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Kriminalität -  14.01.2020
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Nur die mit starken Nerven dürfen ins „Gehirn“ des Polizeipräsidiums Pforzheim

Pforzheim. Das neue Führungs- und Lagezentrum im gleichfalls neuen Polizeipräsidium Pforzheim ist eines der modernsten im Land. Am 23. Februar wird der Raum für Sonderlagen besetzt sein.

Wenn Polizeipräsident Wolfgang Trisch am 23. Februar – sofern er nicht selbst an der Eskalationslinie zwischen „Café Hasenmayer“ und dem abgesperrten Wartberg-Plateau steht – den Stuhl etwas nach rechts dreht und aus dem Fenster schaut, wird er aus dem fünften Stock des Präsidiums an der Bahnhofstraße insbesondere nach schräg links blicken: Dort oben wird ein Großteil der Musik spielen, wenn die Ewiggestrigen des „Freundeskreises ein Herz für Deutschland“ aus Sicherheitsgründen abgeschirmt werden müssen von der Antifa, der „Initiative gegen Rechts“ und dem „Bündnis Pforzheim nazifrei“. Tritsch wird den Einsatz von voraussichtlich wieder um die 1000 Polizisten leiten – die Nacht der Zerstörung der Stadt jährt sich dann zum 75. Mal.

Volles Haus im Raum für besondere Einsatzlagen

Tritsch wird umgeben sein von über 30 weiteren Kollegen, jeder Monitor, Tastatur und Telefon vor sich, Bildschirme an der Wand, direkt daneben sitzt einer der Polizeiführer vom Dienst (PvD) in einem separaten Raum, dahinter fünf Einsatzsachbearbeiter (von insgesamt 25) und zwei Einsatzassistenten (von insgesamt zehn). Überall elektronische und Sicht-Verbindung.

Der Raum für besondere Einsatzlagen steht an diesem Dienstagvormittag leer. Die PZ darf einen Blick ins Allerheiligste des Präsidiums werfen, unter den Augen von Polizeichef Tritsch, PvD Mirko Ossmann und dem Chef der Polizeiführer vom Dienst, Polizeioberrat Frank Reiser sowie natürlich den in dieser Schicht – von 6.30 bis 12.30 Uhr – diensthabenden Polizisten in der Schaltzentrale des Präsidiums, zuständig für über 600.000 Menschen in Pforzheim, dem Enzkreis sowie den Kreisen Calw (wo die Spitze und große Teile der Kriminalpolizeidirektion sitzen) und Freudenstadt.

Kein Vergleich zu früher

Dieses Führungs- und Lagezentrum sei eines der modernsten seiner Art, sagt Tritsch – wie auch Ravensburg, das im Zug der Reform der Polizeireform ebenfalls ein eigenes Präsidium erhielt (während Tuttlingen sein Präsidium verlor). Wer – wie früher regelmäßig PZ-Leser im Rahmen der Sommeraktion „Schau mal, wo Du lebst“ – noch das FLZ aus Zeiten der 2014 aufgelösten Polizeidirektion Pforzheim kennt, meint, eine andere Welt zu betreten. Eine größere Zuständigkeit, mehr Personal – natürlich auch im FLZ – und „Technik, neuester Stand“, sagt Tritsch.

Livebilder aus dem Helikopter

Alles digital – „smart“, würde Oberbürgermeister Peter Boch sagen, vor seiner Politikerlaufbahn selbst einmal Polizist. Einsatzflüge eines Polizeihubschraubers in Echtzeit – ein Knopfdruck genügt, und der Blick aus dem Helikopter nach unten erscheint auf dem Bildschirm.

Weit profaner sind die meisten der durchschnittlich 280 täglich eingehenden Notrufe. „Wir hatten mit rund 300 Notrufen innerhalb von 24 Stunden gerechnet“, sagt Ossmann zufrieden. Wie seine Kollegen ist er ein ortskundiger, erfahrener Hauptkommissar. „Und du brauchst starke Nerven“, sagt er. Reiser, sein Chef, nickt: „Das ist keine Aufgabe für Berufsanfänger.“

Learning by doing? Fehlanzeige. „Dafür ist die Sache zu ernst“, sagt Tritsch. Manchmal todernst. Aber oft auch nur nervend. „Wir werden manchmal auch zur Sozialinstanz“, sagt Tritsch. Zurückhaltend. Im Klartext: Ein Zeitgenosse ärgert sich über vermeintlich zu laute Nachbarn – und ruft die Polizei auf den Plan. Notrufe ohne Not.

Für den PvD wird nur Relevantes durchgesteckt

Das sind keine Fälle, die die Einsatzsachbearbeiter zum Polizeiführer vom Dienst – an diesem Morgen ist es Harald Huber – weitergeben. Die Kollegen sind der Filter, zum PvD lassen sie nur, was von Relevanz ist. Er ist weisungsbefugt, vertritt außerhalb der normalen Dienstzeiten den Polizeichef, koordiniert Entscheidungen, schließt sich bei Bedarf mit Staatsanwalt oder anderen Dienststellen kurz. Beispielsweise das Präsidium Einsatz in Göppingen. Einheiten dieser Bereitschaftspolizei werden spätestens am 23. Februar Richtung Pforzheim in Marsch gesetzt. Dann, wenn im FLZ der konzentrierte Ausnahmezustand herrscht.

Autor: Olaf Lorch-Gerstenmaier