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Pforzheim -  13.09.2025
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Grünes Gold aus Pforzheim: Wie nachhaltig ist die Schmuckproduktion in der Goldstadt wirklich?

Pforzheim. Pforzheim ist weltbekannt für seine edlen Schmuckstücke – doch wie „grün“ ist das glänzende Geschäft tatsächlich? In Zeiten wachsender Klimasensibilität und sozialer Verantwortung setzen immer mehr Unternehmen in der Goldstadt auf Nachhaltigkeit. Statt Minengold kommen recycelte Edelmetalle zum Einsatz, Lieferketten werden verkürzt, Strom stammt aus Photovoltaik – und die nächste Generation lernt von Anfang an, wie verantwortungsvolle Gestaltung funktioniert.

Nachhaltig wertvoll: Aus Altschmuck entsteht durch Edelmetallrecycling die Basis für neue,ressourcenschonend gefertigte Schmuckstücke. Heimerle + Meule
Nachhaltig wertvoll: Aus Altschmuck entsteht durch Edelmetallrecycling die Basis für neue,ressourcenschonend gefertigte Schmuckstücke. Heimerle + Meule Foto: Heimerle und Meule

Das Pforzheimer Modell

Die Goldindustrie in Deutschland arbeitet fast ausschließlich mit wiederverwertetem Material. Damit unterscheidet sie sich deutlich vom Weltmarkt, wo der Recyclinganteil nach Angaben der Fachvereinigung Edelmetalle mit Sitz in Pforzheim bei rund einem Drittel liegt. Dass das so ist, hat auch damit zu tun, dass Deutschland ein rohstoffarmes Land ist. Ein anderer Aspekt ist, dass es zwischen Minengold und recyceltem Gold keine Qualitätsunterschiede gibt.

„Dadurch konnte sich auch das ‚Pforzheimer Modell‘ entwickeln, ein Begriff, der die enge Verzahnung von Schmuck- und Uhrenindustrie mit Edelmetall-Scheideanstalten in einem geschlossenen Edelmetallkreislauf beschreibt“, erklärt der Geschäftsführer der „Fachvereinigung Edelmetalle“ York Tetzlaff.

So entstand eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft, die die deutsche Edelmetallindustrie und Pforzheim als „Goldstadt“ bis heute prägt. Denn Edelmetalle lassen sich ohne Qualitätsverlust beliebig oft einschmelzen und wiederverwenden. „Zudem ist Recycling auch beim Thema Gold ein wichtiger Nachhaltigkeitsaspekt. Studien belegen, dass recyceltes Gold einen um den Faktor 1000 günstigeren -Fußabdruck hat als Material aus Minen“, erläutert Tetzlaff.

Pforzheims Potenzial

Rund 70 Prozent des deutschen Schmuck- und Silberwarenumsatzes stammen aus Pforzheim, rund 80 Prozent der Exportware wird hier gefertigt. Insofern hat Doch der weltweite Markt verändert sich: Verbraucher stellen zunehmend kritische Fragen zu Herkunft, Umwelteinfluss und fairen Arbeitsbedingungen. Sie wollen wissen, ob es sich bei ihrem Schmuck um „grünes Gold“ handelt.

Die gute Nachricht: Gold aus Deutschland wird fast vollständig recycelt, der Einsatz von neuem Minengold ist kaum noch nötig. Viele Betriebe in Pforzheim gehen sogar noch deutlich weiter. Pforzheim das Potenzial, als „grüne Goldstadt“ international Maßstäbe zu setzen. Die Verbindung aus jahrhundertealter Handwerkskunst und modernen Nachhaltigkeitsprinzipien überzeugt nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich. Wer jetzt in konsequente Verantwortung investiert, sichert sich einen klaren Marktvorteil.

Ob recyceltes Edelmetall, Ökostrom oder faire Ausbildung – in Pforzheim zeigt sich: Nachhaltigkeit ist mehr als ein Etikett. Der Weg ist zwar noch lang, aber die Richtung stimmt. Viele Pforzheimer Firmen sind sich dessen schon länger bewusst und handeln bereits entsprechend.

Nachhaltige Schmuckproduktion

Die Traditionsmarke Wellendorff arbeitet seit jeher mit lokal recyceltem Gold und bildet Fachkräfte in der eigenen Akademie aus. Sämtliche Materialien stammen aus zertifizierten Scheideanstalten, gefertigt wird ausschließlich in Pforzheim – kurze Wege, volle Kontrolle.

Auch die egf Manufaktur setzt seit 2022 ausschließlich auf recyceltes Gold und Platin. Die Produktion ist klimaneutral zertifiziert, ein Teil des Stroms stammt aus der firmeneigenen Photovoltaikanlage. 2024 wurden über 54 000 Kilowattstunden Solarstrom genutzt – rund 6,7 Prozent des Jahresbedarfs.

Die Pforzheimer Scheideanstalt C.Hafner ist die erste und bislang einzige ihrer Art, die sowohl ein -neutralen Recyclingprozess als auch -neutrales Gold anbietet. Dieses Gold verursacht keinerlei Emissionen und gilt damit als vollständig klimaneutral – es muss nicht durch zusätzliche Maßnahmen kompensiert werden, sondern ist bereits in der eigenen Bilanz ausgeglichen.

Ebenso übernimmt Pforzheims älteste Scheideanstalt Heimerle + Meule Verantwortung. „Unsere Kunden können direkt von unserer Zertifizierung durch die LBMA (London Bullion Market Association) profitieren“, erläutert Geschäftsführer Georg Steiner.

