Mensch gegen Schmetterling: Hohe Hürden für Neubaugebiete in Neuhausen
Neuhausen. Die Gemeinde wolle nicht willkürlich Häuser in die Landschaft bauen, sondern Wohnraum für junge Menschen schaffen: Vor allem die Freien Wähler und die Bürger für das Biet (BfB) im Neuhausener Gemeinderat sind sauer auf den Stillstand bei den Plänen für ein Neubaugebiet Ettern im Ortsteil Hamberg. Bernadette Gross vom Büro Bioplan hat Neuhausens Räte jetzt darauf vorbereitet, dass das Hamberger Vorhaben noch viele weitere Jahre lang auf Eis liegen könnte. Grund dafür sind europaweit geschützte Schmetterlingsarten, vor allem der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling.

Am selben Abend wollten die Planer – neben Bioplan die Architekturbüros Schöffler und Kirn – ein Stimmungsbild der Räte einholen, ob sie ein in Steinegg direkt beim Seniorenheim geplantes Gebiet für 15 Bauplätze lieber klassisch mit Satteldächern oder ökologisch mit begrünten Flachdächern entwickeln wollen. Für Einzel- und Doppelhäuser in Steineggs Herzbohnengarten sind Räte und Verwaltung optimistisch. Allerdings: So lange hat man die Pläne geschmiedet, dass der Ameisenbläuling nun auch dort gelandet ist. 2019 seien erstmals Exemplare nachgewiesen worden, so Gross. Und so äußerte etwa Martin Volz (Freie Wähler) die Sorge, das Hamberger Drama könnte sich in Steinegg wiederholen. Ratskollege Hartmut Lutz (BfB) glaubt dagegen, dass die Tiere hier leichter in benachbarte Wiesen umziehen könnten, „wenn die Planer schnell machen.“
Tatsächlich bekam das Büro Bioplan Frust aus dem Gremium wegen des Hamberger Ettern-Problems ab. Die Räte vermissen Lösungsansätze. Gross warb um Verständnis dafür, dass der Versuch, Tiere umzusiedeln, einfach komplizierter sei, als Ersatzflächen für Pflanzen anzulegen. Im Gegensatz zu Steinegg fehlen in Hamberg Flächen, auf denen der Wiesenknopf wächst, ohne den der Bläuling nicht leben kann. CDU-Rat und Landwirt Gerd Philipp hat zwar eine ehemalige Ackerfläche in eine Alternative umgewandelt. Doch es kann laut Gross bis zu zehn Jahre brauchen, bis daraus eine passende Wiese wird. Bisherige Versuche, den Wiesenknopf dort anzupflanzen, waren ernüchternd. Einzige Chance für etwas Abhilfe: Man könne Pflanzen von anderen Standorten umsetzen, so Gross.
Nicht wenige Räte wittern eine unendliche Geschichte. Das Gremium hatte Wohnbau im Ettern schon 2015 beschlossen – und noch viel länger vorbereitet. Am vehementesten wetterte Reinhold Auer (Freie Wähler) gegen die Hürden des Artenschutzes. Provokant fragte er, was passiere, wenn man die Ettern einfach freimache und lieber Strafe zahle, als immer neue Untersuchungen. Das aber wäre ein Straftatbestand, warnte Gross. Schon heute fehle es an Kontrollen, wie in dem Gebiet gemäht wird, kritisierte Birgit Lierheimer als Zuhörerin. Wenn man nicht aufpasse, gebe es keine Schmetterlinge mehr umzusiedeln.
In Steinegg geht es derweil schon um andere Dinge: Flächen für Mülltonnen, den besten Hochwasserschutz, eine Verkehrsanbindung über den Kreisel am Ortseingang. Bürgermeister Oliver Korz hofft, dass man bei Behörden mit einem ökologischen Konzept punkten kann – und gleichzeitig dem häufigen Wunsch nach zwei vollen Geschossen mit den Flachdächern entgegenkommt.
Es ist nicht leicht, den Bläuling umzuziehen
Tiere umzusiedeln, ist kompliziert genug. Beim Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling ist es besonders schwer: Die Falter brauchen eine bestimmte Pflanze für die Eiablage – den Großen Wiesenknopf. Und sie brauchen außerdem ganz bestimmte Ameisenarten in der Nachbarschaft. Denn die Schmetterlingsraupen imitieren deren Nestgeruch, lassen sich in den Bau tragen und von den Ameisen aufziehen – während sie deren Brut verspeisen.