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Pforzheim -  01.11.2025
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Nach zwei bizarren Entscheidungen des Gemeinderats: Suche nach künftigem Pforzheimer Stadtbus-Betreiber lässt auf sich warten

Pforzheim. Das Gütesiegel stammt aus berufenem Munde: Niemand im Pforzheimer Gemeinderat gehört dem Gremium länger an als FDP-Mann Hans-Ulrich Rülke. Und kein weiterer Stadtrat widmet sich seit so langer Zeit und so hochrangig der Politik wie der Chef der Landes- und der Landtagsliberalen. Deshalb spricht da schon ein Kenner, der dem aktuellen Gemeinderat im Sommer bescheinigte, dieser sei „nicht der schlechteste“, den er seit seinem Einzug in den Ratssaal 1999 erlebe. Daran zu erinnern, ist sicher hilfreich. Bevor man blauäugig zu einer anderen Einschätzung kommt.

Eine Ratsmehrheit lehnte das Ansinnen des aktuellen Busbetreibers RVS ab, zehn weitere Jahre zuschussfrei den Linienbusverkehr in Pforzheim zu übernehmen.
Eine Ratsmehrheit lehnte das Ansinnen des aktuellen Busbetreibers RVS ab, zehn weitere Jahre zuschussfrei den Linienbusverkehr in Pforzheim zu übernehmen. Foto: Meyer (Archivfotos); Fotomontage: PZ

Eine Kolumne von PZ-Chefreporter Marek Klimanski

Dies vor allem wegen zwei Abstimmungen zum Thema Stadtbusse. Die erste fand im Frühjahr statt. Eine Ratsmehrheit lehnte das Ansinnen des aktuellen Busbetreibers RVS ab, zehn weitere Jahre zuschussfrei den Linienbusverkehr in Pforzheim zu übernehmen – etwas ausgedünnt, aber ohne verpflichtenden E-Bus-Anteil. Und deshalb ohne Notwendigkeit, einen E-Bus-tauglichen Busbetriebshof zu bauen. Ein Ja zum RVS-Vorstoß – wie von Finanz- und ÖPNV-Dezernent Dirk Büscher empfohlen und übrigens von Rülke mitgetragen – hätte der Stadt auf zehn Jahre irgendwas um die 70 Millionen Euro gespart. Kann man natürlich auch anders machen, wenn man für viel Geld einen richtig guten Busbetrieb haben will. Und wenn man sich sicher ist, das Geld trotz katastrophaler Vorzeichen auch im Herbst noch zu haben. Wer dieser Tage dem Stadtkämmerer Konrad Weber aufmerksam zuhört und ihn geradezu physisch leiden sieht, weiß: Das ist nicht der Fall.

Was man aber als Befürworter eines möglichst guten und vielleicht trotzdem noch bezahlbaren Stadtbusverkehr dann nicht mehr tun darf, das tat der Gemeinderat wenige Wochen später: In der vagen Hoffnung auf Gesetzesänderungen den Neubau des Busbetriebshofs zu vertagen. Das verzögert auch die Suche nach einem neuen Busbetreiber. Und startet die Betreibersuche nicht mehr im laufenden Jahr, dann steigt der verpflichtende E-Bus-Anteil von 45 auf 60 Prozent. Was die Sache noch teurer machen dürfte. Und das Jahr nähert sich dem Ende.

In der vorletzten Sitzung des Gemeinderats am 11. November findet sich das Thema allerdings nicht auf der Tagesordnung. Woraus folgt: Es wird entweder kurz vor knapp in der letzten Sitzung vor Weihnachten übers Knie gebrochen – oder die Frist wird versäumt. Mit besagten Konsequenzen. Fristen sind schließlich zur Einhaltung da, gerade wenn es um den ÖPNV geht. Dachten wir.

Bis zu folgender Entdeckung: „Frist für Bus-Entscheidung verlängert“, lautete auf den Tag genau vor zehn Jahren eine Schlagzeile in der PZ. Und es ging, richtig, um den künftigen Betreiber des Pforzheimer Linienbus-Netzes, um RVS und Zuschussfreiheit – wer da allerdings die Frist um drei Monate verlängert bekam, war das Regierungspräsidium Karlsruhe. Durch keinen Geringeren als: das Regierungspräsidium Karlsruhe. Es ging um die Prüfung der Unterlagen, die der Betreiber RVS damals eingereicht hatte. Und darum, ob ein nachträglich aufgetretener Konkurrent doch noch berücksichtigt werden könnte. Konnte er dann nicht. Weil der Bewerber die Frist verpasst hatte, so ist das manchmal.

Weil RVS Zuschussfreiheit und alle Anforderungen zu erfüllen versprach, hatte der Gemeinderat damals übrigens nichts zu melden. War vielleicht auch besser so. Das könnte ja seinerzeit der schlechteste Gemeinderat aller Zeiten gewesen sein – denn der Titel ist, nachdem er dem jetzigen bekanntlich nicht gebührt, schließlich noch zu vergeben. Aber bitte unter Wahrung des Einreichungsschlusses. Frist oder stirb.

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