Sängerin Annett Louisan gastiert bei Calwer Klostersommer
Calw-Hirsau. Am Ende will sie gar nicht mehr gehen. Und man hört auf zu zählen: Sind es fünf Zugaben? Oder sechs? Diese originelle Version ihres Titels „Das Spiel“ ist dabei, mit dem Annett Louisan vor 15 Jahren die einen mit ihrem zarten Stimmchen und Lolita-Image nervte, die anderen begeisterte.
Und sie covert: Fleetwood Macs „Dreams“, David Bowies „Heroes“. Auf den Rängen des bestuhlten Konzerts hält es beim Calwer Klostersommer in Hirsau kaum jemanden. Viele stürmen nach vorne und wiegen sich im Takt. Die Uhr zeigt fast 23.30 Uhr, bevor die Sängerin und ihre Band die knapp 1400 Besucher in die kühle Nacht schicken.
Dabei hatte es eine Weile gebraucht, bis Louisan sich eingroovt: Wie sie da so sitzt in ihrem schwarzen Anzug auf dieser großen Bühne, auf der nichts ablenkt, ein einziger Lichtkegel auf sie gerichtet. Wie sie tief durchatmet, die Augen schließt, wirkt sie fast etwas verloren. Die Ballade „Zweites erstes Mal“ und den Walzer „Wir sind verwandt“ singt sie zart dahingehaucht. Es gibt neue und ältere Stücke. Etliche Chansons prägen die erste Hälfte. Von Anfang an tauscht die 42-Jährige Blicke mit den Fans aus, singt den Titel „Klein“ des aktuellen Albums „Kleine große Liebe“ mitten durch die Reihen spazierend, und erzählt aus ihrem Leben: vom Mutterwerden, von Familientreffen, der Euphorie, die sie damals im Osten spürte, als die Mauer fiel und erklärt, in welcher Stimmung Songs schreibt. „Ein Schritt nach vorn und zwei zurück, auf jeder Fahrt in Richtung Glück. Ich bog falsch ab, na ja, was soll’s?
Die schönsten Wege sind aus Holz“, singt sie. Ihre autobiografisch gefärbten Verse sind aus dem Leben gegriffen: Intelligent, kreativ, mit pfiffigen Reimen und Humor räumt sie mit Rollenklischees auf und beschreibt Situationen, die jeder kennt. Allzu menschlichen Themen verleiht sie den gewissen Twist. Dabei nimmt sie auch sich selbst und ihre Größe genüsslich aufs Korn. Louisan liebt das Spiel mit Worten. Ihre Sprache ist einfach und direkt. Tiefe und Poesie erschließen sich häufig erst beim zweiten, genauen Hinhören.
Im Laufe des Konzerts, gefühlt mit jedem Schlückchen Prosecco (den sie im Titel „Das alles wär nie passiert“ besingt), wirkt sie immer entspannter. „Ihr seid noch da?“, fragt die Sängerin in einem Moment allgemeiner Zurückgelehntheit. Die leicht beschwingte, getragene Atmosphäre wird nach der Pause lebendiger, fröhlicher, die Musik poppiger. Dazu tänzelt Louisan über die Bühne. Gitarren, Bass, Klavier, Schlagzeug, gelegentlich E-Cello und Akkordeon: Eine handwerklich sauber agierende Band behält das große Ganze im Blick und unterstützt Louisans Stimme. Kraftvolle Vokalisen sind bei „24 Stunden“ eine echte Überraschung – es ist nicht die einzige an diesem schönen Abend.