Gemeinden der Region
Nordschwarzwald -  27.04.2019
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Praxissterben, volle Wartezimmer: Verzweifelter Kampf um neue Hausärzte in der Region

Enzkreis/Kreis Calw. Auf dem Papier ist die Region medizinisch nicht schlecht versorgt. Der Enzkreis, der zudem vielfach von Pforzheim profitiert, genauso wenig wie das obere Enztal mit Bad Wildbad im Zentrum. Doch die nackten Zahlen sind trügerisch.

Auf dem Papier ist die Region medizinisch nicht schlecht versorgt. Der Enzkreis, der zudem vielfach von Pforzheim profitiert, genauso wenig wie das obere Enztal mit Bad Wildbad im Zentrum. Doch die nackten Zahlen sind trügerisch.
Auf dem Papier ist die Region medizinisch nicht schlecht versorgt. Der Enzkreis, der zudem vielfach von Pforzheim profitiert, genauso wenig wie das obere Enztal mit Bad Wildbad im Zentrum. Doch die nackten Zahlen sind trügerisch. Foto: Foto: dpa

Immer wieder stehen nämlich Patienten plötzlich ohne Hausarzt da. Weil für eine eingeführte Praxis kein junger Nachfolger gefunden wurde. Oder wie erst im Februar in Mühlacker, weil eine Praxis unverhofft schließt. Den Menschen, die dort seitdem einen neuen Arzt ihres Vertrauens suchen, hilft es nicht, dass rein statistisch die Stadt Mühlacker und die Enzkreisgemeinden drumherum in der Allgemeinmedizin mit einem Versorgungsgrad von 97,6 Prozent fast so gut abgedeckt sein sollen wie Pforzheim. Stattdessen füllen diese Patienten die Wartezimmer der verbleibenden Hausärzte.

Der FDP-Landtagsabgeordnete Erik Schweickert hat zuletzt in einer Kleinen Anfrage an die Landesregierung die Versorgungssituation im Enzkreis abgefragt. Sozialminister Manne Lucha verweist auf die statistisch guten Werte, räumt freilich rückläufige Zahlen sowohl bei den Praxen als auch bei den Ärzten in der Region ein. Das Land, so Lucha, biete Unterstützung mit dem Förderprogramm Landärzte, mit einem Stipendienprogramm, das Medizinstudenten für den ländlichen Raum interessieren soll, mit der Unterstützung der Landarzt-Werbung des Hausärzteverbands oder der Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen. Im Grundsatz sei auch die Schaffung von 150 zusätzlichen Medizinstudienplätzen beschlossene Sache.

Dr. Brigitte Joggerst, Leiterin des Gesundheitsamts Enzkreis-Pforzheim hofft dringend auf mehr Mediziner, die sich für Landarztpraxen interessieren. Seit 2016 kämpft sie darum zusammen mit Kliniken, niedergelassenen Ärzten und Verbänden unter dem Motto „Docs4Pfenz“. Die Bilanz bislang: Eine gelungene Praxisübergabe, zwei junge Ärztinnen, die man über das eigene Ausbildungspaket an die Region gebunden, und ein bis zwei Studenten im praktischen Jahr, die man überzeugt habe. Ein mühsamer Kraftakt.

Im Kreis Calw setzt man sogar eigene finanzielle Anreize mit einem Stipendienprogramm und Studienbeihilfen. Im Herbst machten da bereits zehn junge Mediziner mit. Im Kreis Calw ist der Druck freilich noch größer. Dort sind derzeit 41 Prozent der Hausärzte über 60 Jahre alt und damit kurz vor dem Ruhestand. Im Enzkreis gilt das für 26 Prozent.

Ohne grundsätzlichere Änderung bei der Medizinerausbildung, ist Dr. Joggerst überzeugt, ohne Verbesserungen wie Weiterbildungen von Fachangestellten und mehr nicht-ärztliches Personal bleibe es bei einem „Verteilungskampf“: „Wenn wir einen jungen Arzt gewinnen, dann fehlt der anderswo – und umgekehrt.“

Bei Fachärzten wachsen die Sorgen ebenfalls. In Bad Wildbad klagten Eltern zuletzt über Schwierigkeiten, Termine bei Kinderärzten zu bekommen. Auch dort widersprechen gute Statistiken den Erfahrungen im Alltag.

Erik Schweickert fordert jedenfalls mehr Einsatz von der Landesregierung. Finanzielle Förderungen würden etwa am Enzkreis derzeit vorbeigehen. Und die Pläne für Medizinstudenten hält er für wenig realistisch. Er hielte Verbesserungen bei den Vergütungen für Landärzte für den viel besseren Weg.

Autor: Alexander Heilemann