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Bad Wildbad -  17.06.2019
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Großes Kino für die Ohren: Marcel Baluta Quartett interpretiert bekannte Filmmusik

Bad Wildbad. Wie bitte? Filmmusik im Kammermusikformat – eine dünne Version opulenter Soundtracks? Und dann so ganz ohne Show? Man traut sich kaum, Erwartungen zu hegen. Doch Understatement tut manchmal gut – das bewies das Marcel Baluta Quartett am Freitagabend im Forum König Karls Bad in Bad Wildbad.

Sozusagen „pur“ interpretierte es bekannte alte und neuere Filmmelodien und holte sein Publikum mühelos in beinahe intime Klangwelten, von denen viele den Platz im Konzertsaal durchaus verdient haben. Der Abend bewies zudem, dass Filmmusik ohne den verwirrend gewebten Tonteppich großer Besetzungen oft an Klarheit und Emotionalität gewinnt und die immer mehr genutzte Nische im Kunstbereich ihre Berechtigung hat. Schließlich hat die Suche nach dem verlorenen Gefühl Konjunktur.

Katalysator für Gefühle

Der besondere Reiz eines solchen Abends liegt darin, dass er keinerlei Absichten hat, das Publikum auf ein künstlerisches Glatteis zu führen, hier dürfen Erinnerungen ungehindert fließen. Und Emotionen – ehemals im Kino für einige Euros oder auch noch Deutsche Mark in Gang gesetzt – können die Dauerhaftigkeit ihrer Beschaffenheit überprüfen. Musik lebt ja nicht nur von Tonfolgen in Dur und Moll – sie ist insbesondere auch Katalysator für Gefühle.

Gerade für Filme komponierte Melodien sollen Stimmungen unterstützen, intensivieren oder anstoßen. Großes Kino für die Ohren: Mancher Film ist ohne seine Musik gar nicht mehr denkbar – als ob man über die Ohren schneller ans Herz gelangt als über die Augen. Marcel Baluta hat geschickt nach diesen engen Verbindungen gesucht, bei denen der Klang der Optik die Show stiehlt oder ihr zumindest gleichwertig gegenübersteht – er enthebt das Publikum damit der Mühe, visuellen Assoziationen hinterherzujagen. Ob und wie das Kopfkino einsetzt, ist völlig nebensächlich. Das Programm hat dabei Breitband-Format: Von der Julischka aus Budapest und Pusztaklänge über den Schostakowitsch-Walzer aus „Eyes wide shut“, über Western, den rosaroten Panther und den Klassiker der Filmliteratur, „Dr. Schiwago“, bis hin zum argentinischen Tango reichte die musikalische Palette des kleinen Konzerts, das oft durch die Violinsoli von Marcel Baluta getragen wurde. Die große Stilvielfalt mit ihren völlig unterschiedlichen Tempi sicherte sich mit ihrem Überraschungs-Format viel Aufmerksamkeit.

Das vierköpfige Ensemble mit Marcel Baluta (Violine), Ewa Baluta (Cello, Gesang und Moderation), Natalie Dovbysch (Klavier) und Mihaela Stoian (Violine) entführte das Publikum anderthalb Stunden lang in eine andere Welt, ließ es eintauchen in die Melancholie von Charlie Chaplins „Limelight“, in die romantisch-berührende Reise zum „Duft von Lavendel“ und in die bitter-süße Liebesgeschichte von „Frühstück bei Tiffany“. Aufhorchen ließ Ewa Baluta mit „The Rose“, Marlene Dietrichs „fesche Lola“ bescherte ein wenig zu viel Feierabend-Fröhlichkeit und zu wenig Erotik.

Zarte und virtuose Streicherpassagen, packende und berührende Melodien und die ganze wunderbare Welt des Kinos hatte das Baluta-Ensemble in sein Konzert gepackt, das nach dem Prinzip der Steigerung mit der Herausforderung des „Tango Argentino“ aus der Literaturverfilmung „Der Duft der Frauen“ mit Al Pacino abschloss. Marcel Baluta meisterte sie mit Bravour und sichtlichem Spaß an der hinreißend pulsierenden Lebenslust und der immer wieder durchbrechenden Melancholie dieser eigenständigen Ausdrucksform.

Es war ein unterhaltender Abend mit musikalischem Niveau und strahlenden Gesichtern, Filmmusik nicht nur für Cineasten.

Autor: Gabriele Meyer