„Linkshänder sind besonders“: Warum sie es aber im Alltag nicht immer leicht haben
Deutschland. Dean R. Campbell war Linkshänder. Mit viel Leidenschaft. Denn 1976 rief der US-Soldat den Linkshändertag ins Leben, der seither am 13. August weltweit gefeiert wird. Er wollte damit auf die Herausforderungen für seinesgleichen in einer rechtshändigen Welt hinweisen. Früher als Teufelshand geschmäht, wurden linkshändige Schüler unter Schlägen mit dem Stock umerzogen. Diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei. Dennoch haben es Linkshänder im Alltag auch heute nicht immer leicht, weiß der Neurowissenschaftler Joachim Hermsdörfer. Wenn auch nicht aus Erfahrung. Er ist Rechtshänder. Aber der Professor an der Technischen Universität München forscht zum Thema Linkshändigkeit. Die PZ hat mit ihm gesprochen.

PZ: Kommt der Mensch beidhändig gleich begabt zur Welt?
Joachim Hermsdörfer: Vermutlich nicht. Nach wie vor ist es nicht hundertprozentig geklärt, ob die Händigkeit einen genetischen Ursprung. Aber ziemlich sicher spielt die Genetik zumindest eine große Rolle dabei, was bedeutet, dass es gewissermaßen schon von Anfang an eine gewisse Tendenz gibt. Aber sicher spielen auch Umweltfaktoren mit hinein.
Ist die Händigkeit erblich?
Ja. Aber es ist keine hundertprozentige Vererbung. Zum Beispiel haben eineiige Zwillinge nicht automatisch dieselbe Händigkeit, aber eben relativ häufig im Vergleich zu zweieiigen Zwillingen oder Geschwistern.
In welchem Lebensalter bildet sich die Händigkeit aus?
Dann, wenn das Kind anfängt, wirklich viel mit den Händen zu machen, also nach etwa eineinhalb Jahren. Das kann aber auch sehr unterschiedlich sein. Spätestens im Alter von drei Jahren steht die Händigkeit fest.
Warum gibt es so wenige Linkshänder?
Es gibt eine Theorie dazu, die genetische Zusammenhänge dahinter vermutet, die es so einrichten, dass nur ein Zehntel der Menschen dann wirklich zu Linkshändern werden.
Kann ich als Rechtshänder beidseitig gleichwertig werden?
Ja, das können Sie, zumindest für bestimmte Tätigkeiten. Händigkeit ist immer stark gebrauchsgebunden: Ein Rechtshänder macht alles mit rechts, fühlt sich mit dieser Seite besser und macht deshalb auch so weiter. Aber Sie können die nicht dominante Hand so weit trainieren, dass sie auch spitzenmäßig funktioniert.
Wie lange dauert das?
Das hängt von der Tätigkeit ab. Wenn es nur darum geht, ein Glas zu greifen, sind wir links und rechts gleich gut. Wenn es aber etwa ums Musizieren oder Schreiben geht, dann hat man fast keine Chance. Bei Tätigkeiten, die auch beim normalen Lernen schon extrem kompliziert sind und viel Übung erfordern, wird es schwierig. Zumal dann, wenn man vielleicht sogar noch jung sein muss, um sie beherrschen zu können.
Warum fällt das so schwer?
In jungen Jahren ist das Nervensystem formbar. Es hat viel Kompetenz, sich auf etwas einzustellen und zum Beispiel auf allen Ebenen des Körpers die entsprechenden Muskeln anzusteuern. Im Alterungsprozess wird das schon schwieriger. Die Flexibilität des Gehirns lahmt etwas. Neuroplastizität ist das große Zauberwort. Im Erwachsenenalter mit der anderen Hand Schreiben oder Musizieren lernen zu können, würde ich aber dennoch nichtkomplett ausschließen. Es ist eben nur sehr, sehr schwierig.
Ist es medizinisch sinnvoll, beidhändig zu sein?
