Misstrauen statt mitmischen: Die Krux der Pforzheimer Stadtpolitik
Pforzheim. Arg Zu denken hat die Diskussion am Dienstagabend im Kulturausschuss gegeben. Insbesondere, als es um den Pforzheimer Gedenktag 23. Februar ging. Hehre Reden zur großen Bedeutung dieses Tages für die Stadt und zu den Grundsätzen der Demokratie waren da zu hören. Mit Taten unterfüttert werden diese aber kaum.

Worum ging’s im Detail?
Es gibt einen gemeinsamen Antrag der Fraktionen Grüne/WiP/ Die Linke sowie der SPD, den die Stadtverwaltung ausdrücklich unterstützt. Ziel ist, dass der vom Kulturamt moderierte Arbeitskreis 23. Februar eigenverantwortlich das jeweilige Programm gestalten kann und es dafür nicht mehr den abschließenden Segen des Gemeinderats braucht (die PZ berichtete). Begründet wird dies mit rein organisatorischen Erleichterungen. Denn wegen der Sitzungsläufe muss das Programm fürs Folgejahr so bereits im Sommer stehen, oder die Aktiven können es nur auf den letzten Drücker am Jahresende festlegen, was logistisch für Probleme sorgt, etwa beim Gestalten von Werbemitteln. Doch plötzlich ging’s um Prinzip. Der 23. Februar sei „ein städtisches Problem, nicht das von Arbeitskreisen“, pochte Brigitte Langer-Glock (CDU) auf das aktuelle Prozedere. Fraktionskollege Frank Johannes Lemke unterstrich, der 23. Februar sei „der zentrale Gedenktag“ Pforzheims: „Alles, was die Stadt offiziell dazu veranstaltet, gehört in den Gemeinderat.“ Für Monika Descharmes (FDP) ist der 23. Februar „der wichtigste, entscheidendste Tag“ der jüngeren Pforzheimer Geschichte. Er sei „zu wichtig, als dass er am Gemeinderat vorbeigehen sollte“. Alexander Ponomarenko (AfD) warnte gar vor der „Gefahr des Verlusts von Kontrolle“. Bezeichnend war in all diesen staatstragenden Plädoyers Descharmes Frage: „Was ist diese ,Große Runde‘ überhaupt?“
Denn es ist ja so: An diesem Programm – das Gedenken auf dem Hauptfriedhof und Marktplatz liegt ohnehin in städtischer Hand und ist hier außen vor – arbeiten stets zahlreiche Einrichtungen, Vereine, Initiativen und engagierte Bürger. Jüdische Gemeinde, Löbliche Singer, Jugendgemeinderat, die Kirchen und, und, und. Das Ziel: mit möglichst vielfältigen Angeboten sollen die unterschiedlichsten Menschen erreicht, insbesondere auch Kindern und Jugendlichen die Lehren aus dem 23. Februar 1945 vermittelt werden. In besagter „Großer Runde“ werden mehrmals pro Jahr die Vorhaben präsentiert, diskutiert und abgestimmt. Seit 2005 läuft das so, erst 2021 votierte der Gemeinderat dafür, den Daumen draufhaben zu wollen. Damals hieß es in der Sitzungsvorlage aber auch: „In der ,Großen Runde‘ sind zum Ziele einer frühzeitigen Kommunikation die Mitglieder des Gemeinderats vertreten, die unabhängig von ihrer Teilnahme an der ,Großen Runde‘ jederzeit auch zur Mitarbeit in der ,Kleinen Runde‘ eingeladen sind.“ Also dort, wo es um Detailarbeit geht.
Wie die stellvertretende Kulturamtsleiterin Claudia Baumbusch, die den Arbeitskreis seit fünf Jahren moderiert, in der Sitzung am Dienstag unterstrich, bringen sich hier 20 bis 25 Personen „aus der Mitte der Stadtgesellschaft engagiert mit ganz viel Einsatz“ ein. Es sind zumeist Ehrenamtliche. Und: „Seit vielen Jahren steht die Einladung an den Gemeinderat, aktiv an diesem Programm mitzuwirken“, betonte Baumbusch. Christof Weisenbacher (WiP) bestätigte, dass die Fraktionen immer dazu eingeladen würden.
Allein: Bis auf zwei, drei Ausnahmen lässt sich nach PZ-Informationen keiner dieser „Vertreter der Bürgerschaft“, wie Descharmes sich und ihre Stadtratskollegen in der Debatte explizit nannte, dort blicken. Für all jene, die sich derart beherzt einbringen, könnte das mit großer Mehrheit ausgesandte Signal des Fachausschusses so wirken: Macht ihr euch mal schön allein die ganze Arbeit. Dann dürft ihr zugucken, ob wir den Daumen heben oder senken. Ehrlicherweise hat das eher was Cäsarisches und mit Demokratie nur noch wenig zu tun.
Dazu passt, dass auch das neue Konzept fürs „Schlosspark Open“, das unter der Regie des Kulturhauses Osterfeld mit vielen lokalen Playern die Kurve zu bekommen scheint, auf Misstrauen stieß, obwohl sich die wenigsten Räte selbst vor Ort ein Bild von der aktuellen Auflage gemacht haben dürften. Und dass tatsächlich die Frage laut wurde, wieso es denn in Sachen Ornamenta III nicht vorangehe.
Zur Erinnerung: Dieser Gemeinderat hatte das Kunststück fertiggebracht, für einen Akteneinsichtsausschuss zur Aufarbeitung der Ornamenta II zu votieren und dann später dessen – durch den ersten Beschluss weitgehend vorgegebene – personelle Besetzung abzulehnen. Offenbar im Glauben, es gehe bei dieser Abstimmung noch einmal grundsätzlich um das Einsetzen eines solchen Rats. Das Resultat: Es gibt nun diesen Ausschuss, er hat aber exakt null Mitglieder. Und erst wenn diese Nullnummer getagt hat, kann die gemeinderätliche Sondersitzung zum Thema erfolgen. Alles klar?!
Weniger Misstrauen wünscht man sich von dieser Stadtpolitik, dafür darf sie gerne mehr mitmachen – und mitdenken.