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Enzkreis -  26.10.2023
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Polizei zu Böblinger Kindesentführung: "Absoluter Ausnahmefall" - Wohl keine Verbindung in den Enzkreis

Enzkreis/Böblingen. Der Albtraum vieler Eltern: Fremde sprechen ihre Kinder an, zerren sie in ein Fahrzeug und… Was dann passiert, will sich niemand wirklich so genau vorstellen. In Böblingen ist dieser Albtraum am Mittwochmorgen Wirklichkeit geworden. Zum Glück konnten Augenzeugen noch rechtzeitig eingreifen, die Polizei informieren und so die Entführung eines zehnjährigen Jungen durch einen mutmaßlichen 51-jährigen Sexualverbrecher verhindern. Ob es Verbindungen zu den jüngsten verdächtigen Fällen im Enzkreis gibt, ist nicht bestätigt und wohl auch eher fraglich, wie Polizeisprecher der Polizeipräsidien Pforzheim und Ludwigsburg erklären.

Foto: AungMyo - stock.adobe.com

Bestens vorbereiteter pädophiler Verbrecher?

Nach Meldungen in diversen Medien soll der 51-Jährige in seinem VW-Bus vor einem ehemaligen Bürogebäude in Böblingen geparkt und den Zehnjährigen von seinem Fahrrad gezogen und in den VW Bus gezerrt haben. „Ohne familiäre Vorbeziehung“, wie die Polizei bestätigt. Ein Ohrenzeuge, so die Medienmeldungen, habe Arbeiter einer nahen Baustelle auf das Geschehen aufmerksam gemacht. Diese waren mit Kanalsanierungsarbeiten beschäftigt, als sie zum einen den Fahrer aus dem Transporter ziehen und zum anderen mit einem Bagger den Fluchtweg des VW Busses blockieren wollten.

Die hinteren Scheiben sind, so zeigt es ein Video in den Sozialen Netzwerken, mit silberner Hitzeschutzfolie abgeklebt. Angeblich soll eine Matratze im VW Bus gelegen haben. Bei einer Durchsuchung des Fahrzeugs sollen K.-o.-Tropfen gefunden worden sein. War der 51-Jährige ein bestens ausgerüsteter pädophiler Verbrecher? Gehört er gar zu einem Kinderschänder-Ring, der landauf, landab nach Opfern sucht, um diese gegen Bezahlung missbrauchen zu lassen?

Unterbringung in Psychiatrie statt im Gefängnis

Die jüngste Meldung aus dem Polizeipräsidium Ludwigsburg deutet in eine andere Richtung. „Der Tatverdächtige wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft Stuttgart am Donnerstagvormittag (26.10.2023) einem Haftrichter am Amtsgericht Stuttgart vorgeführt. Dieser ordnete die Unterbringung des 51-jährigen Deutschen in einem psychiatrischen Krankenhaus an“, heißt es dort. In dem psychiatrischen Krankenhaus wird er wohl in einer geschlossenen Station untergebracht sein. Dort landen aber in der Regel Menschen mit ausgeprägten psychischen Störungen, während die „klassischen Verbrecher“ eher in eine Gefängniszelle in Untersuchungshaft gesteckt werden.

Ein Ludwigsburger Polizeisprecher darf nach Absprache mit der Staatsanwaltschaft keine weiteren Details zu dem Fall nennen, will auch die Medienmeldungen nicht bestätigen. Aber so viel kann er sagen: In seinen vielen Dienstjahren ist ihm noch nie so ein Fall weder im Landkreis Ludwigsburg noch im Landkreis Böblingen bekannt geworden. In der Regel würden sich nämlich hinter solchen Meldungen von Kindesentführungen ein „Sorgerechtsstreit“ oder eine „klassische Falschmeldung“ verbergen. Oft auch würden Kinder aus den verschiedensten Gründen solch eine Geschichte absichtlich erfinden oder sich in ihrer Fantasie zusammenreimen.

Wohl keine Verbindung zu jüngsten Fällen im Enzkreis

Das ist zunächst einmal kein Trost für besorgte Eltern. Wie die Pforzheimer Polizeisprecherin erklärte, gebe es keine Hinweise darauf, dass die jüngsten Meldungen von möglichen Kindesentführungsversuchen in Wiernsheim und Niefern-Öschelbronn mit dem Fall in Böblingen zu tun haben könnten. Ihr Kollege aus Ludwigsburg kann nur bestätigen, dass die Ermittlungen laufen und auch andere Fälle aus der weiteren Region auf mögliche Verbindungen hin untersucht würden.

In diesem Punkt aber würden die Ermittlungen oft auf große Probleme treffen, so die Pforzheimer Polizeisprecherin, denn selten einmal seien Zeugenaussagen so genau, dass man außer „dunkler Van“ oder „weißer Transporter“ leider „keine signifikanten Details“ erfahren würde. Zudem würde die Polizei oft viel zu spät informiert, um zielführend reagieren zu können. Man könne viele Dinge nicht mehr verifizieren, wenn nicht sofort die Polizei alarmiert werde, sondern die Beamten so etwas erst aus Sozialen Medien oder einen Tag später von einem Schulrektor oder anderen besorgten Eltern erfahren würden. Ihre Bitte: Lieber einmal mehr und eventuell umsonst die 110 anrufen, als zu wenig.

Kinder über richtiges Verhalten aufklären

Man nehme aber, so die Pforzheimer Polizeisprecherin jeden Hinweis ernst und gehe immer allen Verdachtsmomenten sorgfältig nach. Das sei nicht selten eine Gratwanderung, zumal die Aufregung bei mutmaßlichen Versuchen von Kindesentführungen besonders groß sei. Ihr Kollege aus Ludwigsburg spricht von einem „absoluten Ausnahmefall“. Jetzt seien Eltern und Lehrer gefragt, jetzt sollten diese „ruhig und sachlich“ mit den Kindern über das sichere Verhalten in solchen Fällen reden. Hysterie sei nicht angesagt, sondern es müssten klare Anweisungen gegeben werden, was Kinder tun sollen, wenn sie von Fremden angesprochen werden. Das decke sich auch mit den Empfehlungen des schulpsychologischen Dienstes.

Autor: tok