„Alle Produkte aus dem Hause Heimerle + Meule enthalten kein Konfliktgold", sagt Georg Steiner. 

Das Familienunternehmen Kauselmann, spezialisiert auf Edelmetallguss und Scheidung, verarbeitet seit 2020 nur noch RJC-COC-zertifiziertes Gold. Ergänzt wird das Engagement durch Solarstrom, papierfreie Verpackungen, E-Mobilität und sogar Bienenvölker auf dem Firmengelände.

Auch Kalman Hafner geht konsequent voran: Seit Ende 2023 fertigt die Gießerei Schmuckstücke auf Wunsch aus Fairtrade- oder Fairmined-Gold sowie Fairmined- und Fairever-ASM-Silber – als erste Gießerei Europas mit fairen Gold- und Silberlegierungen.

Noch weiter geht noën jewellery: Als erste deutsche Schmuckmarke mit Fairtrade-Siegel (2015) und heute Fairmined-zertifiziert, setzt das Unternehmen auf transparente Lieferketten, faire Arbeitsbedingungen und umweltschonende Abbaumethoden. Alle Schmuckstücke werden aus fairmined-zertifiziertem Gold und Silber hergestellt. Zudem ist das Unternehmen für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2025 nominiert.

Schule macht Haltung

Nachhaltigkeit beginnt in der Ausbildung – das zeigen die Goldschmiedeschule und der Studiengang Schmuck an der Hochschule Pforzheim. Dort lernen angehende Designerinnen und Goldschmiede, wie sich künstlerischer Anspruch und ökologische Verantwortung verbinden lassen. Themen wie -Fußabdruck, Fairtrade-Gold, 3D-Druck oder das innovative PlatinGold sensibilisieren die Talente von morgen.

Dr. Michael Kiefer, Schulleiter der Goldschmiedeschule mit Uhrmacherschule, berichtet von fest verankerten Nachhaltigkeitsthemen im Schulalltag: Vorträge externer Experten, Kooperationen mit Unternehmen und der Austausch unter Kollegen setzen neue Impulse. Besonders wichtig ist das Fairtrade-Gold, das Schüler über Sammelbestellungen direkt für ihre Arbeiten erwerben können.

Anspruch und Realität

Trotz vieler Vorzeigeprojekte steht die Branche noch am Anfang eines umfassenden Wandels. Lieferketten werden nicht immer offengelegt, Zertifizierungen wie „Fairmined“ oder das RJC- Siegel sind freiwillig. Auch das neue Lieferkettengesetz greift bei Schmuckhändlern bislang nicht – ein Einfallstor für Greenwashing.Beim Juwelierkongress in Pforzheim im Mai 2025 wurde deutlich, dass Kunden Nachhaltigkeit zunehmend schätzen – vorausgesetzt, sie erhalten transparente Informationen. Guido Grohmann, Hauptgeschäftsführer des BVSU, betonte, der Handel müsse sein Engagement klar und verständlich kommunizieren. Zudem spiele bei Luxusartikeln wie Schmuck der Preis oft eine untergeordnete Rolle, wenn Beratung und Information stimmen.

Auch Juwelier Georg Leicht sagt, dass nach seiner Erfahrung Kunden das Nachhaltigkeit inzwischen als völlige Normalität voraussetzen. Der Wohlfühlfaktor spiele bei Schmuck eine große Rolle.

„Schmuck ist Emotion. Luxus ist langfristig nur erfolgreich, wenn alle Herstellungsschritte nachvollziehbar und sauber sind. Daher arbeiten wir ausschließlich mit Herstellern zusammen, deren Prozesse transparent sind“, erklärt Leicht gegenüber der PZ.

Wissenswertes 

70 Prozent des deutschen Schmuck- und Silberwarenumsatzes stammen aus Pforzheim, rund 80 Prozent der Exportware werden hier gefertigt.

Recyceltes Gold ist Gold, das aus alten Schmuckstücken, Elektronikschrott oder anderen Goldgegenständen gewonnen und wiederaufbereitet wurde. Es ist eine nachhaltigere Alternative zu neu abgebautem Gold, da es den Abbau von neuen Ressourcen vermeidet. Die Qualität und Reinheit von recyceltem Gold sind dabei identisch mit neu gewonnenem Gold.

Fairtrade Gold ist Gold, das unter fairen Bedingungen abgebaut und gehandelt wird, wobei der Schwerpunkt auf der Verbesserung der Lebensgrundlagen von Kleinbergbauern und ihren Gemeinden liegt. Es stellt sicher, dass Bergleute faire Löhne erhalten, unter sicheren Bedingungen arbeiten und dass ihre Gemeinden von zusätzlichen Prämien für soziale, wirtschaftliche und ökologische Entwicklungsprojekte profitieren. Das Fairtrade-Gold-Gütesiegel wird von Fairtrade International vergeben. Diese Organisation setzt Standards für fairen Handel und kontrolliert, dass die Bedingungen bei Abbau und Handel eingehalten werden.

Fairmined Gold ist ein Gütesiegel für Gold, das aus verantwortungsvollem Kleinbergbau stammt und bestimmte Standards für soziale und ökologische Nachhaltigkeit erfüllt. Es stellt sicher, dass das Gold unter fairen Arbeitsbedingungen, mit Umweltschutz und unter Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung der Bergbaugemeinden abgebaut wird. Das Fairmined-Gütesiegel wird von der Alliance for Responsible Mining (ARM) vergeben. ARM ist eine internationale Organisation, die nachhaltigen Kleinbergbau fördert und die Einhaltung sozialer und ökologischer Standards überwacht.