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Mühlacker -  02.12.2019
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Mühlacker Integrationskonferenz wirft neue Fragen mit Blick auf das Zusammenleben auf

.Mühlacker. Cem Özdemir bezeichnete sich schon mal als „anatolischer Schwabe“, doch auch dieser Ausdruck wird noch getoppt: Als die „schwäbischste Badenerin mit armenischer Herkunft, die jemals am Bosporus geboren wurde“ sieht sich eine Muslimin, die seit 20 Jahren im Enzkreis lebt. Und im Vergleich hält sie fest: „Hier in Deutschland habe ich mehr Freiheiten, als ich es jemals in der Türkei hatte“, so die Dame, die sich nun „Andrea“ nennt und am Samstag als eine der Rednerinnen der diesjährigen Integrationskonferenz im Mühlacker Jugendhaus ProZwo auftrat.

„Wie wollen wir künftig zusammen leben?“, lautete nicht nur das Motto der Konferenz, sondern auch die zentrale Frage, die sich an Deutsche wie Muslime gleichermaßen richtet. Auch Ende 2019 bestand großes allgemeines Interesse darüber, wie das Zusammentreffen unterschiedlicher Kulturen und Ethnien auch im neuen Jahrzehnt zu handhaben ist. Liegen unsere „Wurzeln der Menschheit wirklich in der Luft“ und nicht auf dem Boden, wie es der deutsche Schriftsteller Ralf Rothmann im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ schon mal behauptet hat?

Der Mühlacker LMU-Stadtrat und Stadtführer Manfred Rapp fand es jedenfalls interessant, warum so wenige Muslime zu den Ortsführungen kommen. Doch Dr. Erol Yildiz von der Universität in Innsbruck konnte diese Besorgnis am Samstag entkräften: „In Österreich ist es auch nicht ganz einfach, Muslime zum Theaterbesuch zu bewegen“, sagte er. Schnell machte der Begriff der „Bildungsgerechtigkeit“ die Runde, aber auch über „Postmigration“, ab welcher Generation Zuwanderer überhaupt noch Zuwanderer sind, wurde diskutiert. „Die Sprache ist generell eine Herausforderung“, bemerkte ein junger Syrer, der 2015 als Flüchtling nach Deutschland kam, um scherzhaft hinzuzufügen, dass „auch Schwäbisch längst nicht jeder verstehen muss“. Eine andere Konferenzteilnehmerin sah im Spagat zwischen Familienehre und muslimischen Traditionen auf der einen sowie der Komplexität der westlichen Welt auf der anderen Seite sogar „Schizophrenie“. Die Lösungen für solche Probleme könnten einfach sein: So wird speziell für Mühlacker ein weiterer Raum zu Kommunikation und zur Begegnung gesucht. Als Vorbild wurde das Augsburger Projekt „Tür an Tür“ genannt. Dabei schaffen kleine Läden mit internationalen Produkten ein Forum des Austausches und der Vernetzung. Man trinkt mit Flüchtlingen einen Kaffee, bietet Deutschkurse an oder hilft bei der Job- und Wohnungssuche. Bewährt hat sich auch, Muslime ins Ehrenamt einzubinden und deren soziales Engagement zu fördern. Insgesamt sechs Arbeitskreise mit Beteiligten aus der Kommunalpolitik, dem Sozialwesen, den Kirchen und der Bürgerschaft stellten ihre geplanten Projekte vor.

Autor: Alexander Jähne