Im praktischen Leben kann das durchaus Vorteile haben, aber medizinisch gesehen ist es meiner Meinung nach für das Gehirn nicht nötig. Denn es ist ja nicht so, dass die Händigkeit nur die gegenüberliegende Gehirnhälfte aktiviert. Die motorischen Bahnen kreuzen, ja. Aber bevor die Motorik kommt, muss im Gehirn noch ziemlich viel passieren – und das dann eben im gesamten Organ.
Wahrheit oder Legende: Linkshänder sind intelligenter?
Legende. Aber Linkshänder sind schon ein bisschen besonders. Einfach durch ihre Situation, dass sie viele Alltagsaufgaben anders bewältigen müssen, weil die Umwelt auf Rechtshänder ausgelegt ist. Das Problem mit der berühmten Schere ist kein Klischee.
Ein PZ-Persönlich von PZ-Redakteurin Catherina Arndt: Ein Leben lang angepasst
Linkshänder sein bedeutet auch, eine gewisse Anpassungsfähigkeit in die Wiege gelegt zu bekommen. Die Welt ist nämlich einfach nicht für uns gemacht. Zwar wird heute niemand mehr für das Schreiben mit links bestraft. Trotzdem muss man immer noch oft mit rechts Hand anlegen. Das fängt an mit den Bastelscheren im Kindergarten – die es oft nur für Rechtshänder gibt. Wenn im Unterricht der Füller rauskommt, endet das mit verschmierten Händen. Bei Kameras ist der Auslöser immer auf der rechten Seite, beim Gitarrespielen muss man sich verkrampfen und ich habe noch nie in meinem Leben erfolgreich einen Dosenöffner benutzt. Dafür ist man als Linksfuß zum Beispiel im Fußball besonders begehrt. Außerdem gelten Linkshänder als kreativer. In Spiegelschrift schreiben? Ein netter Trick – und meine leichteste Übung. So vereint man das beste beider Seiten: Die erlernten Rechtshänder-Fähigkeiten und die angeborenen Linkshänder-Eigenschaften. Das ist zwar kein Klacks – aber das machen wir mit links!
Ein PZ-Persönlich von PZ-Redakteurin Petra Joos: Alltag mit links? Keine Chance!
Der Tag müsste mindestens doppelt so lange sein, würde ich meinen Alltag nicht mehr mit der rechten Hand bewältigen. Denn mit links kann ich problemlos eigentlich nur telefonieren, ein Glas halten und den Schlüsselbund in die Tasche stecken. Schon alleine mit den linken Fingern zu wählen, mit der linken Hand einzuschenken oder gar eine Tür aufzuschließen überfordert meine motorischen und logischen Fähigkeiten.
Es ist nicht nur ein Graus, wie untalentiert meine linke Seite ist, sondern eigentlich richtiggehend peinlich. Ich habe mal versucht, einen Tag mit links zu meistern. Es war eine Katastrophe: Nach dem Zähneputzen sah ich aus wie eine Zweijährige, bei der Arbeit am Computer kam ich nicht voran, weil es ewig dauerte, mit der linken Hand den Cursor an Ort und Stelle zu bringen. Und nach dem abendlichen Kochen sah der Herd aus! Von meiner Laune ganz zu schweigen.
Es ist für alle meine Mitmenschen besser, wenn ich bleibe, was ich bin: Eine eingefleischte Rechtshänderin.
Berühmte Linkshänder
Kunst: Michelangelo, Pablo Picasso, Adolf von Menzel, Albrecht Dürer, Peter Paul Rubens und Leonardo da Vinci
Musik: Jimi Hendrix, Bob Dylan und Paul McCartney
Schauspiel: Marilyn Monroe, Robert Redford, Charlie Chaplin
Geistes- und Naturwissenschaften: Friedrich Nietzsche, Hans Christian Andersen, Iwan Pawlow, Albert Einstein und Lewis Carroll
Politik: Napoleon Bonaparte, Gajus Julius Caesar, Alexander der Große, Königin Elizabeth II.