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Knittlingen -  14.10.2022
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Gebäude voll eigener Energie: Kieselbronns Bürgermeister verfolgt in Knittlingen ganz neuen Ansatz

Knittlingen. Von der Straße aus wirkt es wie ein ganz normales Zweifamilienhaus: helle Fassade, monolithische Bauweise, versetztes Pultdach. Doch normal ist dieses Haus gewiss nicht, denn es kann fast die Hälfte des jährlichen Strombedarfs für Heizung, Warmwasser und Haushalt durch die Sonne decken und diesen Wert künftig sogar noch steigern, wenn solare Überschüsse für das Laden von Elektroautos verwendet werden.

Viel Photovoltaik auf dem Dach: Energieexperte Timo Leukefeld, Bürgermeister Heiko Faber und Günthner Hraby von easyTherm (von links) stehen vor dem Zweifamilienhaus, das Faber in Knittlingen hat bauen lassen.
Viel Photovoltaik auf dem Dach: Energieexperte Timo Leukefeld, Bürgermeister Heiko Faber und Günthner Hraby von easyTherm (von links) stehen vor dem Zweifamilienhaus, das Faber in Knittlingen hat bauen lassen. Foto: Roller

Bauherr ist der Kieselbronner Bürgermeister Heiko Faber, der zusammen mit dem renommierten Zukunftsforscher, Energie- und Autarkieexperten Timo Leukefeld ein vollkommen neuartiges Konzept umgesetzt hat. Ein Konzept, das Leukefeld am Donnerstag vor Ort vor zahlreichen Interessierten präsentiert hat, darunter auch Landrat Bastian Rosenau, Vertreter der Kommunalpolitik, des Landratsamts, der Wohnungsbauunternehmen, des Handwerks, des Baugewerbes und der Energieversorger.

Der auch als Professor unterrichtende Energieexperte setzt auf solarbasierte, hochgradig autarke Gebäude und sagt: Wenn die Energie dafür von der Sonne komme, könne man die Heizung voll aufdrehen und beliebig viele Kilometer mit dem Elektroauto fahren, ohne die Umwelt oder das eigene Portemonnaie dadurch zu belasten. Leukefeld spricht von „intelligentem Verschwenden“ und sagt, man müsse die Häuser so konzipieren, dass man „die Menschen so belassen kann, wie sie sind“. Neben der Autarkie hält Leukefeld das Reduzieren von Technik für wichtig. Er spricht sich für eine „radikale Vereinfachung“ aus – auch und gerade vor dem Hintergrund des sich in Zukunft vermutlich noch weiter verschärfenden Handwerkermangels.

Leukefeld sagt, aktuell werde die Liste der vorgeschriebenen Technik immer länger, während diese immer kürzer halte, immer öfter gewartet und instandgesetzt werden müsse. Er ist überzeugt, dass Wartungs- und Reparaturkosten in Zukunft die durch Optimierungen eingesparten Energiekosten übersteigen werden. Kosten, die letztlich auf den Mieter zukommen und neben den Betriebskosten wie eine dritte Miete wirken können. Dabei lassen sich durch den Einsatz von möglichst wenig einfacher und wartungsarmer Technik aus Leukefelds Sicht Folgekosten deutlich reduzieren.

Genau das hat Faber in seinem Haus in Knittlingen getan. Auf Garagen und dem steil nach Süden ausgerichteten Hauptdach sind Photovoltaik-Anlagen mit einer Gesamtleistung von knapp 19 Kilowatt samt einem Speichersystem mit einer Kapazität von 22 Kilowattstunden installiert. Zur Trinkwasserbereitung dienen zwei dezentrale, elektrische Warmwasserboiler. Dezentral und damit ohne Rohre ist auch die Heizung, die über ein Infrarotsystem der in Österreich ansässigen Firma „easyTherm“ läuft. Ein System, das laut Geschäftsführer Günther Hraby raumfüllend heizt, mit einer Gleichverteilung der Temperatur auf allen Ebenen. Bei der Herstellung der Module kommen laut Hraby nur naturnahe Materialien, aber keine Kunststoffe zum Einsatz.

Selbst handeln für Klimaschutz

In seinem Knittlinger Haus hat Faber die Beleuchtung in die Infrarotheizung integriert. Mit dessen Bau habe er als Vertreter der Politik auf der Ebene der Kommunen, des Landkreises und des Regionalverbands durch eigenes Handeln zeigen wollen, dass man den Mut haben und bereit sein müsse, gerade in Sachen Klimaschutz neue Wege zu gehen, so Faber. Getreu dem Motto: „Das eine ist das Reden, das andere ist das Tun und Machen.“ Dabei habe Faber sich nicht von den Fördermöglichkeiten, sondern von der Reduzierung der Wartungskosten leiten lassen.

Leukefeld hat er vor einigen Jahren bei einer Veranstaltung kennengelernt und war „sofort angetan“. Inzwischen steht der Bürgermeister mit dem Professor in einem „freundschaftlichen Verhältnis“. Faber behauptet nicht, dass es sich bei seinem Gebäude um das „Nonplusultra“ handelt. „Aber man muss die Möglichkeiten kennen, um das Richtige für sich zu finden.“

Autor: Nico Roller