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Pforzheim -  14.11.2025
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Friseure, Imbisse, Kioske und Restaurants: Mit diesen Tricks arbeiten Geschäfte in Pforzheim an der Steuer vorbei

Pforzheim. Das Finanzamt kontrolliert seit zwei Jahren verstärkt die Kassen von Friseuren, Imbissen, Kiosken und Restaurants. Aber wer treibt am meisten Schmu?

Registrierkasse
Eine elektronische Registrierkasse ist in Deutschland gesetzlich nicht verpflichtend. Zehn Prozent der Läden in Pforzheim arbeiten mit offenen Kassen. Foto: Kneffel/dpa

Zuletzt hat die Großkontrolle des Pforzheimer Finanzamts auf dem Oechsle Fest für Schlagzeilen gesorgt. An einem Sonntagabend stand eine Riege Beamter von ihren Biertischen auf und kontrollierte alle Kassen in den Lauben auf richtige Abrechnungen. „Wir wollen Präsenz zeigen“, sagt Finanzamtschef Jens Kuchta, der auch auf die „Außenwirkung“ solcher Großeinsätze setzt. Seine Mitarbeiter haben mittlerweile ein Gespür dafür, bei wem sie eventuell fündig werden.

80 bis 100 Geschäfte kontrollieren sie pro Jahr, seit zwei Jahren verstärkt. Kuchta, seit fünf Jahren Pforzheims oberster Finanzkontrolleur, sei ein Fan der Kassenkontrollen, heißt es unter Gastronomen. Nie zuvor seien Beamte so oft unangekündigt in den Läden gestanden wie in jüngster Zeit. Geprüft wird, ob alles ordentlich im gesetzlich vorgeschriebenen elektronischen Sicherheitssystem der Kassen verbucht sei. Jedes Getränk, jeder Haarschnitt, jede verkaufte Schachtel Zigaretten: Auf Wunsch kann das Finanzamt die gesamte Geschäftstätigkeit auslesen. Meistens läuft das geräuschlos ab, fast alle Inhaber seien kooperativ. Der Großteil arbeitet sauber, das ist Kuchta wichtig zu betonen.

Die „schwarzen Schafe“ finden

Dann gibt es die, die aus Unwissenheit Fehler machen, mit der Technik nicht fertig werden. Und eben die, die absichtlich versuchen, Steuern zu sparen. Indem Käufe nicht in die Kasse eingetippt werden, ein zweites Kassensystem via Handy nebenherläuft oder der Gast seine Rechnung auf das private Konto des Inhabers überweist. Alles schon vorgekommen in Pforzheim. Diese „schwarzen Schafe“, wie Kuchta sie nennt, machen rund fünf Prozent der kontrollierten Betriebe aus. Auffällig: Weniger sind es Gastronomen, sondern Friseure, Barber Shops, Kioske und Nagelstudios. Kleine Betriebe mit wenigen Mitarbeitern, in denen viel bar bezahlt wird.

„Es ist immer leichter, Bargeld verschwinden zu lassen als eine EC-Kartenzahlung“,

sagt Kuchta.

Stellen seine Mitarbeiter eine „kriminelle Energie“ fest, rufen sie die Steuerfahndung auf den Plan. Das wird meist teuer.

Wer kontrolliert wird, entscheidet die Erfahrung der Mitarbeiter. „Mit der Zeit entwickelt man ein Gefühl dafür“, sagt eine Mitarbeiterin, die wie ihre Kollegen lieber nicht mit Name und Foto in der Zeitung erscheinen will. Der Job bringt Anfeindungen mit sich.

Mal fällt beim privaten Restaurantbesuch auf, dass die Bedienung das Geld nicht in die Kasse legt oder der Beleg nicht die notwendigen Standards erfüllt. Wer die Tricks kennt, kann nicht wegsehen, sagen sie. „Das ist eine Berufskrankheit“, sagt Kuchta. Und viel Detektivarbeit: Wie nervös ist der Betreiber bei der Kontrolle, wie verhält er sich? Schwärzt er einen Kollegen an, um seine eigene Haut zu retten?

Nicht immer steckt hinter Unregelmäßigkeiten eine böse Absicht. Manche Betreiber seien schlicht überfordert.

„Es ist viel Unwissenheit dabei, teilweise schlechte Deutschkenntnisse. Manche sind als Unternehmer auch einfach im falschen Job", 

so eine Mitarbeiterin.

Was viele nicht wissen: In Deutschland ist eine elektronische Registrierkasse gesetzlich nicht vorgeschrieben. Auch die sogenannte offene Kasse reicht aus, also beispielsweise einfach eine Schublade, in der das Geld landet. Rund zehn Prozent der kontrollierten Geschäfte in Pforzheim arbeiten so.

Es sind oft kleine Familienbetriebe ohne Mitarbeiter. Denn wer Angestellte hat, möchte als Betreiber meist selbst sicherstellen, dass diese nicht in die Kasse greifen – und das geht nur mit einer elektronischen Kasse. Oder wie es mittlerweile Supermärkte und Bäckereien handhaben: Mit einem Automaten, in den das Geld vom Kunden direkt gesteckt wird.

Illegeale Machenschaften

Anders als bei der sogenannten Ekelliste, die online Restaurants aufführt, die gegen Hygienestandards verstoßen haben, schweigt das Finanzamt über Verstöße von Inhabern. Das gebietet das Steuergeheimnis.

Ab und zu werden durch die Kassenkontrollen andere kriminelle Machenschaften aufgedeckt. Illegale Vapes zum Beispiel, die im Kiosk verkauft werden. Oder ein Haufen Bargeld im Laden ohne Zuordnung.

„Auch Al Capone wurde am Ende wegen Steuerhinterziehung geschnappt“,

sagt Kuchta und lacht.

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