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Niefern-Öschelbronn -  19.09.2022
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Prominenter Besuch aus Bayern bei Langer Nacht der Kirche in Niefern

Niefern-Öschelbronn. Beim Podiumsgespräch zur langen Nacht der Kirche in Niefern ist Dr. Günther Beckstein (CSU), ehemaliger bayerischer Ministerpräsident und früherer Vize-Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zu Gast gewesen. Er hat sich den Fragen von Pfarrer Mathias Götz und Kirchengemeinderat Matthias Koch gestellt.

Lange Nacht der Kirche
Lange Nacht der Kirche mit Günther Beckstein, CSU (ehemaliger bayerischer Ministerpräsident und Vize-Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland). Er hat sich den Fragen von Pfarrer Mathias Götz (rechts) und Kirchengemeinderat Matthias Koch gestellt. Foto: Tilo Keller Foto: Tilo Keller

„Der CVJM (Christlicher Verein Junger Menschen) hat mich insgesamt mehr geprägt als das Elternhaus“, sagte Dr. Günther Beckstein über seine Jugend. „Ich war ein schüchternes Bürschchen, das glaubt mir heute niemand. Erst durch die Gruppenarbeit habe ich gelernt, mit anderen Menschen umzugehen.“ Nach der Schule habe er sich nicht für Theologie, sondern für ein Jurastudium entschieden, da ihm damit vom Richter bis zur Verwaltung alles offenstand. Seine Dissertation hatte den Titel „Der Gewissenstäter im Strafrecht und Strafprozessrecht“. „Ich habe sie übrigens selber geschrieben“, sagte er. „Das muss man als Politiker betonen.“

Nach seinem Beitritt in die Junge Union und später in die CSU kam er eher zufällig zu einer Landtagskandidatur. Man sei auf der Suche nach einem Kandidaten gewesen, der jung und evangelisch war und außerdem wusste, dass er nicht den „Hauch einer Chance hatte, in den Landtag zu kommen“. Die Wahl habe er verloren, trat beim nächsten Mal aber wieder an.

Von 1974 bis 2013 gehörte er dem bayerischen Landtag an. Im Jahr 2007 wurde er zum bayerischen Ministerpräsidenten gewählt. Nach dem schlechten CSU-Ergebnis bei der folgenden Landtagswahl im Jahr 2008 kandidierte er nicht mehr für dieses Amt. Neben der politischen Arbeit engagierte sich Beckstein auch für die evangelische Kirche, von 2009 bis 2013 war er Vize-Präses der Synode der EKD. „Die christliche Grundüberzeugung ist etwas, was mir wichtig ist“, sagte Beckstein. „Es wäre ein Fehler, wenn wir das „C“ in Frage stellen, selbst wenn wir Muslime unter den Mitgliedern haben“, sagte er bezogen auf seine Partei. „Wir sind als Partei geprägt von den Wurzeln des Christentums.“ Gefragt nach Gewissensethik und Verantwortungsethik, hielt Beckstein fest, dass Politiker nach Verantwortungsethik entscheiden müssten.

Zu seinen Zielen in politischer Verantwortung gehörte, Bayern zum sichersten Land Deutschlands zu machen, was ihm auch gelungen sei. Im weiteren Gespräch ging es um das Thema Aufrüstung, wobei Beckstein auch über Begegnungen mit Gorbatschow und Putin erzählen konnte. „Den Ukraine-Krieg halte ich für einen verbrecherischen Angriffskrieg von Putin. Das Wort Niederlage kennt Putin nicht“, warnte er. „Entweder er wird weggeputscht oder er wird alles einsetzen, was er hat.“ Beckstein war deshalb froh, dass Bundeskanzler Olaf Scholz vorsichtig sei und sich lieber etwas „hinter Amerika verstecke“, als vorzugehen.

Im weiteren Verlauf wurde Beckstein unter anderem nach dem Wandel der vergangenen Jahre von Kirche und christlichem Glauben gefragt. „Beide Kirchen haben massive Fehler gemacht“, sagte er. „Ich bin mit meiner Kirche eng verbunden, aber es ärgert mich, dass in den Synoden mehr über Geld geredet wird als in allen Parlamenten, in denen ich war. Die Jammerei über Geld ist das, was mich nervt.“ Wichtiger sei es, Kirchengemeinden ordentlich mit Pfarrern zu versorgen. Positiv bewertete er hingegen, dass Rückstellungen für künftige Pensionen eingestellt werden, um damit zukünftige Kirchensteuerzahler nicht zu belasten.

Lobend erwähnte er auch, dass die Kirche eine größere Nähe zu den Menschen gefunden habe. „Die Gesellschaft ist darauf angewiesen, dass nicht Geld das Wichtigste ist, sondern dass es andere Werte gibt, gerade in der sozialen Marktwirtschaft“, sagte er. „Ich hoffe, dass die Kirchen ihre Bedeutung im Erhalt von Werten behalten.“ Eine Andacht setzte zu später Stunde den passenden Schlusspunkt für die lange Nacht der Kirche.

Autor: Claudia Keller