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Stuttgart -  18.06.2024
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„Man hat eine besondere Energie gespürt“: EM-Stadionsprecher Jens Zimmermann über seinen ersten Einsatz in Stuttgart

Stuttgart. Er ist die Stuttgarter Stimme bei der Fußball-Europameisterschaft: Jens Zimmermann. Der Moderator ist bei den fünf Spielen im Neckarstadion der Stadionsprecher. Im PZ-Interview gibt der gebürtige Freudenstädter Einblicke in seine Arbeit.

Jens Zimmermann macht während der Europameisterschaft die Ansagen im Stuttgarter Stadion.
Jens Zimmermann macht während der Europameisterschaft die Ansagen im Stuttgarter Stadion. Foto: 24passion/Tom Weller

PZ: Herr Zimmermann, am Sonntag war ja Ihr erster Einsatz mit Slowenien gegen Dänemark. Was ist Ihnen da Besonderes in Erinnerung geblieben?

Jens Zimmermann: Es ist was ganz Witziges passiert. SWR 1 hatte gefragt, ob sie einen kurzen Live-O-Ton machen können während des Spiels. Was ja beim Fußball grundsätzlich kein Problem ist, weil da nicht so viel passiert wie beispielsweise beim Handball. Außer bei einem Tor oder einer Auswechslung, dann müsste man kurz unterbrechen, aber das ist jetzt kein Ding für mich als erfahrenen Moderator. Als ich das am Nachmittag noch mit dem Moderator Matthias Sziedat abgestimmt habe, sagte ich noch: Ja gut, wenn der Christian Eriksen dann in der 15. Minute das 1:0 erzielt, dann müssen wir kurz unterbrechen. Und was passiert? Wir haben gerade angefangen mit dem Interview und Eriksen erzielt das 1:0. Das war schon echt total witzig. Die SWR-1-Hörer haben es dann live gehört, wie ich das Tor angesagt habe und den Spielstand, dann haben wir das Interview fortgeführt.

Wie haben Sie die Atmosphäre erlebt?

Man hat gemerkt, dass einfach eine sehr, sehr große Vorfreude herrschte hier in der Stadt. Und das hat sich schon gleich am Morgen auch bewahrheitet als schon ganz viele Fans bereits sieben Stunden vor Anpfiff am Stadion waren. Wir müssen in der Entertainment-Crew immer sieben Stunden vorher da sein und da gab’s tatsächlich schon bestimmt 100 slowenische und dänische Fans, die schon vor dem Stadion waren. Also die Freude war riesig und die Unterstützung im Stadion durch die Zuschauerinnen und Zuschauer von Dänemark und Slowenien war einfach grandios. Man hat wirklich eine besondere Energie gespürt.

Welchen Stellenwert hat so eine EM im eigenen Land für Sie?

Es geht nichts über Olympische Spiele, das muss man ganz klar sagen, weil das ist in meinem Job einfach die Krönung, Olympische Spiele zu begleiten. Ich war schon von klein auf ein großer Fan der Olympischen Bewegung und als ich 2010 in Vancouver zum ersten Mal dabei sein durfte, hat sich ein Lebenstraum verwirklicht. Der Nächste geht diesen Sommer in Erfüllung, weil ich zum ersten Mal auch bei Sommerspielen mit dabei sein darf. Nach dreimal Winterspielen also meine insgesamt vierten Olympischen Spiele und das steht über allem. Fußball hat einen unfassbaren Stellenwert, das habe ich gemerkt, als bekannt wurde, dass ich hier der Stadionsprecher bin. Ich habe noch nie so viele Reaktionen von Freunden, Bekannten oder auch Partnern bekommen, die sich mit mir gefreut haben und mir viel Glück gewünscht haben. Selbst als in der Vergangenheit bekannt wurde, dass ich bei den Olympischen Spielen dabei bin, war die Wirkung auf die Leute nicht so groß wie jetzt beim Fußball. Klar ist es was besonders, vor 54 000 Zuschauern zu sprechen. Das waren jetzt so viele, wie ich noch nie hatte. Mein Zuschauerrekord führte vom 10. Januar dieses Jahres, als die Handball-Europameisterschaft das erste Spiel in Düsseldorf mit 53 500 Zuschauenden hatte. Das wurde jetzt gerade ein halbes Jahr später wieder geknackt. Von daher ist es auf jeden Fall was Besonderes. Dazu noch in der Stadt, in der ich lebe. Mit der U-Bahn zum Großereignis zufahren und dann dort tätig zu sein, ist schon was Besonderes.

