Gemeinden der Region
Bad Wildbad -  01.10.2021
Artikel teilen: Facebook Twitter Whatsapp

Jüdischem Leben auf der Spur: Ausstellung in Bad Wildbad

Bad Wildbad. Was eigentlich bereits im vergangenen Jahr stattfinden sollte, das wurde corona-bedingt auf das laufende Jahr verschoben. Die Veranstaltungsreihe „Spuren jüdischen Lebens in Bad Wildbad“ wurde am vergangenen Freitagabend mit der Ausstellung „In schwindendem Licht – Spuren jüdischen Lebens in Osteuropa“ eröffnet.

Die bereits seit mehreren Jahren bestehende Projektgruppe, bestehend aus der Evangelischen Kirchengemeinde Bad Wildbad, der Stadt Bad Wildbad, der VHS Calw, dem Enztalgymnasium Bad Wildbad sowie Menschen Miteinander/Interkultureller Garten Oberes Enztal, gestalten und begleiten die verschiedenartigen Veranstaltungen an unterschiedlichen Orten in Bad Wildbad.

Spuren in Osteuropa

So sind bis zum 31. Oktober in der Stadtkirche eine Reihe von Bildern des Kölner Fotografen Christian Herrmann zu sehen, der den Spuren jüdischen Lebens in alten Landstrichen in Osteuropa nachgegangen ist. Es sind letzte Zeugnisse der bis zum Holocaust 1939 weltweit größten jüdischen Bevölkerungsgruppe mit rund 3,4 Millionen Menschen jüdischen Glaubens. Sie entwickelten eine eigene jüdische Gelehrsamkeit und besondere Formen der religiösen Praxis. Heute leben in Polen, der Ukraine und Rumänien noch rund 70 000 Juden, überwiegend in den größeren Städten.

Den Auftakt des Informationsabends in der Stadtkirche machte Diakonin Beate Kunz, welche die rhetorische Frage stellte, warum die Projektgruppe sich mit den Juden von damals beschäftige. Sie stellte fest, dass es nach dem Ende der NS-Zeit und des Krieges keinen moralischen und geistigen Neuanfang in Deutschland gegeben habe. Dies könnte auch die Ursache für den heute immer mehr aufkeimenden Antisemitismus und Judenhass sein.

Gesellschaft in der Pflicht

Hubertus Welt, der ebenfalls zur Projektgruppe gehört, wies anschließend darauf hin, dass wir als Gesellschaft uns nicht ausgrenzen können, sondern dafür sorgen müssen, dass so etwas wie die Shoa nie wieder vorkommt.

Zwei Bücher stellte anschließend Thorsten Trautwein, Schuldekan, vor, die vor wenigen Wochen veröffentlicht wurden. Der Sammelband „Jüdisches Leben im Nordschwarzwald“ enthält ein Kapitel über die früher in Wildbad arbeitenden und wohnenden Menschen jüdischen Glaubens. Verfasst wurde der umfangreiche Artikel von Marina Lahmann, die ebenfalls zur Projektgruppe gehört und über das Bad Wildbader Stadtarchiv sowie durch eigene Nachforschungen einen Einblick in das Leben dieser Mitbürger gibt.

Das zweite Werk nennt sich „900 Tage in Auschwitz, Tagebuch eines Holocaust-Überlebenden“ von Mordechai Papirblat. Dieses Buch wurde federführend von Thorsten Trautwein bearbeitet, der deshalb mit einer Gruppe Interessierter vor zwei Jahren den damals 97 Jahre alten Papirblat in Israel besuchte.

Der Abend wurde musikalisch umrahmt mit Klezmermusik, der typischen Volksmusik der aschkenasischen Juden seit dem 15. Jahrhundert. Am Akkordeon verstand es der 19-jährige Edwin Roberts aus Neubulach, das Besondere des Klezmers musikalisch vorzustellen.

Autor: Götz Bechtle