Mehr Möglichkeiten für Menschen mit Behinderung - Doch das neue Teilhabegesetz könnte im Enzkreis für Chaos sorgen
Enzkreis. Ein „Chaos“ sieht Landrat Bastian Rosenau auf den Enzkreis zukommen, wenn die nächste Stufe des Bundesteilhabegesetzes im Januar 2020 in Kraft tritt. Das machten er und Sabine Schuster, Leiterin des Sozial- und Versorgungsamts, im Sozial- und Kulturausschuss des Kreistags klar. Das Gesetz soll Menschen mit Behinderung mehr Möglichkeit geben, ihr Leben an den eigenen Wünschen auszurichten. „Schön gedacht, schlecht gemacht“, befindet Rosenau. Denn noch ist vieles bezüglich der praktischen Umsetzung unklar.
So kommt auf die Betroffenen mehr Eigenverantwortung zu. Sie müssen etwa ab 1. Januar selbst Anträge stellen, wenn sie Leistungen erhalten wollen. Das ging zuvor automatisch. Sollte dabei etwas schief laufen, hafte im Zweifel der zuständige, ehrenamtliche Betreuer. Rosenau fürchtet neben Mehrkosten für die Verwaltung auch eine Welle an Mandatsniederlegungen. Die Verwaltung hat drei Wochen Zeit, über die Anträge zu entscheiden – „das ist utopisch, das werden wir nicht schaffen“, so Schuster. Eine weitere Neuerung: Die Menschen mit Behinderung bekommen Geld vom Enzkreis ausgezahlt, etwa für die Miete, das zuvor direkt an Einrichtungen überwiesen wurde. Das Problem: Nur die Hälfte der Menschen hat der Verwaltung bislang die dafür nötigen Bankdaten übermittelt. Es ist nur die Spitze des Eisbergs. Eine weitere Herausforderung wird wohl der Dokumentationsbogen, der mindestens alle zwei Jahre für jeden Menschen ausgefüllt werden muss und mehr als 30 Seiten umfasst – inklusive mehrseitigem medizinischem Gutachten. Wer dieses aber verfassen und ausfüllen soll, wo Mediziner ohnehin überall fehlen, ist noch fraglich. Die Gespräche zwischen Land und kommunalen Spitzenverbänden liegen laut Rosenau derzeit auf Eis. Dass der Rahmenvertrag, der den finanziellen Ausgleich des Landes an die Kommunen regeln soll, noch 2019 zustande kommt, scheint unwahrscheinlich.
Aus dem Ausschuss
Für Menschen mit mehrfacher Schwerstbehinderung aus Pforzheim und dem Enzkreis schafft die Caritas in Illingen ein neues Angebot. An der Mühlstraße sollen 24 stationäre Wohn-, Förder- und Betreuungsplätze sowie zwei Kurzzeitplätze entstehen. Wie berichtet, hatte dies zu Protesten geführt. Sozialdezernentin Katja Kreeb teilte mir, dass das Projekt vom Kommunalverband für Jugend und Soziales nicht als förderfähig eingestuft wird, da es Wohnen und Aufenthaltsort am Tag am selben Standort verbindet. Die dadurch entgangenen 2,1 Millionen Euro seien nach 15 Jahren allerdings durch die fehlenden Fahrtkosten zwischen zwei Standorten refinanziert.
Integration: Für ein weiteres Jahr finanziert das Land die Beschäftigung der Integrationsmanager im Kreis. Dies sind 20 Personen, die über die Träger Internationalen Bund sowie Miteinanderleben angestellt sind und Geflüchtete in Anschlussunterbringung in den Gemeinden betreuen. Bei einer Gegenstimme durch Klaus Fuchs (AfD) stimmte das Gremium der Verlängerung des bestehenden Modells zu.
Ein Pflegestützpunkt für Senioren, ähnlich dem Consilio in Mühlacker, soll in Remchingen entstehen. Auch Königsbach-Stein, Kämpfelbach und Keltern hatten sich als Standort beworben. Remchingen schien nach Prüfung der Räumlichkeiten, Erreichbarkeit und Vernetzungsmöglichkeiten vor Ort als am geeignetsten. Die endgültige Entscheidung trifft der Kreistag am 4. November.