Gemeinden der Region
Enzkreis -  22.03.2024
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Flüchtlingen Schaufel und Besen in die Hand drücken? In der Region ist das teils schon längst Alltag

Enzkreis. In Traunstein in Bayern oder im Saale-Orla-Kreis in Thüringen machen sie es vor: Dort werden Geflüchtete zum Arbeitsdienst verpflichtet. Für 80 Cent die Stunde putzen sie halbtags ihre Unterkunft oder schneiden Hecken für die Gemeinden. Das Asylbewerberleistungsgesetz sieht diese Möglichkeit vor. Auch im Kreis Calw arbeiten Asylbewerber in ihren Herbergen mit – und das bereits seit 2014. Ist das im Enzkreis auch so? Und was halten Kommunen und ehrenamtliche Asylhelfer von einer Arbeitspflicht?

Unterschiede in den Kreisen

In allen Gemeinschaftsunterkünften des Kreises Calw ist seit zehn Jahren klar: Die Bewohner helfen bei der Reinigung oder Instandhaltung mit. „Die meisten machen das freiwillig“, betont Sprecherin Valerie Nußbaum. Wer dazu verpflichtet wird, solle mehr Struktur in den Alltag bekommen. Das sehr niederschwellige Angebot könne zudem das Ankommen sowie die erste Kontaktaufnahme mit dem Arbeitsmarkt unterstützen.

„Die Begleitung solcher Arbeitseinsätze ist jedoch sehr ressourcenintensiv und sie sind kein Instrument zur Bewältigung des Arbeits- und Fachkräftemangels“, so Nußbaum. Der Kreis Calw möchte daher nun einerseits die Zusammenarbeit mit drei größeren gemeinnützigen Trägern ausbauen, die die Geflüchteten bei ihren Arbeitseinsätzen zusätzlich betreuen. So könnten Asylbewerber auch irgendwann in Kommunen mithelfen.

In den Rathäusern fürchtet man derzeit noch den Verwaltungsaufwand, sagt Holger Nickel, beim Enzkreis als Dezernent für das Thema zuständig. Auch der Enzkreis würde gemeinnützige Arbeitsdienste gerne nutzen. Zuletzt habe das Landratsamt dafür eine Gemeinde für einen Modellversuch gewinnen wollen, die dann aber letztlich leider abgewunken habe, so Nickel. Er hofft aber noch einen kommunalen Partner für das Projekt zu finden.

In Calw macht Landrat Riegger deutlich, dass die Dienste nur ein erster Schritt sein dürfen: „Wichtiger ist es, geflüchtete Menschen dabei zu unterstützen, schnellstmöglich in reguläre Beschäftigung zu kommen und niederschwellige Zugänge zu schaffen.“ Der Kreis hat sich daher mit der Arbeitsagentur, dem Jobcenter, der Industrie- und Handwerkskammer und der Kreishandwerkerschaft zusammengetan und die Initiative Job-Turbo gestartet. Zuletzt gab es eine Jobbörse für Flüchtlinge. Wie erfolgreich die war, wird laut Nußbaum momentan ausgewertet.

Klar ist: Wer in den Unterkünften mit anpackt, bekommt 80 Cent die Stunde. Wer dazu verpflichtet wird und sich weigert, bekomme die Sozialleistungen auf „ein absolutes Minimum gekürzt“, heißt es aus dem Landratsamt.

Asylhelfer befürwortet die Idee

Wie eine Arbeitspflicht aussehen könnte, ist in Schömberg zu sehen, wenn auch auf freiwilliger Basis. Dort gibt es vom Arbeitskreis Asyl den sogenannten Ehrenamtstag. Immer freitags verrichten die Flüchtlinge unter der Leitung von Tino Bayer, seinem Team und dem Integrationsbeauftragten der Gemeinde gemeinnützige Arbeit. Beispielsweise durch „Plogging“ – Joggen gehen und dabei Müll aufsammeln. Eine andere Gruppe zieht derweil los, um Säuberungs- und Malerarbeiten im Haus Grüntal zu verrichten. „Die allermeisten ziehen gut mit“, sagt Bayer. Er findet solche Aktionen wichtig. „Arbeit bringt einem Menschen Würde zurück“, sagt er: „Außerdem bekommt man eine Tagesstruktur. Es ist etwas Sinnvolles.“ Deshalb befürwortet der Flüchtlingshelfer eine Arbeitspflicht für Flüchtlinge. Ebenso wie einige seiner Schützlinge. Beim PZ-Besuch in der Sammelunterkunft in Calw-Wimberg vor einigen Tagen sagen die neun afghanischen Flüchtlinge auf eine Arbeitspflicht angesprochen: „Das ist eine gute Idee. Wenn jemand nichts zu tun hat, warum sollte er nicht arbeiten gehen müssen?“

Gemeinden sind skeptisch

Grundsätzlich stimmt dem auch Bürgermeister-Sprecher Michael Schmidt aus Neulingen zu. Der praktischen Umsetzung dieser „an sich richtigen Zielsetzung“ muss er aber eine Absage erteilen. „Ich sehe da nur Hürden“, sagt er: „Gerade auf Gemeindeebene ist das fast unmöglich umzusetzen.“ In Neulingen spreche man da nicht von zwei, drei Menschen, sondern eher von 20 Flüchtlingen, die dann im Bauhof beschäftigt werden müssten. Als ungelernter Arbeiter direkt mit anpacken, sei nicht so einfach, wie es vielleicht klinge. Es müsste Arbeitskleidung gestellt werden, der Arbeitsschutz müsste eingehalten werden, die Menschen müssten eingelernt werden. Sonst ende das in einer reinen „Beschäftigungstherapie“ – „und ich weiß nicht wie sinnvoll es ist, wenn die Leute den Dreck von links nach rechts kehren.“

Auch im Schömberger Rathaus winkt man auf die Arbeitspflicht angesprochen, eher ab. Das Landratsamt sei für Aufenthaltstitel und Leistungen der Geflüchteten zuständig. „Daher können wir als Kommune überhaupt keine Arbeitspflicht verhängen – das muss deshalb eher vom Landratsamt kommen und auch dort abgewickelt werden“, so Sprecherin Stefanie Stocker. Die Gemeinde habe zudem keine dauerhaften, sondern nur vereinzelte Arbeiten für Geflüchtete und müsste dafür Personal zur Betreuung einsetzen. „Das können wir als Gemeinde nicht umsetzen“, so Stocker weiter.

Für Schmidt sollte die Priorität darauf liegen, die Menschen in den Arbeitsmarkt zu bekommen, statt solche staatlichen Parallelstrukturen über eine Art Ein-Euro-Job zu schaffen. Die Forderung der Menschen, dass die Geflüchteten ihren Beitrag leisten, könne er nachvollziehen. Er selbst habe den jahrelangen Zuzug von immer mehr Flüchtlingen stets kritisch begleitet. „Aber bei diesem Vorschlag müssen wir aufpassen, dass wir nicht in den billigsten Populismus verfallen“, sagt Schmidt.

Autor: heg, kri, hei

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