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Remchingen -  20.11.2018
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Leiterin des Sperlingshofs in Remchingen geht in den Ruhestand

Remchingen. Nach fast zwei Jahrzehnten am Remchinger Sperlingshof heißt es Abschied nehmen für Beate Deidesheimer: Die Leiterin des Heilpädagogischen Kinder- und Jugendhilfezentrums wird sich am Freitag mit einem lachenden, aber auch etwas weinenden Auge von einem wichtigen Teil ihres Lebens in den Ruhestand verabschieden.

Dabei wollte sie als Kind immer Försterin werden, das Studieren war ihr damals jedoch nicht möglich: „Schon gar nicht in der Forstwirtschaft, also habe ich mehr und mehr meine Berufung in der Jugendhilfe gefunden“, erklärt die heute 63-Jährige, der es stets am Herzen lag, dass Jugendhilfe nicht länger ein Schattendasein in der Gesellschaft führt.

Beate Deidesheimer aus Neustadt an der Weinstraße leitete als staatlich anerkannte Erzieherin zunächst eine Kindergartengruppe gehörbehinderter Kinder, dann absolvierte sie berufsbegleitend die Ausbildung zur staatlich anerkannten Heilpädagogin, später über den zweiten Bildungsweg erfolgreich das Studium als Sozialwirtin und Pädagogin in Hamburg sowie eine Ausbildung zur individualpsychologischen Beratung und Therapie. Dann arbeitete sie in der Beratung und der ambulanten Hilfe zur Erziehung bei einem Hamburger Jugendhilfeträger, bevor sie 1999 als pädagogische Leitung und stellvertretende Heimleitung an den Sperlingshof kam. In einer äußerst turbulenten Zeit übernahm sie dort im Februar 2007 die Gesamtleitung: Ihr Vorgänger wurde verurteilt wegen des Vorwurfs von sexuellem Missbrauch von Jugendlichen und Schutzbefohlenen in seiner Privatwohnung. „Unser Ruf war am Boden und wir waren wirtschaftlich fast am Ende“, erinnert sich Deidesheimer. Mit der Bereichs- und Gesamtleitung hat sie über viele Jahre ganz bewusst zwei Jobs und zahlreiche Überstunden auf sich genommen, um wieder einen roten Faden reinzubringen.

Den Schlüssel zum Erfolg sah sie in ihren psychotraumatologischen und traumapädagogischen Qualifikationen: „Die meisten unserer Kinder sind nicht schwer erziehbar – sondern psychotraumatisiert. Oft haben sie einmal im Leben eine Situation erlebt, die ein Ohnmachtsgefühl in ihnen ausgelöst hat. Das zieht subjektive Angstsituationen nach sich, die nichts mit der Realität zu tun haben, aber die Kinder aggressiv machen.“

Mit dem „Konzept des sicheren Ortes“ für die 65 im Sperlingshof untergebrachten Jungs sorgte das rund 120-köpfige Mitarbeiterteam unter ihrer Leitung für eine Professionalisierung. Neben den jungen Bewohnern, dem Team und ihrem Stellvertreter Raimund Schmidt sowie der Kinderfreundgesellschaft als Trägerverein dankt sie am Ende auch vielen Freunden und Förderern: „Ich wünsche mir, dass der Sperlingshof ein sicherer Ort bleibt für alle, die dort leben und arbeiten sowie eine lebendige, sich immer weiter entwickelnde Einrichtung.“

So gehörte die Realisierung der hofeigenen Schule zu den letzten großen Bausteinen ihrer beruflichen Arbeit, die sie damit nun ganz bewusst beendet – um Zeit für Neues zu haben, das ansteht: „Ich möchte Kunstgeschichte studieren, Supervision anbieten und weiter teilhaben am Leben, allerdings nicht mehr so getaktet.“

Autor: Julian Zachmann