Kommen mehr Zuzahlungen und weniger Kassenleistungen?
Die Ausgaben für die medizinische Versorgung steigen und steigen. Die Regierung will 2026 umfassend gegensteuern. Worauf machen sich die Bürgerinnen und Bürger gefasst und was sollten die Ziele sein?
Die schwarz-rote Koalition will angesichts stark steigender Kosten für die gesetzlichen Krankenkassen im neuen Jahr eine große Reform angehen - erwartet werden davon laut einer Umfrage überwiegend Einschnitte. Höhere Zuzahlungen für Versicherte halten 81 Prozent für wahrscheinlich, wie die Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur ergab. Für unwahrscheinlich halten dies 9 Prozent. Dass Versicherte weniger Leistungen auf Kassenkosten bekommen, sehen demnach 74 Prozent als wahrscheinlich an und 15 Prozent als unwahrscheinlich.
Die Reform soll den zuletzt immer schnelleren Ausgabenanstieg für die Versorgung begrenzen und weitere Beitragsanhebungen vermeiden. Eine Expertenkommission soll bis März Vorschläge zur Stabilisierung ab 2027 vorlegen. Bis Ende 2026 sollen weitergehende Reformvorschläge folgen. Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hatte deutlich gemacht, dass es um mehr Effizienz und Steuerung gehen soll. Alle Einnahmen und Ausgaben sollen auf den Prüfstand. Es werde Veränderungen «für alle» geben, sagte sie.
Mehr Steuergeld eher unwahrscheinlich
Dass der Bund einen höheren Zuschuss aus Steuermitteln für die gesetzlichen Kassen geben wird, halten laut der Umfrage 33 Prozent für wahrscheinlich. Für unwahrscheinlich halten es dagegen 49 Prozent. Weitere 18 Prozent machten hierzu keine Angabe oder antworteten mit «weiß nicht». Strengere Regeln, in welche Arztpraxen man künftig direkt gehen kann, schätzen 60 Prozent als wahrscheinlich ein und 24 Prozent als unwahrscheinlich. Für die repräsentative Umfrage wurden vom 16. bis 18. Dezember 2.123 Personen ab 18 Jahren befragt.
Eine gezieltere Steuerung zu Facharztterminen strebt Warken bereits an. Laut Koalitionsvertrag wollen Union und SPD ein verbindliches «Primärarztsystem» einführen, bei dem Patienten primär in eine Hausarztpraxis gehen, die sie bei Bedarf – mit einem Termin in einem bestimmten Zeitraum – an Fachärztinnen und Fachärzte überweist. Klappt das nicht in einer Praxis, soll man auch zu Fachärzten in Kliniken gehen können. Das soll eine «Termingarantie» darstellen.
Höhere Zuzahlungen für Medikamente?
Neue oder höhere Zahlungen aus eigener Tasche sind auch in der Diskussion. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände schlägt etwa vor, die seit 2004 unveränderten Zuzahlungen zu Medikamenten von mindestens 5 Euro und höchstens 10 Euro anzuheben. Gemäß der Preissteigerung ergäbe sich eine Anhebung der Beträge auf 7,50 Euro und 15 Euro. Im Gespräch ist auch eine Gebühr, wenn man direkt zum Facharzt will. Warken zeigte sich offen für «Steuerungselemente», will aber keine neue allgemeine Praxisgebühr.
Mehr Geld aus dem Bundeshaushalt über den regulären Jahreszuschuss von 14,5 Milliarden Euro hinaus fordern Krankenkassen und andere Verbände seit langem. Die Kassen monieren etwa, dass sie für grundsätzlich gesetzlich versicherte Bürgergeldbezieher zu wenig bekommen - nämlich jährlich zehn Milliarden Euro. Sie ziehen deswegen nun auch gegen den Bund vor Gericht. Zuletzt gab der Bund schon eine extra Finanzspritze, aber nur als Darlehen.
Stabile Beiträge besonders wichtig - aber wie?
Wenn es um Anforderungen an die Reform geht, stehen der Umfrage zufolge stabile Beiträge ganz oben - mögliche Instrumente, um das zu erreichen, sind aber überwiegend unpopulär. Dass die Beiträge nicht weiter steigen dürften, nannten 69 Prozent als besonders wichtig. Dass alle bisherigen Leistungen auf Kassenkosten erhalten bleiben müssten, gaben 65 Prozent der Befragten an. Keine Erhöhungen bei Zuzahlungen nannten 58 Prozent. Keine strengeren Regeln, in welche Praxis man direkt gehen kann, möchten demnach 51 Prozent.
Als kurzfristige Maßnahme zum 1. Januar 2026 brachte Warken in letzter Minute ein Sparpaket durch, dass die Ausgaben vor allem bei den Kliniken um bis zu zwei Milliarden Euro drücken soll. Mehrere Kassen kündigten dennoch höhere Zusatzbeiträge für 2026 an. Hintergrund ist auch, dass Reserven aufgefüllt werden müssen. Insgesamt wird 2026 mit Ausgaben von 370 Milliarden Euro gerechnet, 23 Milliarden mehr als 2025. Für 2027 erwartet die Ministerin dann eine Finanzlücke im zweistelligen Milliardenbereich, die zu schließen sein wird.
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