Gemeinden der Region
Enzkreis -  03.11.2025
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Kampfansage aus dem „InsolvEnzkreis“: Landratsamt muss den Kreis durch eine tiefe Finanzkrise lotsen

Enzkreis. Landkreisen geht auf dramatische Weise das Geld aus, die Schulden explodieren. Die Schuld daran sieht man in der Kreisverwaltung bei den Gesetzgebern in Berlin und Stuttgart, die immer mehr Aufgaben bescheren - aber zu weniog Geld dafür zur Verfügung stellen. Im Landratsamt will man den Kopf trotzdem nicht in den Sand stecken und hält an wichtigen Zielen fest.

Sorgenfalten beim Blick auf die Haushaltszahlen: Landrat Bastian Rosenau (rechts) und Finanzdezernent Frank Stephan müssen den Enzkreis durch eine tiefe Finanzkrise lotsen, gegen die das Landratsamt selbst fast nichts tun kann.
Sorgenfalten beim Blick auf die Haushaltszahlen: Landrat Bastian Rosenau (rechts) und Finanzdezernent Frank Stephan müssen den Enzkreis durch eine tiefe Finanzkrise lotsen, gegen die das Landratsamt selbst fast nichts tun kann. Foto: Meyer

Optimismus verbreiten trotz katastrophaler Finanzzahlen? Das ist die Aufgabe, die sich Landrat Bastian Rosenau am Montag bei der Vorstellung des extrem düsteren Haushaltsplans 2026 vorgenommen hat. Mit einem Augenzwinkern geht er die Herausforderung an, grüßt die Politik, die mit ihren immer neuen gesetzlichen Anforderungen die kommunale Finanzmisere ausgelöst hat, freundlich „aus dem InsolvEnzkreis“. Ein Scherz mit bitterem Kern. Der Landrat erinnert daran, dass er schon vor einem Jahr gewarnt hatte, der Enzkreis sei 2026, spätestens aber 2027 pleite, wenn sich an der Lage nichts ändere. Nun ist der Befreiungsschlag für Kreise und Kommunen, die Entlastung von gesetzlichen Pflichten und Aufgaben bislang ausgeblieben, Und Finanzdezernent Frank Stephan muss mit den schlechtesten Finanzdaten der Kreisgeschichte ins kommende Jahr gehen.

„Noch so ein Sieg, und wir sind ruiniert.“ Frank Stephan, Finanzdezernent des Enzkreises, zitiert Dichter Theodor Fontane und bezieht das auf den mit Müh und Not errungenen Erfolg, dass der Kreishaushalt doch von den Aufsichtsbehörden genehmigt werden kann.

Wie berichtet, hat sich die Misere längst angekündigt. Zwischenzeitlich schien das Ziel, einen genehmigungsfähigen Etat ausarbeiten zu können, in weiter Ferne, bekennt Stephan. Dass es am Ende doch mit Ach und Krach geklappt hat, sieht er nicht als Grund zur Freude. Im sechsten Jahr in Folge steht der Enzkreis vor roten Zahlen in der erwarteten Jahresbilanz. Das heißt, die Ausgaben übersteigen die Einnahmen. 2026 wohl um unglaubliche 16 Millionen Euro. So tief war das Loch in der Kasse noch nie. Zum Vergleich: Im ebenfalls dramatischen Etat 2025 rechnete man noch mit einem Minus von 6,7 Millionen. Es hilft nicht einmal, dass die Steuerkraft der Städte und Gemeinden im Enzkreis insgesamt steigt. Das Landratsamt muss ihnen trotzdem so viel Geld abknöpfen wie nie: 36,5 Prozent der Steuerkraftsumme statt 34,2 Prozent. 15 Millionen Euro mehr.

„Unsere Kassen sind leer, es gibt keinen Gestaltungsspielraum mehr, das Regierungspräsidium übernimmt ab jetzt die Steuerung. Freundliche Grüße aus dem InsolvEnzkreis.“ Bastian Rosenau, Landrat des Enzkreises.

Damit kämen die Kommunen sogar noch mit einem blauen Auge davon. Der Kreis müsste ihnen noch deutlich mehr abverlangen, würde er nicht 2026 sein letztes Erspartes vervespern. Dieser mit dem Kreistag abgestimmte Weg führt freilich dazu, dass der Enzkreis für seine anstehenden Investitionen etwa in Um- und Neubauten von Gebäuden für die sozialpädagogischen Schulen um neue Schulden nicht herumkommt. Bis 2024 hatte der Kreis seine Darlehen Stück für Stück abgebaut. Jetzt geht es gezwungenermaßen in die andere Richtung: 26 Millionen müsse man im laufenden Jahr wohl aufnehmen, so Stephan, 2026 dann 15 Millionen Euro.

