Friedrich Schorlemmer: „Wir müssen uns das Staunen erhalten“
Welche Erwartungen darf man an einen Autor richten, der sich mit seinem Buch „Die Erde ist zu retten – Haltungen, die wir jetzt brauchen“ Sorgen um den Fortbestand der Welt macht?
Der als evangelischer Theologe eine ökumenische Antwort auf die Enzyklika „Laudato Si“ – über die Sorge um das gemeinsame Haus“ von Papst Franziskus geben will? Eigentlich eine klare Analyse der Situation, die Beschreibung einer konkreten Ethik, die dem Menschen nicht nur das Überleben, sondern ein Leben in Würde und Gerechtigkeit ermöglicht – und das Aufzeigen der Schwierigkeiten und Grenzen ihrer Umsetzung.
Der DDR-Bürgerrechtler und Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels, Friedrich Schorlemmer, der auf Einladung der vhs Calw in Bad Wildbad zu Gast war, entwarf in einer lockeren Plauderstunde vor einem gut besuchten Forum einen Lebensplan, der unter dem Bekenntnis zur Schönheit der Schöpfung steht, und eine Haltung einfordert, „für die nichts selbstverständlich ist, sondern die sich das Staunen erhält“. Dass er dabei häufig auf nostalgische Abstecher in die eigene Jugend ging, machte die Sache zwar unterhaltsam, kam aber einer scharfen Analyse nicht unbedingt zugute. Besonders der Aussage „weniger zu haben, macht nicht unglücklich“, darf in dieser Pauschalität angesichts erwarteter 1,2 Millionen Obdachloser, mancher Familie am Existenzminimum und steigender Kinderarmut widersprochen werden.
Dabei hat Schorlemmer, der die Verbindung zwischen Kirchenamt und Politik nie scheute, eigentlich viel zu sagen. Er fordert ein Umdenken in der Umweltpolitik, eine neue „Aneignung der Schätze unserer Traditionen“. Er steht ein gegen das, was er als eine der Hauptsünden der Menschheit erkannt hat: gegen die Gleichgültigkeit. Er klagt eine zunehmende Sprachlosigkeit an, verlangt Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Rechtgläubigkeit, eine Dankbarkeits- und Bescheidenheitskultur, insgesamt, wie er es ausdrückte, „eine Pflege der Innenräume“ des Menschen. Das ist wichtig, aber nicht neu – viele entdecken, dass es so nicht weitergeht, dass nicht das finanzielle, sondern auch innere Guthaben als Werte wahrgenommen werden müssen. Wie aber kommen wir dahin, wie kann sich der Wandel vollziehen? Das sind die Antworten, die Schorlemmer zumindest an diesem Abend schuldig geblieben ist.
Der Theologe erweist sich als glühender Verehrer von Papst Franziskus – sieht dessen Enzyklika als Meilenstein auf dem Weg des kirchlichen Dialogs und dem Zurückfinden zu einer christlichen Einheit. Dass die Kirche sich gegenwärtig in einer „kritischen Situation“ befinde, sparte Schorlemmer nicht aus: „Kirche ist nur dann Kirche, wenn sie für die Menschen da ist.“
