Gemeinden der Region
Bad Wildbad -  27.05.2022
Artikel teilen: Facebook Twitter Whatsapp

Justus Frantz spielt Musik für die Seele – berühmter Pianist gastiert in Bad Wildbad

Bad Wildbad. Am Ende seines Konzerts steht Justus Frantz auf der Bühne vor dem Flügel und filmt mit dem Handy sein Publikum. Das hat sich von den Sitzen erhoben und jubelt dem Meister zu, der sich artig bedankt und nach einer freundlichen Erklärung zu seiner Dokumentation relativ rasch enteilt. Es geht alles ein wenig familiär zu im Königlichen Kurtheater – die regelmäßigen Jahreskonzerte sind für Frantz so etwas wie ein Nachhausekommen in ein Theater, das er zusammen mit Eckehardt Peterson vor dem Abriss gerettet hat.

Ein festgelegtes Programm? Das braucht er nicht, weil er so etwas wie eine bestimmte Melodie für den Augenblick sucht. Und so erfahren die Zuhörer im fast bis auf den letzten Platz besetzten Kurtheater auch erst kurz vor dem ersten Ton, was sie erwarten dürfen: Beethoven auf alle Fälle und „ein bisschen Mozart und ein bisschen Chopin“.

Der 78-Jährige ist eine Legende im klassischen Musikbereich, seine Einspielungen von Bach- Beethoven- und Mozart-Klavierkonzerten gelten als besondere Juwelen. Man darf von ihm an dem neuen Flügel – den Frantz sehr lobt – so etwas wie eine Sternstunde erwarten. Der Pianist hat sich an diesem Tag ein Programm ausgesucht, dessen Schwerpunkt thematisch eher auf der melancholischen Seite liegt. Werke, von denen er weiß, dass sie die Zuhörer berühren.

Er beginnt mit Mozarts A-Dur Sonate, die eigentlich keine Sonate ist, weil sie nicht den formalen Aufbau einer klassischen Sonate hat. Justus Frantz hat sie einmal nicht nur wegen des ungewöhnlichen Formgerüstes als „etwas ganz Unglaubliches“ bezeichnet. Und so spielt er sie auch – selbst in einem ungewohnt schnellen Tempo berührend in der Ambivalenz zwischen Freude, Schmerz und Trauer. Frantz ist ein Purist, sein Spiel wird nicht getragen von Effekten, den Wechsel zwischen Virtuosität und Innerlichkeit lässt er in seinen Interpretationen in allen Facetten aufleuchten.

Trauer und Kraft

Bevor Frantz zu Beethovens Klaviersonate Nr. 14, op. 27, der „Mondscheinsonate“, übergeht, plaudert er mit dem Publikum, rückt Interpretationen zurecht, nennt das Werk eine „Auseinandersetzung mit dem Tod, kein Landschaftsgemälde“. Er macht deutlich, welche Trauer, welches Aufbegehren und welche Kraft in dieser Musik steckt: Es scheint einsam zu werden auf der Bühne um Beethoven – ein leerer Raum, in dem es um die Endlichkeit und Verletzbarkeit des Lebens geht. Ganz leise, pianissimo, zunächst. Tastend und sensibel entwickelt Frantz die Nuancen des Ausgeliefertseins bis hin zum Widerstand gegen das Bedrohliche. Das Publikum ist begeistert, dem Pianisten geht das Licht zu schnell an: „Dann spiele ich jetzt noch etwas“. Und schon sitzt er mit Frédéric Chopin’s Berceuse, op. 57, wieder am Flügel.

Nach der Pause greift Frantz mit Beethovens Sonate Nr. 8, op. 13, der „Pathétique“, in der sich der Komponist zum ersten Mal mit seiner Taubheit konfrontiert sieht, die Themen Schicksal, tiefe Verzweiflung und Sich-Widersetzen erneut auf. „Aber ich will dem Schicksal doch in den Rachen greifen“ und stellt den Gefühlsgehalt dieser Musik heraus, die ebenso von Dramatik wie von leiser Innigkeit getragen ist, lässt die Vielfalt der Klänge mit ihren Kontrasten zu einer tiefen Emotion werden. Es folgen als Finale Chopins Große Fantasie mit ihrem virtuosen, anspruchsvollen Klavierpart und als Zugabe dessen Impromptu. Auch hier entfacht Frantz wieder seinen prächtigen klanglichen Farbenreichtum. Das Publikum begreift den Nachmittag als das, was er gedacht war: Musik für die Seele.

Autor: Gabriele Meyer