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Calw -  14.12.2020
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Haushalt 2021: Große Projekte im Kreis Calw trotz Corona

Calw. Die Millionenbeträge, die der Kreis Calw für eine gute Versorgung der rund 160.000 Einwohner aufwendet, reichen in schwindelerregende Höhen. Die drei größten Brocken: Insgesamt rund 200 Millionen Euro für die neue Calwer Klinik und das modernisierte Krankenhaus in Nagold. Die neue Hesse-Bahn von Calw nach Weil der Stadt wird mit 70 bis 75 Millionen Euro zu Buche schlagen.

Und die Datenautobahnen im ganzen Kreisgebiet kosten viel Geld. Landrat Helmut Riegger und der Kreistag lassen aber nicht locker, die Infrastruktur auf Vordermann zu bringen. Mit dem Haushalt fürs kommende Jahr, den der Kreistag gestern verabschiedet hat, kann der Landkreis den ehrgeizigen Weg fortsetzen – trotz aller Zusatzkosten in der Corona-Krise. Das Kreisparlament gab grünes Licht für den Etat 2021 – allerdings nicht einmütig. 25 Kreisräte stimmten für den Vorschlag der Verwaltung, 14 waren dagegen, ein Mitglied der Runde enthielt sich.

Die Infektionskrankheit Covid-19 prägte mit den nötigen Schutzmaßnahmen auch die Sitzung des Gremiums im Spiegelsaal des Bad Liebenzeller Kurhauses. Vor der Riege des Landrats mit seinem Führungspersonal saßen in dem großen Raum nur die Sprecher der sechs Fraktionen. Die anderen Mitglieder des Kreistags wurden mit einer Videoübertragung zugeschaltet. Das klappte recht gut.

Die großen Posten im neuen Haushalt, ob nun Kliniken, die wieder aktivierte Zuglinie Richtung Stuttgart und schnelle Internetverbindungen, sind aus Sicht der Kreisräte unumstritten. Bei den Etatberatungen in den Fachausschüssen zeichnete sich allerdings bereits ab, dass Kreiskämmerer Albrecht Reusch das Finanzprogramm nur bewältigen kann, wenn einige wichtige Vorhaben gestreckt werden. So wird die anvisierte neue Straßenmeisterei in Calw um ein Jahr verschoben. Die Kreisverwaltung soll jedoch mit ersten Signalen den Bau im Jahr 2022 vorbereiten. Offen bleibt vorerst die ebenfalls vorgesehene, neue Straßenmeisterei in Nagold – noch ist dort der Standort nicht geklärt. Um ein Jahr verschoben wird auch der Neubau einer Schlauchwerkstatt der Feuerwehr. Die bisherige Einrichtung im Bad Wildbader Ortsteil Calmbach genügt nicht mehr den modernen Anforderungen. Klar ist der bereits weit fortgeschrittene Erweiterungsbau des Calwer Landratsamts, der rund elf Millionen Euro kosten wird. Richtig Bauchweh bekamen Kreisräte und Verwaltungsspitze gleichermaßen jedoch mit der Kürzung von Mitteln für mehr Bus-Verbindungen im Kreisgebiet. Der Landrat machte kürzlich in der weichenstellenden Beratung im Verwaltungs- und Wirtschaftsausschuss (VWA) jedoch deutlich, nur mit einer Senkung des Zuschusses für Stundentakte um 1,5 Millionen Euro könne er den Kommunen bei der alljährlich umstrittenen Kreisumlage entgegenkommen. Ursprünglich wollte Riegger von den Städten und Gemeinden 4,6 Millionen Euro mehr als dieses Jahr kassieren. Doch Riegger war bestrebt, die Kuh rasch vom Eis zu holen. Er verzichtete auf 3,2 Millionen Euro zugunsten der Gemeinden und setzte die Umlage auf 30,0 Prozentpunkte fest.

Dass er dafür die Busse vor allem abends ausdünnen muss, schmerzte ihn, allerdings auch die Kreisräte, sollte ein stärkerer Bustakt doch ein attraktives Angebot für Fahrgäste schaffen. Mit einem gemeinsamen Antrag machten sich die SPD und die Grünen in letzter Minute für eine Anhebung der Kreisumlage stark. Diese Erhöhung spüle etwas mehr als eine Million Euro in die Kreiskasse – im Gegenzug könne die Kreisverwaltung mit dieser Summe nahezu vollständig das seit langem angestrebte Ziel erreichen, den Nahverkehr auszubauen. Doch mit ihrem Antrag kamen die beiden Fraktionen nicht durch – 14 Ja-Stimmen standen 24 Nein-Stimmen gegenüber.

Ganz knapp einen Erfolg verpasste die FDP, die mit dem Geld aus einer höheren Kreisumlage, rund einer Million Euro, die Schulden senken wollte. 20 Kreisräte schlossen sich der FDP-Forderung an, 21 lehnten den Antrag ab.

Ein Kommentar von PZ-Mitarbeiter Ralf Steinert:

Helmut Riegger ist ein gewiefter Landrat. Als er im Oktober den Kreisräten den neuen Etat vorstellte, rief er ihnen angesichts des mit Großprojekten gespickten Programms mehrmals den Satz zu: „All diese Investitionen haben Sie entschieden.“

Nett gemeint, ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Riegger ist der Antreiber für die hohen Summen, die der Landkreis für moderne Kliniken, die neue Hesse-Bahn und Datenautobahnen ausgibt – mit hohen Zuschüssen. Der Landkreis setzt trotz Corona-Krise diese großen Vorhaben fort, muss dennoch wichtige Projekte strecken – neue Straßenmeistereien und die Schlauchwerkstatt in Calmbach sind 2021 noch nicht drin. Rieggers Schatzmeister Reusch konnte für all die dicken Brocken Darlehen fast zum Nullzins aufnehmen. Doch Kredite bauen einen Schuldenberg auf – bis in die nächste Generation hinein. Das leuchtet ein, wird doch auch sie Nutznießer der guten Versorgung sein. Aber es gibt ein Dauerrisiko im Etat: Der Kreis muss jahrzehntelang die im Haushalt nötigen Abschreibungskosten der Neubauten erwirtschaften. Der Landrat verstand die Sorge der Kreisräte, die den Geldbeutel ihrer Kommunen schonen wollen. Die Gemeinden müssen ebenfalls teure Aufgaben schultern. Da lag es auf der Hand, dass Riegger die Umlage an den Kreis rasch abgespeckt hat.

Autor: Ralf Steinert