Richard Eberhardt reagiert auf Rülkes Statement zum „Vergabedesaster“
Pforzheim/Enzkreis. Von „Oberflächlichkeiten und sonstigem politischem Durcheinander“ spricht Richard Eberhardt, wenn er hier Stellung nimmt zur Thematik um die Situation im öffentlichen Personen-Nahverkehr in der Region. Eberhardt steht an der Spitze eines 1931 gegründeten Familienbetriebes, der seine Wurzeln im Omnibus-Verkehr hat und heute als Eberhardt Travel neben Pforzheim auch in Karlsruhe und Dresden aktiv ist. Richard Eberhardt war bis 2018 Präsident des Internationalen Bustouristikverbandes und ist heute dessen Ehrenvorsitzender. Hier seine Replik:
„Zugegeben, öffentlicher Personenverkehr ist eine ziemlich komplexe Aufgabe, weil viele Zuständigkeiten und unterschiedliche Gesetze den Rahmen für dieses Thema der Daseinsvorsorge bilden. Pforzheims Stadtrat Hans-Ulrich Rülke (FDP) schlussfolgert aus der Diskussion um die Vergabe der Verkehrsleistungen im Westlichen Enzkreis, dass namens der FDP- und der Grünen Liste-Fraktion der Verkehrsverbund Pforzheim-Enzkreis im Karlsruher Verkehrsverbund oder im Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart aufgehen sollte. Vielleicht sollte man besser schreiben „aufgegeben werden soll“. Ursache des Eklats ist eine kürzlich stattgefundene Abstimmung im Gemeinderat der Stadt Pforzheim, bei der es wegen des angeblichen „Vergabedesasters“ zu einer Patt-Situation und somit zur Verhinderung der längst überfälligen Fortschreibung des Nahverkehrsplanes kam, der den Ordnungsrahmen für die Stadt- und die Region im ÖPNV bildet.
Es bleibt ein Rätsel, warum Herr Rülke und seine politischen Freunde trotz jeglicher Vernunft, auch aus ökologischen Gründen, in Zeiten der aktuellen Umweltdiskussionen in eine Blockadepolitik umschwenken, die auf regionaler Ebene alles erstarren lässt, was der erstrebten Verkehrswende nutzen könnte. Die Motive sind für die meisten durchführenden Verkehrsunternehmen nicht zu verstehen, denn auch der kürzlich veröffentlichte ÖPNV-Report Baden-Württemberg bescheinigt dem VPE in zahlreichen Untersuchungen gute bis sehr gute Positionierungen. Der VPE liegt in der besseren Hälfte der 21 Verbünde in unserem Land und hat neben guten Leistungen auch noch preiswerte Tarife im Vergleich zu anderen Regionen.
Eine pauschale Forderung zu erheben, der VPE solle an den KVV oder an den VVS angegliedert werden, erzwingt natürlich die Frage – weshalb? Der Verkehrsverbund VPE ist für die reklamierte Leistungsvergabe überhaupt nicht zuständig. Seine Aufgaben liegen in der Fahrplangestaltung, Verkehrsüberwachung und Abrechnung, Tarifanwendung und technischen Vorgaben an die Betreiber, die Busunternehmen.
Die Kritik zur Vergabe im Westlichen Enzkreis trifft ausschließlich die Aufgabenträger Landratsamt Calw, Landratsamt Enzkreis und Stadt Pforzheim. Mit Stadtrat Rülkes Antrag wegen Vertrauensbruchs die Zusammenarbeit zwischen der Stadt Pforzheim und dem Enzkreis in Sachen ÖPNV zu beenden, erfolgte zunächst einmal Stillstand im Sinne der Verbesserungen der Verkehrsleistungen. Pforzheim ist Oberzentrum, hat ein latentes Interesse, dass Menschen aus dem Umland zum Arbeiten und Einkaufen dahin kommen. Umgekehrt ist es ebenso. Die Verflechtungen waren und sind eine Tatsache.
Es sind zwingende Mobilitäts- und wirtschaftliche Begründungen, die einen Trennungsschnitt zwischen Enzkreis und Stadt nicht zulassen. Es klingt wie eine Glaubensbekundung, auf größere Verbünde hinzuweisen; ob in größeren Verbünden Besseres geleistet wird, ist unklar. Fakt ist aber, dass dann anstatt zwei Aufgabenträgern im Falle des KVV sieben am Tisch der Entscheidung säßen.
Auch wenn es in einem langjährigen Prozess zu einer Anbindung an KVV oder VVS käme, sind die Entscheidungen zum ÖPNV trotzdem hier vor Ort von den Aufgabenträgern zu treffen, wobei Detailfestlegungen in viel größeren Gremien mit viel höherer Schienenaffinität getroffen würden. In Pforzheim/Enzkreis spielt Schienenverkehr nicht die Rolle, wie in den Nachbarverbünden KVV oder VVS, weil Schienenstrecken nicht in der Anzahl vorhanden sind. Mit der in den Busbetrieben vorhandenen regionalen Kompetenz und dem in der VPE gebündelten Sachverstand wollen die Akteure die Zukunft gestalten; dazu bedarf es eines zuverlässig definierten Rahmens mit den Verantwortlichen, die hier in der Region nahe bei den Kunden sind.
Mehrere Busbetriebe aus der Region sind schon seit vor dem Zweiten Weltkrieg mit Personenbeförderung aktiv und stehen bis zur Gegenwart an 365 Tagen im Jahr und auch 24 Stunden täglich für „ihre Kunden“ zur Verfügung. Die Gestaltung von ÖPNV-Leistungen bedarf eingehender Orts- und regionaler Kenntnisse, um die Bedürfnisse der mitfahrenden Gäste zu erkennen und zu befriedigen. Alle unternehmerisch Tätigen im VPE sind sich bewusst, dass nur mit zufriedenen Kunden eine Zukunft gewährleistet ist. An dieser Aufgabe wollen wir auch weiterhin mit dem VPE arbeiten, weil wir sicher sind, dass dies die kundenfreundlichste Art der ÖPNV-Gestaltung für die Region darstellt.
Dem Betrachter muss sich der Eindruck aufdrängen, dass gerade FDP-Mann Rülke Gefallen an Regulierung, Zentralismus und Bevormundung findet. Vielleicht liegt es daran, dass das Liebäugeln mit einem vermeintlichen grünen Bündnispartner die Aufgabe eigener liberaler Positionen geradezu voraussetzt. So ist es nicht verwunderlich, dass nicht nur die politischen Wettbewerber von einem desaströsen Abenteuer des FDP-Mannes sprechen, sondern auch die Mehrheit der in Pforzheim/Enzkreis aktiven Busunternehmer.
Vielleicht und hoffentlich bleibt es aber alles nur Wahlkampfgetöse und es gibt ein normales „Danach“ und ein konstruktives Abwägen, in dem der Bürger, der Fahrgast, der Steuerzahler im Mittelpunkt aller Bemühungen stehen. Das wäre dann auch der Punkt, an dem Stadtrat Rülke und seine politischen Freunde in einer zukunftsorientierten Debatte willkommen wären, in der liberale und vor allem bürgerorientierte Positionen dringend von Nöten sind.“