Haben Sie noch Lampenfieber?

Also ganz grundsätzlich gilt, wenn man gut vorbereitet ist, dann muss man nicht so aufgeregt sein. Das kennt jeder noch von seiner Schulzeit, wenn er viel gelernt hat und gut vorbereitet war, dann ist er weniger nervös, was einen jetzt bei der Arbeit oder Prüfung erwartet. Das gilt für viele Bereiche im Leben. Das gilt selbstverständlich auch für den Moderator, wenn er gut vorbereitet ist, dann kann weniger passieren. Ich habe immer den Anspruch so gut wie möglich meinen Job zu machen, damit alle zufrieden sind, ob da jetzt 54 000 oder 2000 Zuschauer sind. Auch die 2000 haben es verdient, dass ich meinen Job so gut wie möglich mache. Und tatsächlich ist meine Nervosität höher, wenn beispielsweise nur 100 Leute da sind, weil die direkt auch reagieren können auf das, was ich tue. Du musst noch mehr versuchen, dass dann auch der Funke überspringt. Beim Anfangsstatement, passt die Anekdote, die du am Anfang erzählst, oder der Witz, den du machst? Da spüre ich dann die Reaktion der Zuschauer viel leichter. Das ist natürlich bei einer Masse von 54 000 bei weitem nicht der Fall. Es sei denn, du würdest mal bei irgendwas völlig daneben liegen und kriegst dann ein Pfeifkonzert. Aber das ist mir bislang zum Glück noch nicht passiert.

Wie sieht denn die Vorbereitung auf ein EM-Spiel aus?

Man beschäftigt sich mit beiden Teams, über die Historie bei Europameisterschaften, sonstige Erfolge der jeweiligen Nationalmannschaft und mit der Aussprache der Namen der Spieler. Bei den Dänen zum Beispiel haben sich viele Namen ein bisschen eingeschlichen, die aber eigentlich auf Dänisch ganz anders ausgesprochen werden. Ein gutes Beispiel ist bei Jonas Wind. Bei den Dänen ist bei den Namen das D am Ende stumm. Also wird er Win ausgesprochen – wir kennen den Namen von den Bundesliga-Übertragungen aber als Wind. Das sind so Feinheiten, die muss man sich erarbeiten. Claudia Neumann hat es beispielsweise bei der Fernsehübertragung am Sonntag genauso verwendet und auch es da noch mal erklärt. Wir versuchen immer, so nah wie möglich an die Originalaussprache der Namen heranzukommen. Da gebührt einfach der Respekt vor der jeweiligen Person, dass man den Namen auch richtig ausspricht. Wir haben von Uefa einen Link bekommen, wo die Teammanager des jeweiligen Verbandes die Kaderliste in der richtigen Aussprache einmal eingesprochen haben. Und das hören wir uns dann vor den Spielen immer an und schreiben uns die Lautsprache auf. Dann sollte da nichts passieren. Das ist die Kernvorbereitung. Ansonsten verinnerlicht man den Ablaufplan, was kommt als Nächstes für ein Punkt und wie moderiere ich den jetzt vielleicht an.

Wie lange dauert dann die Vorbereitung auf ein einzelnes Spiel?

Wir haben ja diese umfangreiche Vorlaufzeit. Zusätzlich gab es am Samstag noch eine Generalprobe. Ansonsten in Heimarbeit, was die Informationen über die Teams anbelangt zwei Stunden. So viel Zeit bleibt einem als Moderator während des Events auch nicht, denn beim Fußball ist doch alles sehr durchgetaktet, auch im Vorprogramm. Aber ich sage gerne: Haben ist besser als brauchen. Von daher bereite ich mich lieber intensiver vor, als dass man nachher etwas zu wenig hat.

Wie durchgetaktet ist der Ablauf?

