Helfen statt wegschauen: Pforzheim und der Enzkreis starten Kampagne gegen häusliche Gewalt
Pforzheim. Schreie aus der Wohnung nebenan können viele Gründe haben. Nicht immer bedeuten sie Gefahr – können sie aber. Denn nicht für alle sind die eigenen vier Wände ein sicherer Rückzugsort. Manche Menschen, vor allem Frauen und Kinder, erleben hier Gewalt. Die pandemiebedingte Isolation hat das Problem auf vielfältige Weise verschärft (die PZ berichtete). Die Stadt Pforzheim sowie der Enzkreis reagieren nun mit der Kampagne „Hast du das auch gehört?“ auf die Entwicklungen und sprechen dabei jene an, die helfen können – die Nachbarn.
„Schon als der Lockdown begann, haben wir uns große Sorgen gemacht“, sagt die Pforzheimer Gleichstellungsbeauftragte Susanne Brückner, die gemeinsam mit ihrer Kollegin aus dem Enzkreis Kinga Golomb die Kampagne, die vom Landespräventionsrat Niedersachsen konzipiert wurde, für Stadt und Region angepasst hat. Erfahrungen aus China hatten gezeigt, dass die Fallzahlen von häuslicher Gewalt aufgrund der Isolation zunahmen. Eine Befürchtung, die sich bestätigen sollte: So meldet das Amt für öffentliche Ordnung der Stadt für den Vergleichszeitraum 17. März bis 20. Mai mit 23 Fällen in 2020 eine deutliche Steigerung der Fallzahlen im Bereich der häuslichen Gewalt. 2018 gab es nur acht Fälle, im Jahr darauf 13. Die Stadt mietete zudem kurzzeitig drei Hotelzimmer zur Unterbringung von Betroffenen an. Das Jugendamt verzeichnete vom 17. März bis 17.Mai insgesamt 78 Kinder in 47 Familien als Neuzugänge im Bereich der Kindeswohlgefährdung – im Vorjahr waren es im gleichen Zeitraum 52 Kinder in 33 Familien. Darunter wurden 28 Kinder in 21 Familien Opfer von häuslicher Gewalt (2019: neun Kinder in vier Familien). Beim Jugendamt des Enzkreises gint es einen Anstieg der Fälle von hilfesuchenden Familien, jedoch eher aufgrund von Überforderung und der damit einhergehenden Vernachlässigung.
Die Kampagne will mit beidem Schluss machen und setzt dabei auf aufmerksame Nachbarn. Dafür gibt sie der Bevölkerung konkrete Handlungsempfehlungen, was beim Verdacht von häuslicher Gewalt zu tun ist. So sollen vor allem Nachbarn hinschauen- und hören und die Betroffenen, wenn es die Situation zulasse, vorsichtig auf den Verdacht ansprechen. Ist die Lage unklar, oder gar gefährlich, gilt es, die Polizei zu alarmieren. Außerdem können eventuelle Opfer direkt auf Hilfsangebote wie das Frauenhaus, die Fachstelle für häusliche Gewalt oder auch das Frauenbündnis aufmerksam gemacht werden. Das Hilfetelefon, das rund um die kostenlos und anonym unter 08000 116016 erreichbar ist, dient ebenfalls als Anlaufstelle.
Mehr über die Kamagne „Hast du das auch gehört?“. lesen Sie am Donnerstag, 18. Juni, in der „Pforzheimer Zeitung“ oder im E-Paper auf PZ-news.