die richtige Richtung drehen. Das ist ihm bei seinem letzten Spaziergang aufgefallen. Doch vor dem Turm fällt ihm auf: Der Weg ist versperrt. Bauzäune umstellen das schlanke Holzgebäude.

„Jetzt ist auch egal“, sagt er. Seit der Eröffnung 2002 hat er das Turmfest mitorganisiert – rauschende Abende, viel Improvisation. Er lächelt, denkt an seinen Enkel: Vier Jahre alt war er damals, kletterte zunächst nur bis zur Hälfte, sammelte am nächsten Tag allen Mut und stieg bis zur 40 Meter hohen Spitze hinauf. Feils Blick bleibt an den Bauzäunen hängen. Zwei Bettlaken flattern dort, mit Kabelbindern befestigt. Und während Spaziergänger gegenüber der PZ ihren Unmut über den geplanten Rückbau nur leise, fast vorsichtig äußern, schreit die Schrift auf den Laken in Neonfarben: „Wir wollen unseren Turm zurück.“

Wer sie aufgehängt hat, weiß keiner. Feil nickt zustimmend. Dass die „Hohe Warte“ nun plötzlich abgerissen werden soll – weil einsturzgefährdet, so die Stadt – nennt Feil einen Skandal. „Wie können so gravierende Fehler erst so spät auffallen?“, fragt er in die Luft. Das Lärchenholz sei durch Witterung beschädigt, heißt es im Gutachten, das die Stadt in Auftrag gab, um zu prüfen, wie der Turm gegen weitere Stürze gesichert werden könnte. Die letzte Kontrolle davor fand 2015 statt. Alle zehn Jahre, so war der Plan. Nach dem Rückbau und sobald die Prüfberichte vorliegen, soll in den Gremien über die Zukunft des Turms diskutiert werden. Bürgermeister Tobias Volle nannte drei Szenarien: Erhalt, Abbau oder Abbau mit neuer Nutzung des Standorts.

Eine Petition auf „change.org“ fordert Sanierung und Erhalt und sammelte in fünf Tagen 19 Unterschriften. Auf dem Waldweg erzählt eine Frau, während ihr Hund nach einem der blau schildernden Käfern auf dem Boden schnappt: Der Turm sei ein wichtiger Ort für Hohenwart. Und niemand bringe die Entscheidung der Stadt nicht in Verbindung mit der Tragödie – den drei Mädchen, die hier ihr Leben ließen. Neun Gesprächspartner trifft der PZ-Reporter im Wald. Neunmal dasselbe Muster: Erst spricht man über die Tragödie, und äußert Mitgefühl. Dann das Unverständnis über den plötzlichen Abriss. Viele haben anscheinend sorge, als herzlos wahrgenommen zu werden, weil sie noch an der „Hohen Warte“ hängen. Vielleicht wäre der Widerstand gegen den Rückbau und das Unverständnis über die gravierenden Mängel lauter, wenn die Tragödien um die jungen Mädchen nicht auf dem Ort lasten würden.

Ein Ehepaar mit einem Ferienhaus in der Gegend sagt: Wenn der Turm wirklich weg muss, dann soll unbedingt ein neuer, sicherer gebaut werden.

„Für jeden ist es ein vorläufiger Rückbau“, betont FDP-Ortschaftsrat Tobias Gindele. Die Betroffenheit, dass der Turm nun abgebaut werde, sei extrem hoch und es gebe die Erwartung, dass an dem Ort etwas Ähnliches entstehen soll. Für seinen CDU-Kollegen Markus Hieke ist es unverständlich, warum der Turm nach erst 23 Jahren abgebaut werden muss: „Das hätte man vermeiden können.“ Die Nachricht über den Rückbau sei ein Stück weit ein Schock gewesen, sagt der CDU-Ortschaftsrat Gordon Ganske: „Wir wissen nicht, ob er jemals wiederkommt.“

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