Es ist auf die Sekunde genau durchgetaktet. Aber es gibt auch Plätze, die ich dementsprechend frei nutzen kann, gerade für die Animation der Fans und die Art und Weise, wie man beispielsweise die Mannschaftsaufstellung präsentiert. Da hat die Energie das hergegeben, dass wir das klassisch machen, wie man es aus der Bundesliga kennt, dass ich den Vornamen gesagt habe und die Fans den Nachnamen. Bei den beiden Toren habe ich das auch so gemacht. Da habe ich auch ein bisschen die Freiheit, wie ich das Tor ansage, wie lang ich das Goooooal ziehe. Das hat auch richtig Spaß gemacht, weil einfach so viel Energie im Stadion war, dann kann man das auch so formulieren, dass die Fans auch Spaß haben. Das ist ja das Hauptziel eines Moderators. Mein Antrieb ist immer: Es geht nicht um mich. Die Leute sind alle wegen Fußball da und wegen des Sports. Ich bin nur unterstützend, um die Atmosphäre aufzunehmen und dann das Beste für alle im Stadion einzufangen.

Gab es ein Spiel, auf das Sie sich am meisten gefreut haben?

Ich würde lügen, wenn ich mich als Deutscher nicht auf das deutsche Spiel sehr besonders freuen würde. Ist ja klar, dann ist ja auch die Stimmung gigantisch. Klar freut man sich auch darauf, dass wir ein Viertelfinalspiel haben. K.o.-Spiele sind immer noch mal besonders, weil da könnte es auch Verlängerung oder sogar Elfmeterschießen geben, das ist dann auch für den Moderator eine andere Geschichte als ein normales Spiel über 90 Minuten. Wir haben unseren Ablauf am Sonntag gut vorbereitet, dass wir den Weg auch am Mittwoch weitergehen können. Wenn dann 80 Prozent im Stadion deutsche Fans sind, dann wollen sie ihr Team auch unterstützen, aber wir wollen selbstverständlich als Gastgeber auch die Ungarn nicht benachteiligen. Ganz im Gegenteil, wir wollen das ausgewogen gestalten, dass wir beiden Fans die Chance geben, ihr Team gleichberechtigt zu unterstützen.

Sind Sie auch ein bisschen stolz, die Menschen in Ihrer Stadt zu empfangen?

Klar ist, dass jeder, der hier arbeitet rund um die Euro-Spiele, auch ein Botschafter ist für unsere Stadt und für unser Land ist. Das ist für viele eine Motivation für ihre Arbeit, dass sie der Organisation helfen können und Stadt und Land positiv und als gute Gastgeber repräsentieren wollen. Und so fühle ich das auch. Es ist aber kein Unterschied, ob ich das jetzt hier in Stuttgart mache oder beispielsweise in Oberstdorf. Dort bin ich genauso der Dienstleister und heiße die Leute in Oberstdorf mit vollem Herzen willkommen und wünsche ihnen eine schöne Zeit in Oberstdorf. Ich glaube, das ist selbstverständlich in meiner Position. Aber zu der Stadt, in der man wohnt und lebt, hat man eine besondere emotionale Bindung. Das klang am Sonntag zwischen den Zeilen vielleicht ein bisschen durch.

Am Mittwoch trifft Deutschland in Stuttgart auf Ungarn. Mit welchen Erwartungen gehen Sie in das Spiel?

Die deutsche Mannschaft hat die Messlatte mit dem 5:1 gegen Schottland sehr hochgelegt. Da muss man jetzt aufpassen, das ist kein Selbstläufer und das wird auch nicht das ganze Turnier einfach so weitergehen können, das ist klar. Wir würden uns selbstverständlich wünschen, dass es am Mittwoch so weitergeht. Für die Ungarn ist es eigentlich ein K.o.-Spiel, sie müssen unbedingt gewinnen um noch eine Chance zu haben weiterzukommen. Von daher dürfen wir erwarten, dass wir sehr motivierte Ungarn im Stadion erleben werden. Aber vielleicht auch eine deutsche Mannschaft, die eine kleine Welle der Euphorie bestiegen hat. Wenn das dann so sein wird, dann ist das natürlich wunderbar. Dann dürfen wir uns auf ein sehr emotionales Spiel freuen – mit großartiger Atmosphäre. Weil ich ja den Fairplay-Gedanken im Herzen trage, werde ich jetzt mal nicht auf den Spielausgang tippen. Ich wünsche mir einfach einen unvergesslichen Abend für alle, die im Stadion sind. Wenn ich dazu einen kleinen Teil beitragen kann, dann habe ich meinen Job richtig gemacht.

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