Lokalpolitik braucht Frauen: Workshop für Gemeinderätinnen im Landratsamt
Pforzheim/Enzkreis. Wie gießt man eigene Ideen in Anträge? Wann ist der richtige Zeitpunkt, um sie zu stellen? Wie verhandelt man Kompromisse über Fraktionsgrenzen hinweg? Wie gewinnt man Verbündete? Diese und etliche weitere Fragen hat ein Seminar beantwortet, das die Gleichstellungsbeauftragten des Enzkreises und der Stadt Pforzheim ausgerichtet haben. Ein Seminar, das sich unter dem Titel „How to Gemeinderätin/Kreisrätin?“ an Frauen in kommunalpolitischen Ämtern gerichtet hat.

Als Teil der Reihe „Mitmischen, Einmischen, Aufmischen“ geht es laut Ankündigung um „praktisch nützlichen Input insbesondere für neugewählte Mandatsträgerinnen auf kommunaler Ebene, um das eigene politische Engagement wirkungsvoller zu gestalten“. Rund 25 Gemeinde- und Kreisrätinnen haben sich im Vorfeld angemeldet: für Referentin Dagmar Wirtz „eine absolut großartige“ Resonanz. Die Politikwissenschaftlerin, Soziologin und systemische Moderatorin ist mit ihrer Expertise in ganz Baden-Württemberg gefragt. Sie weiß, dass es für kommunalpolitisch aktive Männer bereits viele Orte des Austauschs gibt, für Frauen jedoch nicht. Im Sitzungssaal des Landratsamts bezieht sie die Teilnehmerinnen aktiv ein.
Große Verantwortung
Zu ihnen gehört auch Rita Talmon, die seit 2019 für die Grünen im Kreistag sitzt und für die Menschen im Kreis eine Vermittlerin sein will. Talmon findet es wichtig, immer auf dem neuesten Stand zu sein. Und betont, dass sie sich der großen Verantwortung bewusst sei, die sie als Kreisrätin trägt. Talmon ist froh, dass der Frauenanteil in den Gemeinderäten bei den jüngsten Wahlen gestiegen, aber im Kreistag gefallen ist.
„Das hindert uns aber nicht daran, uns umso stärker einzubringen.“
Das will auch ihre Fraktionskollegin Christine Fischer, die in Kämpfelbach bereits seit 2014 Gemeinderätin der Liste Mensch und Umwelt (MuM) ist und im Sommer zum ersten Mal in den Kreistag gewählt wurde. Dort liegen ihr Solidarität und Gerechtigkeit am Herzen. Wobei sie damit auch Geschlechtergerechtigkeit und die Rechte der Frauen meint. Am Seminar nimmt Fischer teil, um sich zu vernetzen und etwas zu lernen, etwa über die Möglichkeiten der Mitwirkung, über die Zuständigkeiten und Aufgaben des Kreises. Auch Jessica Rapp hofft, viel Neues zu lernen und über Parteigrenzen hinweg Kontakte zu anderen Frauen zu knüpfen, die sich in der Kommunalpolitik einbringen. Dabei denkt sie auch an erfahrene Kreisrätinnen, die viel wertvolles Wissen weitergeben können.
Rapp sitzt seit der Wahl für die CDU im Birkenfelder Gemeinderat und hat davor an dem Mentoring-Programm teilgenommen, das die Gleichstellungsbeauftragten der Stadt und des Enzkreises für potenzielle Kandidatinnen angeboten haben. Auch Imke Querengässer ist neu im Gemeinderat, allerdings in Königsbach-Stein, wo sie mit der neu gegründeten Bürgerliste im Sommer zusammen mit drei Mitstreitern aus dem Stand den Einzug ins Gremium geschafft hat. Am Seminar nimmt sie teil, weil sie jede Gelegenheit nutzen will, um sich über Vorgehensweisen zu informieren.
Das Programm findet sie „sehr interessant“. Allerdings versteht Querengässer nicht, warum bei dem Seminar nur Frauen erlaubt sind. Sie weiß aus ihrer Fraktion, dass ihre drei männlichen Kollegen auch gerne daran teilgenommen hätten. Nach der Begrüßung geht das Seminar in eine interne Arbeitsgruppe über, bei der die Öffentlichkeit ausgeklammert wird.
Zwei Fragen an Kinga Golomb, Gleichstellungsbeauftragte
Warum braucht es Veranstaltungen wie den Workshop „How to Gemeinderätin“?
Die Politik auf jeglicher Ebene ist nach wie vor durch Männer geprägt. Damit gelten auch Strukturen und „Spielregeln“, die von Männern ausgehandelt werden. Frauen handeln politisch manchmal anders und müssen sich im großen Handlungsfeld „Politik“ anpassen, um erfolgreich teilhaben zu können. Mit dem Seminar-Format „How to Gemeinderätin/Kreisrätin“ sollen Frauen Möglichkeiten und Wege aufgezeigt werden, wie sie erfolgreich politisch partizipieren und ihren eigenen Stil finden können. Im konkreten Beispiel zum Thema „Mehrheiten gewinnen“ geht es um klassische Vernetzungsarbeit, die etwa von Männern in verschiedensten Männerbünden schon seit Jahrhunderten gepflegt wird. Dadurch, dass das Leben von Frauen Jahrhunderte lang im Privaten stattfand und nicht im öffentlichen Raum, geht ihnen das Netzwerken nicht immer so leicht von der Hand.
Was muss sich ändern, damit mehr Frauen den Schritt in die Kommunalpolitik wagen?
Wichtig ist es, dass wir anerkennen, dass Frauen politisch partizipieren müssen. Es braucht gute weibliche Vorbilder in der Politik, eine offene Parteienlandschaft, eine bessere Vereinbarkeit im Lebensalltag von Frauen, eine gerechtere Verteilung der Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern und nicht zuletzt braucht es auch Quoten, um die politische Teilhabe von Frauen zu erhöhen. Auch die Flexibilisierung von Sitzungsterminen oder Kinderbetreuung während der Gremienarbeit wäre eine Möglichkeit. Es braucht aber auch eine Wählerschaft, die ganz bewusst Frauen wählt.