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Enzkreis -  04.04.2019
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„Lawine losgetreten“: Angeklagter gesteht Betrug

Pforzheim/Enzkreis. Ein Angeklagter aus dem Enzkreis muss sich wegen Betrugs verantworten. Der Prozess offenbart: Er ist kein typischer Betrüger.

Foto: Symbolbild dpa

„Leider kann ich die Zeit nicht mehr zurückdrehen“, beteuerte der Angeklagte. Vor dem Pforzheimer Amtsgericht wurde am Donnerstag der Prozess gegen zwei mutmaßliche Betrüger aus dem Enzkreis fortgesetzt. Über zwei Internetseiten soll der Hauptangeklagte mit hohen Renditen gelockt und dadurch rund 600.000 Euro erschlichen haben (die PZ berichtete). Während sich der 46-jährige Hauptangeklagte und sein 71-jähriger Vater am ersten Verhandlungstag mit Aussagen zurückhielten, legten nun beide ein Geständnis ab. Dabei wurde das Verfahren gegen den 71-jährigen Vater eingestellt.

Auf die Frage von Richter Udo Pawlischta nach den genauen Beweggründen musste der 46-Jährige weit ausholen. Seit Mitte der 1990er-Jahre ist er als Selbstständiger im Computer-Bereich tätig. Dabei habe er in einem ersten Projekt versucht, Kunden mit Gutscheinen zu locken. Richter Pawlischta wunderte sich, ob der enormen Gutscheinhöhe von 470.000 Euro. „Dadurch habe ich eine Lawine losgetreten, da ich nicht alle Kunden ausbezahlen konnte“, so der Angeklagte. Zwar konnte er vor sechs Jahren im Adressenverkauf einen Gewinn von 100.000 Euro erwirtschaften, doch danach gingen die Zahlen abrupt nach unten. „Ziel war es, in das Unternehmen zu investieren, und deshalb bin ich auf die Möglichkeit von Privatanleihen gestoßen“, erklärte er. „Ich habe mir erhofft, mit dem Unternehmensgewinn die Zinsen an die Anleger zu bezahlen“, fügte er an.

Allerdings blieben die Gewinne aus. Deshalb habe er sogar sein Haus verkaufen müssen. Anschließend gründete er eine Kapitalgesellschaft und setzte seinen Vater als Geschäftsführer ein. „Wir hatten den Verdacht auf eine Scheinfirma“, so die ermittelnde Polizistin. Sie berichtete, dass der Beschuldigte in seinen Angeboten mit einer Geschäftsrentabilität von 26 Prozent warb. „Allerdings war es unmöglich mit seinem Unternehmen, die monatlichen Zinsen von rund 7000 Euro zu bezahlen“, stellte sie klar. Anhand einer Geldflussanalyse konnten die Ermittler erkennen, dass der Hauptangeklagte das Geld benutzte, um Rechnungen oder Anleger zu bezahlen. Insgesamt 137.000 wurden zurückbezahlt. „Es handelt sich nicht um den typischen Betrüger, der sich mit dem Geld Luxus finanziert“, legte die Polizistin offen. Richter Pawlischta sprach von einer hanebüchenen Buchhaltung. Wann der Prozess fortgeführt wird, ist derzeit noch offen.

Autor: Stefan Meister