Kampf gegen Windmühlen: Bürgerinitiative in Birkenfeld kämpft für Alternativen zu Windkraft
Birkenfeld. Der im Deutschen sprichwörtliche „Kampf gegen Windmühlen“ geht auf die spanische Romanfigur Don Quijote zurück und steht dafür, vergeblich gegen Zustände anzukämpfen, die sich nun einmal nicht ändern lassen. Mit dem Vorwurf, die Bürger könnten gegen die Windkraft-Pläne der Gemeinderatsmehrheit im rund 10.000 Einwohner zählenden Birkenfeld mit seinen zwei Teilorten Gräfenhausen und Obernhausen am Rand des Schwarzwalds fast schon nichts mehr ausrichten, machen die Gegner gehörig Stimmung seit Ende 2023.

Im Zuge dessen hat die BI genau 1414 Unterschriften gesammelt, die wahrscheinlich – sofern keine formalen Schnitzer unterlaufen sind – zu einem Bürgerentscheid bis spätestens Ende November 2024 führen. In diesem könnten sich Bürger direkt gegen Windkraft aussprechen. Rathauschef Martin Steiner begrüßte dies zuletzt, als er meinte, Risse gingen inzwischen teils mitten durch Birkenfelder Familien und „der Souverän“ müsse nun zwingend sprechen, anderes sei für ihn nicht mehr denkbar.
Wie konnte es so weit kommen?
Manche behaupten, die Bürgerinitiative spalte die Gemeinde, sei aggressiv und hauptsächlich dagegen. Andere sagen, die Rathausspitze habe die Bodenhaftung und den Kontakt zu den Bürgern verloren. Die mehr oder weniger unverblümt vorgetragene Behauptung, die für viel böses Blut – sogar für eine angebliche Morddrohung gegen Gemeinderatsbesucher durch ein Ratsmitglied, von Matthias Jäck polizeilich zur Anzeige gebracht – gesorgt hat: Die Mehrheit aus CDU, SPD und der grünen UGLB planten zusammen mit der Rathausspitze im stillen Kämmerlein die Errichtung von neun Windrädern. Alles sei praktisch in trockenen Tüchern. So wollten sie die Bevölkerung vor vollendete Tatsachen stellen, allenfalls noch wie Don Quijote zum Scheinkampf antreten lassen. Damit solle der Birkenfelder Wald zugunsten der Gemeindekasse zerstört werden und damit der Lebensraum von ökologisch wertvollen Arten, wie der passionierte Jäger Jäck es darstellt. „Ich bin kein Juchtenkäfer-Verfechter“, sagt Matthias Jäck schneidig, der ein Revier im Gemeindewald bejagt. Aber die Artenvielfalt sei hier schon enorm. Markus Dietz ist ebenfalls Jäger mit Revier vor Ort.
Er betont: „Wir sind nicht gegen alles, wir wollen der Gemeinde helfen.“
Dietz kommen auch durchaus lobende Worte für die Gemeindeverwaltung über die Lippen. Er engagiere sich schon sehr lange für eine nachhaltige Energieerzeugung, habe der Verwaltung schon vor vielen Jahren konkrete Vorschläge gemacht. Gehör habe ihm nie jemand schenken wollen, meint er. Dietz führt zu Orten, an denen er praktikable Alternativen zur Windkraft sieht, An der Enz zum Beispiel könne die Gemeinde systematisch die Wasserkraft nutzen, so Dietz. Die PZ hat diesbezüglich beim Landratsamt nachgefragt (siehe Kasten). Der Gemeinderat beschloss Anfang des Jahres dann eine Bürgerbeteiligung durch ein Moderationsbüro. Jäck nennt diese „Lobbyveranstaltung“. An diesem verregneten Tag steht er nun als Sprecher der Bürgerinitiative unter regenfeuchten Wipfeln im Birkenfelder Wald, als ihm ein Spaziergänger im blauen Anorak mit Nordic-Walking-Stöcken und Hund entgegenkommt. Was er denn im Wald mache, fragt der Anorakträger.
