Gemeinden der Region
Enzkreis -  21.05.2020
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Liga der freien Wohlfahrtsverbände sieht sozialen Frieden in Pforzheim und der Region gefährdet

Pforzheim. Hinter den Kulissen würden vor dem Hintergrund der Corona-Krise Einsparpakete geschnürt, die das Aus für eine ganze Reihe von sozialen Aufgaben bedeuten würden. Das erklärte Caritasdirektor Frank Johannes Lemke als Vorsitzender der Liga der freien Wohlfahrtsverbände in Pforzheim und im Enzkreis beim Pressegespräch am Mittwoch. Daran lässt auch Liga-Vorstandsmitglied und Geschäftsführer von Plan B, Harald Stickel, keinen Zweifel.

Beide Organisationen vertreten Menschen, die etwa aufgrund von Sucht oder psychischen Erkrankungen auf Hilfe angewiesen und durch die Corona-Krise zusätzlich gezeichnet sind. Deshalb sucht die Liga Verbündete für die zu erwartenden Auseinandersetzungen um die knapper werdenden finanziellen Ressourcen. Es geht laut Lemke um einen Schulterschluss, damit soziale Strukturen erhalten werden können und einen gesellschaftlichen Konsens in der Kommune und Region hergestellt werden könne. Einem ersten Gespräch mit den Gemeinderatsfraktionen bereits vor dem Lockdown soll nun im Juni ein zweiter Runder Tisch folgen. Deutliche Kritik übt die Liga am Sozialdezernenten Frank Fillbrunn. „Die Sozialpolitik geht am Rathaus vorbei“, sagt Lemke. Es gebe keinerlei Rückmeldung über mögliche Kürzungen, die 2021 anstehen könnten. Anders der Enzkreis, der Kontakt zu den Wohlfahrtsverbänden halte.

"Die Sozialpolitik geht am Rathaus vorbei.“

Caritasdirektor Frank Johannes Lemke

Christoph Zastrow von der Diakonie Enzkreis schildert die katastrophalen Folgen für eine Klientin, die durch die Corona-Krise ihrer Arbeit in einer Kantine bei miteinanderleben nicht mehr nachgehen könne. Würde ihre Betreuung durch den sozialpsychiatrischen Dienst wegfallen, müsste die Frau schlimmstenfalls stationär in die Psychiatrie eingewiesen werden.

Unverzichtbarer sozialer Dienst

Ein Beispiel von vielen, wo Träger wie das Familienzentrum Oststadt etwa Essen und Freizeitprogramme für Kinder und Sprachkurse für Mütter bereithielten und damit einen unverzichtbaren sozialen Dienst leisteten. Daran erinnerte Manuela Bitzer, Geschäftsführerin der AWO. Wie groß die psychische Not in der Bevölkerung ist, weiß Herbert Mann, verantwortlich für den Rettungsdienst beim DRK Pforzheim-Enzkreis. Die Quote derer, die einen Hilferuf absetzten, obwohl sie medizinisch gesund seien, habe durch die Corona-Pandemie um 20 Prozent zugenommen.

Und auch den Langzeitarbeitslosen, die Ute Hötzer vom Paritätischen und Geschäftsführerin von Q-Prints, in ihren Projekten wie dem „Goldenen Anker“ qualifiziert, ist durch die Pandemie der Halt genommen worden. Sie bräuchten mehr denn je Begleitung und eine Perspektive. Diakonie-Chefin Sabine Jost sorgt sich um die Kinder armer Familien, die in evangelischen Kitas untergebracht seien und über das Bundesteilhabegesetz Zuwendungen bekämen. Momentan seien nur 33 dieser Kinder in der Notbetreuung. Wie es den restlichen 207 Familien gehe, sei unklar. Die Liga Baden-Württemberg hat sich unterdessen sowohl an das Arbeitsministerium des Landes, an den Städte- und Gemeindetag sowie an den Kommunalverband für Jugend und Soziales gewandt, um auf drohende Finanzierungslücken im sozialen Bereich aufmerksam zu machen.

Autor: Martina Schaefer