„Auch hier brechen gerade alle Dämme“, so der Finanzdezernent.

Trotzdem will der Enzkreis wichtige Ziele erreichen, wie Rosenau trotzig aufzählt. Mann wolle zwar den Druck auf die Politik aufrechterhalten, gleichzeitig aber gemeinsam mit Kreistag und Kommunen Weichen für die Zukunft stellen: Die regionale Wirtschaft will man im laufenden Umbruch unterstützen, Innovation und Digitalisierung fördern, den Enzkreis will man fitter machen für Katastrophenfälle. Bei den Nachhaltigkeitszielen, die sich der Enzkreis seit Jahren auf die Fahnen schreibt, hat der Landrat von seiner Reise zu den Vereinten Nationen ein Lehre mitgebracht: „Wir überfordern uns im Enzkreis, wenn wir alle 17 Ziele mit der gleichen Intensität verfolgen.“ Die begrenzten Mittel müsse man konzentriert für einzelne Schwerpunkte einsetzen. Beim Nahverkehr läuft der Beitritt des Verkehrsverbunds Pforzheim Enzkreis zum Karlsruher KVV – und auch darüber hinaus will man ihn flexibler und besser machen. Künstliche Intelligenz soll mehr Bürgernähe bringen und beispielsweise Anträge erleichtern. Bei Integration und Inklusion von Menschen mit Behinderungen komme man gut voran – auch wenn der Aufwand hoch bleibe. Die Schulbauprojekte in diesem Bereich sind die größte Herausforderung im Investitionsbereich der kommenden Jahre. Zusammen mit den explodierenden Defiziten der Enzkreis-Kliniken, die man auffangen müsse. Auch hier bleibe der Bund Geld schuldig. Bei Flüchtlingen hoffe man auf weiter sinkende Zugangszahlen – und dass man aufgelöste provisorische Unterkünfte nicht mehr brauchen würde.

„Ich kann die ewigen Streitereien der jeweils regierenden Koalitionen nicht mehr ertragen.“ Bastian Rosenau

Hauptverantwortlich für die Finanzmisere sieht Dezernent Stephan Kliniken und Eingliederungshilfe. Seit dem BTHG-Gesetz, das Hilfe für Menschen mit Behinderung neu regelt, eskaliere die finanzielle Situation. Sozialkosten gehen durch die Decke – und mit ihnen der Anteil, der am Kreis trotz Finanzierungen aus Berlin und Stuttgart hängen bleibe.

„Ende 2026 sind wir sprichwörtlich auf den Hund gekommen!“ Frank Stephan zur Entwicklung, dass der Kreis seine Rücklagen vollends aufbrauchen und die Liquidität abschmelzen wird.

Es war einmal ein reicher Kreis - zur Finanzkrise der Kommunen hat PZ-Redakteur Alexander Heilemann folgende Meinung:

Die Steuerkraft der Städte und Gemeinden im Enzkreis steigt wie im Vorjahr um rund fünf Prozent. So etwas war mal eine gute Nachricht. Früher. Als es für Landkreise, Städte und Gemeinden noch fette und magere Jahre im Wechsel gab. Als man noch nicht jeden Cent umdrehen musste, wenn es um öffentliche Einrichtungen geht. Oder um Buslinien. Um Schulen und ihre Ausstattung. Die tiefe, tiefe Krise heute ist völlig anders. Sie ist keine Frage der Konjunktur. Kein Wellental, nachdem das nächste Hoch zu erwarten wäre. Nein, die Kommunen stecken in einem tiefen Loch, das die Politik ihnen gegraben hat. Mit immer neuen Aufgaben, mit Versprechungen an Bürger, deren Erfüllung man nach unten abdrückt. In Landratsämter und Rathäuser. Hat ja über viele Jahre irgendwie immer funktioniert. Doch dieses Modell hat ausgedient. Von alleine kommen die Kommunen nicht aus dem Schlamassel hinaus. Wenn selbst der früher wohlhabende Enzkreis nicht mehr weiß, woher er noch Geld nehmen soll, fehlt einem die Fantasie, wie man sich all die Sozialausgaben noch leisten soll, die seit fünf Jahren regelrecht explodieren.