„Wir sind unterwegs wegen der Windräder“, antwortet Jäck, worauf zurückkommt: „Aber hoffentlich auf meiner Seite?“
Der Spaziergänger gibt sich als Windkraftgegner zu erkennen, spricht von „Gift und Dreck“, den die Windräder in sich bergen würden. Hier verlaufe auch der Westweg für Fernwanderer, erklärt Jäck wenig später. Die Naherholung für die Bürger und die touristischen Highlights Birkenfelds sieht er in akuter Gefahr. „Das wäre auch die Zuwegung für die drei hier geplanten Windräder“, erklärt er weiter – hier müsste also der Wald gerodet werden, um etwa Rotorblätter anliefern zu können. Zuletzt hatte der Gemeinderat zum Energiekonzept „Smart Birkenfeld“, für das bereits 480.000 Euro ausgegeben wurden, eine Erhöhung des Mindestabstands zu Siedlungsflächen auf 850 statt 750 Meter beschlossen, was drei Windräder unmöglich machen würde. „Diese Windräder sind aber noch nicht vom Tisch“, behauptet Jäck nun. Der Verzicht auf sie sei nur eine „reine Wahltaktik“, bevor die Bürger am 9. Juni an die Urnen gehen.
Ein Hauptargument der BI: Es gebe vergleichsweise wenig Wind in Birkenfeld. Matthias Jäck sagt, der Regionalverband habe Windkraft-Flächen für Birkenfeld schon gar nicht mehr vorgesehen. Erst auf Bitten der Gemeinde sei Birkenfeld wieder berücksichtigt worden. Matthias Jäck deutet in den schwer wolkenverhangenen Himmel: „Infraschall und Schattenwurf“ der Windräder würden den Frieden hier zerstören, meint der BI-Sprecher.
Mehr Wasserkraft in Birkenfeld?
Landratsamt: „Die Enz hat im Bereich Birkenfeld nur ein geringes Gefälle.“
Die von der Bürgerinitiative Weitblick Birkenfeld als Alternative zur Windkaft unter anderem ins Spiel gebrachte Wasserkraftnutzung „bedarf grundsätzlich verschiedener wasserrechtlicher Zulassungen“, antwortet die Pressestelle des Landratsamts des Enzkreises auf eine entsprechende Anfrage der PZ.
In Birkenfeld werde an der Enz die Wasserkraft seit Jahren bereits durch einen privaten Betreiber genutzt, und weiter: „Die Enz hat im Bereich Birkenfeld jedoch nur ein geringes Gefälle, so dass das Potenzial für den Betrieb einer weiteren Wasserkraftanlage eigentlich nicht gegeben ist“.
Im Enzkreis genehmige grundsätzlich in der Regel das Umweltamt als untere Wasserbehörde. Unter der Annahme, dass bei Antragstellung alle erforderlichen Gutachten und Planunterlagen vollständig vorliegen, „muss die untere Wasserbehörde innerhalb eines Jahres entscheiden“, so die Pressestelle. Im Vorfeld der Antragstellung seien jedoch umfangreiche Untersuchungen, unter anderem zum Standort, Gutachten, Planunterlagen und Planungsschritte erforderlich, die deutlich länger dauerten. Erst wenn alle relevanten Unterlagen vorliegen, könne das eigentliche Wasserrechtsverfahren eingeleitet werden.
„Die Dauer eines so umfangreichen Wasserrechtsverfahrens kann daher im Vorfeld nur schwer abgeschätzt werden“ so die Pressestelle.
Im Enzkreis werden laut Landratsamt acht Wasserkraftanlagen durch Kommunen, Stadtwerke und einen Zweckverband betrieben: Dies seien an der Enz in Neuenbürg vier Wasserkraftanlagen und je eine in Mühlacker, Lomersheim, Niefern und an der Würm in Tiefenbronn.