„Musizieren vermittelt Werte“: Für Musikschulleiter Andreas Michel sind Menschen jeder Herkunft und jeden Alters willkommen
Pforzheim. Er sei mit seinen 61 Jahren zu alt, um zu schweigen, sagt Andreas Michel. Möglicherweise ist es aber nicht das Lebensalter, das den Musiker dazu bringt, den Mund aufzumachen. Vielleicht sind es eher die 15 Jahre als Leiter der Musikschule. Einiges hat er in dieser Zeit mitgemacht: erst die Umwandlung des damaligen Vereins Jugendmusikschule Pforzheim in eine städtische GmbH im Jahre 2013, dann habe man versucht, die Schule ans Südwestdeutsche Kammerorchester anzuschließen, 2022 dann die Eingliederung in die Volkshochschule. Und eigentlich immer – finanzieller Druck.
In all den 15 Jahren habe er mit der „Zwangsjacke Finanzen“ gelebt und mit der Frage: „Was kostet es?“ Das sei ein „ganz beklemmendes Gefühl“, gesteht Michel. 60 Prozent des Geldes erhalte man durch die Beiträge der Musikschüler, der Rest seien Fördergelder von Land und Kommune. Luft verschaffe aber das „wohlwollende Sponsoring zahlreicher Institutionen und Wirtschaftsunternehmen“. Ohne dieses wäre die Etablierung neuer, notwendiger Angebote“ nicht möglich.
Ärger über Finanzierung
„Sponsoring versetzt die Musikschule in die Lage, situativ zu agieren“, betont Michel, der in seiner Zeit deshalb auch immer wieder neue und kreative Wege gehen musste. Etwa, als er in das Crowd-funding einstieg. „Die Musikschule konnte so die Digitalisierung in Corona-Zeiten finanzieren“, erinnert sich Michel.
Was ihn besonders ärgert: Jahr für Jahr müsse die Musikschule Tarifsteigerungen eigenständig abfangen. Seine Hoffnung sei es, dass die kommunalen Fördergelder in eine Tarifautomatik eingebunden sind. „Die Musikschule hätte es verdient, wenn man ihr diese Last abnehmen würde“, sagt Michel.
Schließlich arbeite sie täglich an der Basis der sozialen Gesellschaft von Stadt und Enzkreis. „Wir sind eine Musikschule für alle: Menschen verschiedener Herkunft und Religionen, verschiedenen Alters von null bis 100 Jahre. Wir sind zu 100 Prozent inklusiv und integrativ – mehr noch: Wir brennen dafür, Menschen einzubinden und nicht auszuschließen“, so Michels Plädoyer für seine Schule. Gerade eine Stadt wie Pforzheim könne nicht darauf verzichten, betont der 61-Jährige und schiebt hinterher: „Bildung und Kultur Pforzheims benötigen keine Strahlobjekte, sondern verlässlich arbeitende Strukturen.“
Man merkt, Michel brennt für seine Schüler und sein Team. Und natürlich auch für die Musik. Sein Vater war Solo-Posaunist im Südwestfunk Sinfonieorchester, sein Onkel Erster Geiger im Philharmonischen Staatsorchester Hamburg, seine Tante Sängerin im Theater Hagen. Und er selbst griff mit sieben Jahren zur Trompete. Davor lernte er – ganz klassisch – die Blockflöte. „Ich war kein Fan davon als Kind“, räumt Michel ein und lacht. Dennoch weiß der heutige Musiklehrer: „Die Blockflöte ist immer noch der erste Weg. Sie ist kindgerecht. Ich kann einem kleinen Kind keine Tuba in die Hand geben“, erklärt er.
Bis in ein großes Orchester hat ihn sein Weg mit der Trompete nicht gebracht, trotz verschiedener Vorspiele. Erfolge hat er dennoch zahlreiche zu verzeichnen: Bereits während des Studiums leitete er ein Blasorchester – als damals jüngster Dirigent im Blasmusikverband Mittelbaden –, er machte sich in Ensembles und als Solist einen Namen, er entwickelte einen Lippen-Trainer, gründete eine eigene Notenedition, kreierte ein Corno da caccia, – ein Blechblasinstrument aus der Gruppe der Horninstrumente – und ist Fach-Autor im Bereich der Musikpädagogik und Instrumentenkunde.
„Im Orchester, das ist ein knallharter Job. Dort gibt es nicht nur Freundschaften, dort herrscht Überlebenskampf“, sagt Michel rückblickend. Aber für ihn bedeute Musizieren vor allen Dingen Begegnung, Teamwork und Kulturpflege. „Mehr noch – das Musizieren vermittelt Werte wie Respekt, Rücksichtnahme und Mitfühlen.“ Musik sei für viele – auch für ihn – ein Grundbedürfnis.
Auszeit im Olivenhain
Hat er denn selbst nie genug von Musik? „Abends habe ich auch gerne mal nichts auf die Ohren“, gesteht Michel und lacht. Aber auch seine Hobbys, das Fliegen, der Olivenanbau in Kroatien und die Seefahrt bieten ihm einen willkommenen Ausgleich. Allerdings: Das Führen einer Crew als Skipper auf See – eine seiner Lieblingsbeschäftigungen – das erinnere ihn dann doch irgendwie an seinen Job, die Führung der Musikschule.
„Klänge für ein besseres Leben“ – Benefizkonzert am Samstag, 2. November, im CongressCentrum Pforzheim
Vollblutmusiker der Region im Einsatz für den guten Zweck: Für das Benefizkonzert für „Menschen in Not“ von Poptenor Enzo D’Eugenio in Kooperation mit Andreas Michel, Leiter der Musikschule, sowie Benjamin Fischer am Samstag, 2. November, ist die Planungsphase längst abgeschlossen. „Jetzt wird geprobt und weiter optimiert“, sagt D’Eugenio. Und das, obwohl der Pforzheimer Künstler im Sommer einen gesundheitlichen Notfall erlitten hat. Jetzt ist er zurück. Poptenor D‘ Eugenio hat sich schon mehrfach für den guten Zweck engagiert. „In dieser Größenordnung ist das neu und wahrscheinlich auch nur einmal zu leisten.“ Über treue Sponsoren sind nun die Kosten für die Miete fürs CongressCentrum Pforzheim (CCP), sowie die Ausgaben für besondere Arrangements abgedeckt. „Jetzt hoffen wir auf volles Haus im CCP, denn jetzt geht es darum, möglichst viele Spenden für ,Menschen in Not‘ zu sammeln“, sagt der Musiker. Dank der Unterstützung der Aktiven des Musikvereins Mühlhausen und allen Unterstützern soll eine möglichst große Summe eingespielt werden. „Dann hat sich unsere Arbeit gelohnt.“ suk
Tickets zum Preis von 35 Euro gibt es im Kartenbüro der Sparkasse Pforzheim Calw oder online bei Reservix unter www.reservix.de
