Handwerker auf der Walz holen sich ihren Stempel im Rathaus Mühlacker ab
Mühlacker. Handwerker kommen übers Jahr viele ins Rathaus von Mühlacker, doch diese beiden waren Exoten unter ihnen: Friedrich Jacobi (20), Dachdeckergeselle aus Düsseldorf, der seit einem halben Jahr unterwegs ist mit dem Schreiner Lukas Hauser, 24 Jahre jung, aus Celle. Handwerker auf der Walz.

Ihn gibt es noch den Brauch, aber er ist seltener geworden. Jetzt meldeten sich Dachdecker und Schreiner kurz vor Feierabend an der Rathauspforte, wollten zum Oberbürgermeister und die Mitarbeiterin schickte sie einen Stock höher in der Hoffnung, dass sie nicht vor verschlossenen Amtstüren stehen werden. Tatsächlich war die Tür einladend geöffnet und sie hörten jemanden telefonieren. Er sei doch beim ersten Blick überrascht, auch etwas irritiert gewesen über den ungewöhnlichen Besucher, sagte Günter Bächle, derzeit für dreieinhalb Wochen der OB. Doch dann sei die Sache rasch geklärt worden und gemeinsam sei man zu Stadtkämmerin Martina Rapp gezogen, mit dieser dann zur Stadtkasse.
Auf vieles verzichten
Die beiden jungen Männer erzählten, das halbe Dutzend Rathausmitarbeiter hörte die paar Minuten interessiert zu. Wer auf die Walz wolle, dürfe nicht verheiratet sein, keine Kinder haben, keine Schulden, keine Vorstrafen, aber auch kein Handy, jedoch einen Gesellenbrief: Wer als junger Handwerker auf Wanderschaft geht, müsse in dieser Zeit auf vieles verzichten. Aber er könne wiederum für seine berufliche Zukunft davon profitieren. Denn zur Walz gehöre, zusätzliche Kenntnisse und Fertigkeiten im gerade erlernten Beruf zu erwerben.
So zogen sie los in ihrer typischen Handwerkerkluft, in einem Beutel verstaut das Allernotwendigste über die Schultern hängend und in der Hand einen Wanderstock haltend. Immerhin ist die Wanderschaft nicht mehr – wie bis ins 18. Jahrhundert hinein – die Voraussetzung dafür, um Meister zu werden. Jetzt ist sie nach gerade absolvierter Lehre eine ganz eigene Entscheidung entschleunigt und lebt in seinem ganz eigenem Tempo. Die zünftigen Gesellen bestimmen ganz alleine, ob sie an einem Platz bleiben oder lieber weiter ziehen wollen, ob sie es eilig haben oder eher ein gemäßigteres Tempo vorziehen.
„Drei Jahre und einen Tag müssen wir unterwegs sein. Und als Nachweis gilt das Siegel der Gemeinde, in der wir gerade sind, heute also das vom schönen Städtchen Mühlacker“, sagte der Dachdecker. „Und so drückte Christine Wolfinger von der Stadtkasse das Siegel auf einen freien Platz im jeweiligen dunkelblauen Wanderbuch gleich neben denen von Besigheim, Marktheidenfeld in Bayern, Eckernförde und Hamburg. Ihre Heimatgemeinden seien tabu für sie, maximal bis auf 25 Kilometern dürften sie sich während der Walz ihnen nähern, so Friedrich Jacobi.
Es ist ein Ritual, das seltener geworden ist. Bevor sie den Stempel ins Wanderbuch eingedrückt und zudem jeweils zehn Euro bar als Wegzehrung erhielten, bestand Jacobi darauf, mit „Gunst und Verlaub“ seine Verse aufsagen zu dürfen, schließlich muss die Tradition gewahrt werden. Eine Hymne aufs Handwerk, auf die Gemeinde, garniert mit Dankesworten. Eigentlich wollten sie noch nach Wimsheim an diesem Abend. Das Problem: Sie dürfen kein Geld fürs Fahren, das Essen und das Übernachten ausgeben. Wie sie dann vorankommen? „Zu Fuß und per Anhalter.“