Jüdischer Fabrikant Alfred Emrich aus Mühlacker: Wie er Opfer der Nazi-Verbrechen wurde
Mühlacker. Anfang des 20. Jahrhunderts stand der Name für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt, er hat viele Bürger ausgebildet und beschäftigt, und auch die Errichtung des Uhlandbaus geht auf ihn zurück. Als Jude musste er vor den Nationalsozialisten fliehen. Seine Spuren verloren sich lange in Straßburg, doch inzwischen gibt es neue Erkenntnisse über seine Zeit in Frankreich, über die im Rahmen eines sehr gut besuchten Vortrags am Samstagnachmittag in der Paul-Gerhardt-Kirche berichtet wurde.

Seit 2009 verfolgt Christiane Bastian-Engelbert die Geschichte um Alfred Emrich, hat mit ehemaligen Mitarbeitern gesprochen, die von der guten alten Zeit berichtet haben, und viele Informationen über die Zeit der Familie in Mühlacker zusammengetragen, über den 1876 geborenen Fabrikanten, der das Unternehmen zwischen 1899 und 1912 gemeinsam mit seinem Vater Isidor und seinem Bruder Richard geleitet hat, ehe er die Firma mit unternehmerischem Geschick systematisch erweitert hat. Bis zu 350 Mitarbeiter hat diese in den besten Zeiten beschäftigt und stellte Schmucksachen, Uhrarmbänder und Kleinodien her. Viele davon befinden sich noch heute im Besitz von Bürgern.
Auch sozial war Alfred Emrich sehr engagiert, im Bereich der Schulbücherei oder des Krankenhauses beispielsweise. Ende 1938 ordneten die Nazis allerdings die Zwangsveräußerung an, ein Jahr später floh die Familie nach Frankreich, vermutlich über Paris nach Le Mans. Konkretes war bislang nicht bekannt.
„Meine Geschichte hat in Straßburg aufgehört und dann ging es weiter mit einem großen zeitlichen Loch“, räumt Bastian-Engelbert ein.
Das änderte sich mit Sabine Trück. „Sie beherrscht die französische Sprache“, freut sich Bastian-Engelbert über die Zusammenarbeit. Trück hat 2023 begonnen, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie die Geschichte der Familie Emrich in Frankreich verlaufen ist. Da persönliche Aufzeichnungen fehlen, war dies kein einfaches Unterfangen. Auslöser für ihre Neugierde war eine Ausstellung in Berlin, die sich mit dem Holocaust befasste. „Dort war ein Gedenkbuch mit über 80 000 Namen von nach Frankreich deportierten Juden“, erinnert sie sich. Zunächst habe sie es nicht weiter beachtet, bis ihr Bruder sie darauf aufmerksam machte, sie hätte dort doch nachschlagen können, ob auch die Emrichs verzeichnet sind. „Dann habe ich zu recherchieren begonnen.“
Über die Seite eines französischen Historikers fand sie heraus, dass Emrich sich unter anderem in der Bretagne aufgehalten hat. Über zwei Jahre hat er sogar bei der Kreiskommandantur des deutschen Besatzers als Übersetzer sowie als Repräsentant einer Export-Import-Firma gearbeitet, ehe er festgenommen und ins Gestapo-Gefängnis überführt worden ist.
Was die genauen Gründe dafür waren, darüber gibt es bislang keine Quellen, räumt Trück ein. „Er war eigentlich integriert“ und ob überhaupt bekannt gewesen ist, dass er Jude war, auch das lässt sich nach aktuellem Stand nicht verifizieren. Denkbar sei es allerdings, verweist Trück auf das Regime, das damals in Frankreich eine antijüdische Politik betrieben habe. „Es wäre nicht verwunderlich, wen er deshalb festgenommen worden ist.“ Die These müsse aber noch belegt werden. „Wir suchen weiter in den Archiven, vielleicht gibt es dort noch Spuren zu der Familie“, sagt Trück, „aber ob man da tatsächlich weiterkommt oder ob jetzt Schluss ist, das muss man sehen.“ Bastian-Engelbert wiederum will Kontakt zu Nachfahren aufnehmen.