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Mühlacker -  19.04.2020
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Granatenhagel auf die Senderstadt, Luftangriff im Heckengäu: Vor 75 Jahren wurden Mühlacker und Serres zu großen Teilen zerstört

Mühlacker/Wiernsheim-Serres. „Heute führen wir einen Kampf, um Menschen zu retten – erstmalig in der Geschichte“, schrieb Wiernsheims Bürgermeister Karlheinz Oehler vor einer Woche in seiner Osterbotschaft an seine Bürger als Resümee der weltweiten Anstrengungen in der aktuellen Corona-Krise. Und dieser Vergleich ist überaus erwähnenswert, denn im April vor 75 Jahren brachten die letzten Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs (1939 bis 1945) auch vor unserer Haustür in Mühlacker und Wiernsheim den Menschen Elend, Zerstörung und Leid.

"Gegen 18 Uhr am Abend des 6. April begann die Beschießung der Stadt Mühlacker durch französische Panzer und Haubitzen, die auf den Höhen bei Dürrn, Corres, Kieselbronn und auf dem Sauberg in Stellung gegangen waren."

Ein Zeitzeuge erinnert sich.

Das ist in den zahlreichen Augenzeugenberichten dokumentiert, die Oskar Steinacker, ehemaliger Referent des Mühlacker Oberbürgermeisters, nach dem Krieg sammelte. Sie wurden 1995 zum 50-jährigen Gedenktag des Kriegsendes von der Leiterin des Mühlacker Stadtarchivs, Marlis Lippik, als Buch unter dem Titel „Bis zum bitteren Ende – Der Zweite Weltkrieg in Mühlacker“, herausgegeben.

Das Buch ist mittlerweile allerdings vergriffen.So ist in dem Band zu lesen, dass am 6. April der 193 Meter hohe Holzturm des Senders von deutschen Pionieren gesprengt wurde. Und: „Gegen 18 Uhr am Abend des 6. April begann die Beschießung der Stadt Mühlacker durch französische Panzer und Haubitzen, die auf den Höhen bei Dürrn, Corres, Kieselbronn und auf dem Sauberg in Stellung gegangen waren“, berichtet ein Zeitzeuge. Die zehn Zentimeter großen Granaten seien hauptsächlich im Bereich der Pforzheimer Straße, der Bahnhof-, Hindenburg- und Uhlandstraße eingeschlagen. Die Lage verschlimmerte sich dann, weil die Dritte Algerische und die Zweite Marokkanische Division nicht nur den Raum zwischen Pforzheim und Mühlacker einnahm, sondern auch östlich der Stadt vor den Höhen der „Platte“ hängen blieb. Und das bekam später unter anderem auch der Wiernsheimer Teilort Serres ab.

Fast 80 Prozent der Häuser verbrannten in Serres

Daran erinnert Cornelia Schuler als Sprecherin des Waldenser Freundeskreises in der evangelischen Kirchengemeinde Pinache und Serres. Denn beim Luftangriff am 11. April 1945 erwischte es Serres mit seinen damals rund 250 Einwohnern ziemlich heftig, weil fast 80 Prozent der Häuser verbrannten.

„Unser geschichtliches Erbe darf nicht verlorengehen“, sagt Cornelia Schuler. Deshalb sammelt sie diverse Dokumente und Augenzeugenberichte, um sie in einer kleinen Broschüre als Heimatgeschichte vor Ort für die Nachwelt zu bewahren. „120 Stück Vieh sind 1945 verbrannt“, erinnert sich Augenzeuge Theophil Schuler in seinem Aufschrieb. Und seine Frau Gertrud beschreibt in ihren handschriftlichen Erinnerungen an den 11. April 1945 die damals einstöckigen Häuser der Waldenser, links und rechts der Serremer Waldenserstraße, an die sich an den dazugehörigen Hof jeweils eine Scheune anschloss. „Es war eine verhängnisvolle Bauweise, weil so das Feuer beim Bombenangriff von einem Gehöft auf das andere übergreifen konnte“, unterstrich Gertrud Schuler.

Häuse mit Gülle gelöscht

Damals versuchten die Einheimischen sogar, ihre Häuser mit Gülle zu löschen, weil es kein Wasser gab. Das schrieb Lore Härtter aus Serres auf. Ursprünglich sollte der 75. Jahrestag der Serremer Zerstörung in einem Gottesdienst in der Waldenserkirche thematisiert werden. Die Corona-Krise verhinderte dies allerdings.

Autor: Ilona Prokoph