Johannes Oerding begeistert bei ausverkauftem Konzert in Calw-Hirsau
Calw-Hirsau. Johannes Oerding hat viel zu sagen. Und das ist durchaus wörtlich gemeint. Aber eigentlich sind der Popsänger und seine Band in die Hirsauer Klosterruine gekommen, um singend und musizierend das Publikum zu verwöhnen.
Doch der 36-jährige Songwriter plaudert, witzelt und kalauert mindestens genauso gerne, wie er Lieder aus seinen fünf Alben vorträgt.
Seine Liaison mit der Kabarettistin, Entertainerin und Fernsehmoderatorin Ina Müller („Inas Nacht“) hat da wohl abgefärbt. So schafft es Oerding in der ersten halben Stunde gerade mal auf drei Lieder. Er nimmt sich dann jedoch in dieser heißen Nacht sehr viel Zeit. Und nach zweieinviertel Stunden am Stück hat er dann immerhin 20 Titel geschafft.
Gleich nach seinem Auftaktsong „Leuchtschrift“ erkundigt sich der in Hamburg St. Pauli lebende Westfale: „Wo kommt ihr alle her?“ Und ist überzeugt: „Das wird ein guter Abend.“ Wo er recht hat, hat er recht. Selbst die Tatsache, dass die Modulation seiner Stimme bei den ersten Nummern noch nicht besonders ausgeprägt ist, ändert daran wenig. Es wird ja immer besser. Spätestens im fünften Lied „Plötzlich perfekt“ ist dann wirklich alles nahezu perfekt.
Zwischendurch zeigt er sich begeistert von dem „herrlichen Fleckchen Erde in Hirsau“, dessen Lage er aber erst googeln musste, und animiert seine Zuhörerschaft „ein bisschen intim“ zu werden. Das fällt nicht allzu schwer, sind doch die Stuhlreihen vor der Bühne weggeräumt worden, um Stehplätze zu schaffen für eng an eng stehende 1950 Besucher im ausverkauften Kreuzgarten. „Da wird schon rumgeknutscht“, stellt der gut beobachtende Sänger ein paar Augenblicke später fest. Er geht sogar so weit: „Wenn sich heute zwei verlieben und dann heiraten, spiele ich auf Eurer Hochzeit – versprochen.“
Gesang und Musik gibt es auch noch. Bei „Hundert Leben“, einem Hit seines jüngsten Albums „Kreise“ aus dem vergangenen Jahr, kommt ihm aus über tausend Kehlen das „Ooh, ooh, ooh“ des Refrains als Echo zurück. Während des Titelsongs „Kreise“ erweist sich die Zuhörerschar als erstaunlich textsicher.
Mit einer orchestralen Einleitung wirkt „Einfach nur weg“ sogar ein bisschen sinfonisch. Bei „Alles brennt“ springt sogleich der Funke auf alle über. Und bei „Wo wir sind, ist oben“ tritt genau das Gegenteil ein: Oerding, der schon als Fünfjähriger auf einem Flohmarkt am Bodensee trällerte, ist ganz unten — mitten unter seinen Fans.
Oerding will in erster Linie unterhalten und nicht missionieren. Dennoch hat er auch einen Song mit Tiefgang auf Lager: „Weiße Tauben“. Darin geißelt er die Kriegstreiber und singt von „hohen Mauern in den Köpfen“ und von „Stacheldraht, der ums Herz geschirmt“ ist.
Als der letzte Ton der Zugabe „Für immer ab jetzt“ verklungen ist, steht für Oerding fest: „Für immer ab jetzt“ hat er ganz gewiss neue Anhänger in Hirsau gewonnen.