Neue Rolle für Sahra Wagenknecht? BSW-Spitze erklärt sich
Vor knapp zwei Jahren gründete die ehemalige Linke ihre eigene Partei. Jetzt will sie sagen, wie es im BSW für sie weitergeht. Das Projekt steckt in einer schwierigen Phase.
Nach Spekulationen über einen Rückzug von der Bundesspitze ihrer Partei will BSW-Chefin Sahra Wagenknecht am Montag Klarheit schaffen: Bei einer Pressekonferenz in Berlin will sie mit ihrer Co-Vorsitzenden Amira Mohamed Ali einen «Vorschlag zur personellen Aufstellung des Präsidiums» präsentieren. Die Neuwahl ist für den BSW-Parteitag am 6. und 7. Dezember in Magdeburg geplant.
Wagenknecht hatte sich am Freitag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur zu Wort gemeldet und erklärt: «Es ist Unsinn, wenn von einem Rückzug berichtet wird. Ich werde mich weiter in führender Position im BSW engagieren.» Welche Position das sein soll, ließ sie aber offen.
Schwache Umfragewerte, interner Streit
In der Partei werden bereits Namen für eine künftige Doppelspitze ohne Wagenknecht gehandelt. Doch versuchten Weggefährten nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur bis zuletzt, die Gründerin zur erneuten Kandidatur für den Bundesvorsitz zu überreden. Denn ein Rückzug der Gründerin und Identifikationsfigur aus der allerersten Reihe träfe das BSW in einer schwierigen Phase.
So liegt das BSW bundesweit in Umfragen nur noch bei 3 bis 4 Prozent. In Brandenburg ist die Partei uneins über zwei Medienstaatsverträge, was in Potsdam eine Koalitionskrise ausgelöst hat. Für eine erste Hürde hat das BSW zugesagt, dass die Verträge am Mittwoch in einem Landtagsausschuss durchkommen. Die abschließende Entscheidung im Landtag in knapp zwei Wochen ist offen.
Regieren oder nicht?
In Sachsen-Anhalt herrscht nach einem Bericht des «Stern» erbitterter Streit im BSW-Landesvorstand. Dort soll nun ein Sonderparteitag über «die Richtungsbestimmung der Landespartei mit Blick auf die anstehende Landtagswahl 2026» entscheiden.
Grundsätzlich wird in der Partei darum gerungen, ob und wie man auf Länderebene mitregieren sollte. Wagenknecht hat sich wiederholt kritisch zur Regierungsbeteiligung in der Brombeer-Koalition mit CDU und SPD in Thüringen geäußert, die BSW-Landeschefin Katja Wolf vehement verteidigt.
Ohne Bundestag fehlt die Bühne
Wagenknecht war im Oktober 2023 nach langem Streit aus der Linken ausgetreten und hatte Anfang 2024 das Bündnis Sahra Wagenknecht gegründet. Bei der Europawahl und den Landtagswahlen in Ostdeutschland 2024 fuhr das BSW aus dem Stand große Erfolge ein. Doch im Februar 2025 kam der Rückschlag: Das BSW verfehlte bei der vorgezogenen Neuwahl extrem knapp den Einzug in den Bundestag. Es kämpft um eine Neuauszählung der Stimmen, doch die Chancen sind ungewiss.
Nun fehlt Wagenknecht die politische Bühne. Eine Partei, die nicht im Bundestag sitzt, werde seltener in Talkshows eingeladen, sagte der Potsdamer Politikwissenschaftler und BSW-Spezialist Jan Philipp Thomeczek der dpa. Auch habe es eine «gewisse Abnutzung» der oft Kontroversen Thesen der Parteichefin gegeben.
«Sehr hoch gejubelt»
Die schwachen Umfragewerte erklärt Thomeczek so: «Es liegt vor allen Dingen daran, dass das BSW 2024 sehr hoch gejubelt wurde. Das war einfach überschätzt, das kann man nicht anders sagen.» In das Projekt seien große Erwartungen projiziert worden. «Und dann kam natürlich zum Teil auch die Ernüchterung.»
Trotzdem hält es der Parteienforscher für möglich, dass sich das BSW längerfristig etabliert, selbst im Fall von Wagenknechts Verzicht auf den Bundesvorsitz. «Ich denke, die Chance ist da», sagte Thomeczek. Sein Argument: Die Partei füllt mit ihrem Rechts-Links-Profil zwischen harter Migrationspolitik und starkem Sozialstaat eine Leerstelle.
Namen ohne Wagenknecht
Fest geplant ist bereits, dass das BSW künftig im Namen ohne Sahra Wagenknecht auskommen muss. Zwar soll es bei dem Kürzel BSW bleiben, es soll aber nicht mehr für Bündnis Sahra Wagenknecht stehen.
Der offizielle Vorschlag der Parteiführung - «Bündnis Soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftliche Vernunft» - trifft allerdings im BSW auf Bedenken. Der Landesverband Rheinland-Pfalz hält ihn für zu wenig griffig und will stattdessen: «Bürger schaffen Wandel - Vernunft und Gerechtigkeit». Die Entscheidung liegt ebenfalls beim Parteitag in Magdeburg.
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