Künftiger Mühlacker Oberbürgermeister Stephan Retter ist bereit für den Neustart
Mühlacker. Bis zuletzt war es ein spannendes Rennen um den Posten des Oberbürgermeisters im Mühlacker Rathaus. Denn bei der Stichwahl am Sonntag zwischen Paul Renner und Wahlsieger Stephan Retter hat sich erst nach und nach während der Stimmenauszählung eine Tendenz zugunsten des erfahrenen Verwaltungsfachmanns aus Erdmannhausen abgezeichnet. Als etwa die Hälfte der Ergebnisse aus den insgesamt 21 Wahllokalen in der Kernstadt und den Stadtteilen feststand, lag Retter klar in Front und konnte zu guter Letzt 4607 (55,63 Prozent) der 8281 gültigen Stimmen auf sich vereinen, während Renner 3674 Stimmen (44,37 Prozent) holte. Beim Wahlsieger war am Sonntagabend auf alle Fälle Erleichterung zu spüren.
Viele Glückwünsche für Retter
Neben dem Dank für die Unterstützung seiner Frau Sabine und der Kinder („Ihr gebt mir Kraft und seid die wahren Helden, die hinter mir stehen“) machte Stephan Retter deutlich, dass er als neuer OB auch all jene überzeugen wolle, die ihn nicht gewählt haben. Groß gefeiert wurde am Wahlabend nicht. Am Montag war Retter stundenlang damit beschäftigt, Glückwünsche entgegenzunehmen und Nachrichten zu beantworten. Und welcher Aspekt hat seiner Meinung nach die Wahl entschieden? „Dass ich im Wahlkampf meiner Linie, meinem Programm treu geblieben bin und gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern mit klarer Offenheit meine Einschätzung der Lage in Mühlacker vertreten habe“, betont Retter auf PZ-Nachfrage.
Zweifel seien bei ihm nie aufgekommen, weil er von einem erfahrenen Wahlbeobachter aus Mühlacker unterstützt worden sei. Dieser habe schon das Resultat im ersten Wahlgang recht präzise vorhergesagt. Alle Beteiligten müssten jetzt das Ergebnis sacken lassen, um dann – wenn etwas Zeit vergangen sei – bei einem Neustart gemeinsam zu schauen, was man für die Stadt tun könne. „Ich gehe offen auf alle Ratsfraktionen zu, stelle mich als Person zurück und dafür Mühlacker in den Mittelpunkt“, kündigt Retter an. Auch habe er Paul Renner bereits Zusammenarbeit angeboten, um Mühlacker voranzubringen. Wenn Stephan Retter im Januar als OB die Amtsgeschäfte übernimmt, will er zunächst die Strukturen in der Stadtverwaltung unter die Lupe nehmen und schauen, wo es Optimierungsbedarf gibt. In einem weiteren Schritt, sagt er, gehe es darum, die Finanzlage der Stadt mithilfe einer Haushaltsstrukturkommission genauer zu prüfen.
Aus seiner Enttäuschung über die Wahlniederlage macht Paul Renner keinen Hehl. „Nach so vielen intensiven Monaten, unzähligen Gesprächen und großem Engagement vieler Menschen, schmerzt das Ergebnis zunächst“, räumt der 32-Jährige auf Nachfrage ein. Er respektiere aber das Votum und sei seiner Wählerschaft und seinem Wahlkampfteam überaus dankbar. „Ich denke, am Ende wollte die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler eher ein ‚Weiter so‘ – mit den gleichen Strukturen und Menschen, die im Hintergrund seit Jahren die Fäden ziehen“, bilanziert Renner. Auch die geringe Wahlbeteiligung bei der Stichwahl sieht er als Baustein für seine Niederlage. „Ich werde damit professionell umgehen und mich weiter mit Leidenschaft für meine Heimatstadt einsetzen“, versichert er. Im Gemeinderat habe er zuletzt aber genau beobachtet, wer aufrichtig und ehrlich ihm gegenüber agiert habe, und wer nicht. Es tue weh, dass Vertrauen enttäuscht worden sei. Im künftigen Umgang miteinander werde das Konsequenzen nach sich ziehen, kündigt Renner an.
Unterschiedlich fallen derweil die Reaktionen in den Ratsfraktionen aus. „Wir sind froh über diese Wahlentscheidung. Durch die Erfahrung, die Stephan Retter auch als Finanzfachmann mitbringt, ist er der richtige Mann, um Mühlacker aus der Bredouille zu helfen. Und er hat uns im Wahlkampf mit Versprechungen verschont“, sagt Rolf Leo, Fraktionschef der Freien Wähler, die mit CDU und FDP den 49-Jährigen vor der Stichwahl unterstützt haben.
Respekt für beide Kandidaten
„Ich bin froh, dass es so gekommen ist, habe aber auch Respekt vor der Leistung beider Kandidaten“, äußert sich FDP-Sprecherin Natascha Blattner. „Ich erwarte nun vom Wahlsieger, dass er es schafft, den Gemeinderat mitzunehmen und die gesteckten Ziele auch erreicht.“ Freude über den Wahlausgang herrscht auch in der CDU-Fraktion. „Mit seiner fachlichen Qualifikation und als parteiloser, unabhängiger Kandidat ist Stephan Retter für uns der richtige Mann an der Rathausspitze“, betont CDU-Sprecher Günter Bächle. „Ich gehe davon aus, dass er die Ideen und Konzepte, die er angekündigt hat, auch umsetzen wird.“
Im Lager der SPD- und LMU-Fraktionen, die Paul Renner den Rücken gestärkt hatten, ist kurz nach dem Votum Ernüchterung eingekehrt. „Wir akzeptieren die demokratische Wahlentscheidung und wollen jetzt nicht Trübsal blasen. Es gibt eine Basis, um mit dem neuen OB zusammenzuarbeiten – eine Vertrauensbasis muss sich noch entwickeln“, sagt Jürgen Metzger, stellvertretender SPD-Fraktionschef.
„Wir hatten zwar auf ein anderes Ergebnis gehofft. Jammern hilft aber nicht. Jetzt gilt es, das Beste aus der Situation zu machen und bestmöglich zusammenzuarbeiten“, sagt LMU-Sprecher Klemens Köberle und ergänzt: „In Mühlacker gibt es viele Probleme zu lösen. Da müssen wir uns alle zusammenraufen.“
Stimmen aus der Bundes- und Landespolitik
„Mühlacker hat sich entschieden, ich wünsche der Stadt, dass es vorwärts geht. Ich hätte mir allerdings eine höhere Wahlbeteiligung gewünscht“, sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete Katja Mast.
Paul Renner habe „einen super Wahlkampf“ gemacht und nicht taktiert, merkte Mast an. „Ich bin überzeugt, dass Herr Retter ein hervorragender Oberbürgermeister von Mühlacker wird“, sagte CDU-Bundestagsabgeordneter Gunther Krichbaum. „Es war ein erwartbares Ergebnis und ist ein klarer Auftrag für Herrn Retter“, betonte der FDP-Landtagsabgeordnete Erik Schweickert. „Wir sind enttäuscht, denn ich hätte mir für Mühlacker jungen frischen Wind gewünscht“, sagte die Mühlacker LMU-Stadträtin und Landtagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Stefanie Seemann.